Die EU-Kommission sieht in der europäischen Nachhaltigkeitsrichtlinie (CSRD) keine Bestimmungen, aufgrund derer Verlader oder Spediteure künftig auf die Dienstleistungen bestimmter Frachtbörsen oder Transportunternehmen verzichten müssten. Solche Bedenken gibt es in der Branche. Hintergrund ist, dass Unternehmen, die unter die Richtlinie fallen, künftig zum Beispiel über die Treibhausgasemissionen in ihrer Lieferkette Rechenschaft ablegen müssen. Frachtenbörsen könnten ihren Auftraggebern aber diese Daten der beauftragten Transportunternehmen nicht liefern. Sie direkt bei den Transporteuren zu ermitteln, könne sich als unmöglich erweisen, lauten Befürchtungen.
In den European Sustainability Reporting Standards sei festgelegt, „dass Unternehmen Schätzwerte nutzen sollen, falls sie die erforderlichen Informationen über ihre Wertschöpfungsketten trotz angemessener Bemühungen nicht sammeln können“, sagte eine Sprecherin der EU-Kommission auf Anfrage der DVZ. Die geplante Verordnung „Count Emissions EU“ werde zudem die Methoden, mit denen Transportemissionen in der EU ermittelt werden, harmonisieren und damit die Berichterstattung vereinfachen. Für die Frachtenbörse Timocom bedeutet diese Klarstellung zunächst eine Erleichterung. Auf der Plattform finden Anwender derzeit lediglich Informationen zur Fahrzeugart und Gewichtsklasse sowie zum Gewicht und Volumen einer Sendung. Aussagen zur Routenlänge ergeben sich indirekt aus dem Frachtangebot sowie aus der Live-Sendungsverfolgung, falls diese verwendet wird. Eine CO₂-Berechnung bietet Timocom derzeit aber nicht an. „Den Ansatz der Vereinheitlichung über die geplanten Vorgaben begrüßen wir“, erklärt der leitende Unternehmenssprecher Gunnar Gburek. Er fördere die Vergleichbarkeit und einen fairen länderübergreifenden Wettbewerb.
„Den bürokratischen Aufwand, der dadurch vor allem aufseiten der kleinen und mittelständischen Transporteure und Speditionen verursacht wird, sehen wir hingegen kritisch“, betont Gburek. Schätzwerte zu verwenden, könne nur ein vorläufiger Schritt sein; Timocom plädiert dagegen für die Festlegung eines vereinfachten Bewertungssystems.
Auch der polnische Plattformbetreiber Trans.eu hält die Nutzung von Schätzwerten zu Beginn der Reporting-Pflichten für hilfreich, „da sie Unternehmen in die Lage versetzt, trotz möglicherweise fehlender Daten aus der Wertschöpfungskette handlungsfähig zu bleiben“, so Trans.eu-Deutschland-Chef Michael Otto. Die Plattform ermögliche eine CO₂-Berechnung über angeschlossene Partnerlösungen, die unter anderem Fahrzeuggröße, Emissionsklasse und Topographie berücksichtigten und auf der ISO-Norm 14083 beruhten. Damit biete die Plattform ihren Kunden eine international anerkannte Grundlage für ihr Reporting.
Reporting als Wettbewerbsvorteil
Quentin Donnadille, der sich beim europäischen Spediteursverband CLECAT um Nachhaltigkeitsfragen kümmert, glaubt, dass es für Frachtbörsen zum Wettbewerbsvorteil werden kann, Verladern Emissionsdaten zur Verfügung zu stellen. Transportunternehmen würden irgendwann nicht darum herumkommen, ihre Emissionen zu kalkulieren, sofern ihre Kunden der CSRD unterliegen, betont Nicolette van der Jagt, Generaldirektorin von CLECAT. Es gebe dafür bereits zahlreiche Werkzeuge, für deren Nutzung nur wenige Informationen nötig seien. CLECAT verstehe allerdings, dass kleine Transportunternehmen Mühe hätten nachzuweisen, dass sie die zunehmende Menge unterschiedlicher Vorschriften einhalten, auch über die Ermittlung von CO₂-Emissionen hinaus. Von der EU-Kommission erwartet van der Jagt deshalb weitere Leitlinien zur korrekten Nachhaltigkeitsberichterstattung.
Diesem Wunsch schließt sich Otto an: „Trans.eu unterstützt seine Partner aktiv dabei, Daten zugänglich zu machen, und wird die kommende Verordnung Count Emissions EU schnellstmöglich in seine Systeme integrieren.“ Das Unternehmen verfolge den Anspruch, Echtzeitdaten für die Emissionsberechnung bereitzustellen, damit sich die Anwender der Plattform präzise Informationen ziehen könnten.
„Zweifellos“ werde das zu Veränderungen in der Branche führen, meint CLECAT-Direktorin van der Jagt, denn Verlader und Spediteure seien gezwungen, sich Geschäftspartner zu suchen, die die erforderlichen Scope-3-Daten liefern könnten. CLECAT kenne die Ansicht, dies könne zur weiteren Konsolidierung in der Transportbranche beitragen, weil kleine Transportunternehmen möglicherweise nicht in der Lage seien, Nachhaltigkeitsbeauftragte zu beschäftigen, wie sie größere Logistikbetriebe hätten.
„Wir erwarten, dass CO₂-Emissionsdaten in der Transport- und Logistikbranche zu einem zentralen Wettbewerbsvorteil und unverzichtbar werden“, bewertet auch Otto. Plattformen, „die in der Lage sind, diese Daten bereitzustellen, werden künftig bevorzugte Partner im Markt sein“, unterstreicht er seine Überzeugung. „Wir sehen es als eine unserer zentralen strategischen Aufgaben, durch den Ausbau unserer Systeme die Integration von Scope-3-Daten zu erleichtern und so für Transparenz und Nachhaltigkeit entlang der gesamten Lieferkette zu sorgen“, resümiert der Trans.eu-Deutschand-Chef.