Die Schwarzwälder Spedition Alfred Schuon hat schon erste E-Lkw, muss aber bei Förderanträgen lange auf Rückmeldung warten.

Bild: Alfred Schuon

Lkw-Flotten: So läuft die Antriebswende im Südwesten

25.03.2025

Auf dem Weg zu einer umweltfreundlichen Transportlogistik erproben Unternehmen zwischen Rhein, Neckar und Bodensee parallel verschiedene Technologien. Hier berichten die Praktiker über ihre bisherigen Erfahrungen.

„Du hörst gar nichts“, berichtet Salvatore Billeci begeistert. Seit Juli 2024 testet der Berufskraftfahrer, der seit 35 Jahren im Fernverkehr für die Geislinger Spedition Wiedmann & Winz arbeitet, den Wasserstoff-Brennstoffzellen-Lkw GenH2 von Daimler Truck vor der Serienreife im Echtbetrieb. Rund 30.000 Kilometer hat er schon zurückgelegt, um für den Hafenbetreiber DP World Seecontainer im Vor- und Nachlauf zur Schiene oder Wasserstraße zu befördern. Selbst bei maximal 25 Tonnen Zuladung fahre das Fahrzeug mit 40 Tonnen Gesamtgewicht „federleicht“, sagt der erfahrene Trucker. Auch Micha Lege, Geschäftsführer bei Wiedmann & Winz, ist mit dem Praxistest bislang zufrieden. Der Wasserstoff-Lkw sei dem Diesel-Lkw „in vielerlei Hinsicht ebenbürtig“, findet er. Zumal die Betankung kaum länger dauere.

Viele Fuhrparks in Baden-Württemberg haben inzwischen Fahrzeuge mit alternativen Antrieben, Transporteure im Südwesten wollen beim Technologiewettlauf ganz vorne dabei sein. Das hat Tradition im „Land der Tüftler“, wo Gottlieb Daimler und Carl Benz Ende des 19. Jahrhunderts das Automobil erfunden haben. Heute zählen alternative Antriebe und grüner Wasserstoff zu den zentralen Wachstumsbereichen der baden-württembergischen Wirtschaft. Wiedmann & Winz ist eines von weltweit fünf Unternehmen, die den Wasserstoff-Prototypen von Daimler Truck ein Jahr lang testen.

Auf dem Weg zu umweltfreundlicher Transportlogistik probieren Unternehmen zwischen Rhein, Neckar und Bodensee parallel unterschiedliche Technologien aus. So sammelt Wiedmann & Winz seit Dezember 2023 auch Erfahrungen mit einem rein batterieelektrisch angetriebenen eActros 300 von Mercedes-Benz als Sattelzugmaschine und will in diesem Jahr drei eActros 600 mit höherer Reichweite anschaffen. Zusätzlich bietet das Unternehmen in seiner Bestandsflotte von rund 100 Lkw den Kunden auch HVO als nachhaltige Kraftstoffalternative an.

Die Schwarz Logistics Group in Herbrechtingen fährt zusätzlich mit Flüssiggas (LNG). Geschäftsführer Thomas Schwarz zählt allein sieben klimaschonende Fahrzeuge im Regelbetrieb auf: batterieelektrisch je einen 26-Tonner MAN ETGM und eActros 300, einen 16-Tonner Renault E-Tech D sowie zwei eActros 300 Low-Liner in Verbindung mit einem Lang-Lkw-Auflieger als 40-Tonner. Hinzu kommt ein 26-Tonner mit Brennstoffzellen-Wasserstoff-Antrieb von Hyundai sowie ein LNG-Iveco als Lang-Lkw.

Noch zu wenige H2-Tankstellen

Während E-Lkw seit 2020 zur Schwarz-Flotte gehören, kam Wasserstoff im August 2024 dazu. Das Wasserstoff-Tanken funktioniere „deutlich besser als erwartet und befürchtet“, berichtet der Geschäftsführer. Rückendeckung bekam der Partner im Elvis-Ladungsverband vom Landrat und vom Oberbürgermeister: „Ohne deren Unterstützung hätten wir keine H2-Tankstelle in unmittelbarer Nähe.“ Dieses Glück hat Rudolph Airtransfracht mit Sitz am Stuttgarter Flughafen nicht – der Transportlogistiker muss aktuell mit zwei H2-Tankstellen im Umkreis von 70 Kilometern auskommen. Eine von beiden sei „immer wieder einmal defekt wegen zu altem Equipment“, bemängelt Geschäftsführer Patrick Weinmann. Hinzu komme, dass der Vorrat oft schnell aufgebraucht sei. Bei zu wenig Druck an der Zapfsäule könne der Lkw „nicht voll aufgetankt werden, und man muss mit einer reduzierten Reichweite arbeiten“.

Rudolph Airtransfracht betreibt im Rahmen eines Pilotprojektes mit einem Großkunden einen 27-Tonner mit Wasserstoffantrieb plus einen 19-Tonner mit Elektrotechnologie. Sowohl der Hyundai XCIENT Fuel Cell als auch der eActros 300 operieren laut Weinmann „ausschließlich im Tageseinsatz in einem Aktionsradius von täglich 250 bis 300 Kilometern“. Im Arbeitsalltag seien beide Fahrzeuge „fast wie ein dieselbetriebener Lkw“ einsetzbar, lautet seine positive Zwischenbilanz, die Fahrer seien von beiden Antrieben „sehr begeistert“.

Trucker ärgern jedoch eingeschränkte Lademöglichkeiten. Zwar lässt sich heute an fast jeder Tankstelle elektrisch laden, die zugeteilte Parkfläche erweist sich dabei aber als Problem: „Lkw mit Festaufbau blockieren aufgrund der Größe oft mehrere Parkplätze“, sagt Weinmann. Zudem seien die Ladekabel häufig etwas zu kurz, um den eActros anschließen zu können. Auch aus Kostengründen lädt der Transportlogistiker seine Fahrzeuge aktuell nachts auf dem Betriebsgelände „mit bescheidenen 22 Kilowattstunden“. Das reicht dem Geschäftsführer zufolge „gerade so, dass das Fahrzeug für den Folgetag wieder die nötige Reichweite hat“. Praxistauglich ist das auf Dauer nicht. „Bei der aktuellen Stromversorgung an unserem Gebäudekomplex könnten wir maximal noch zwei weitere eActros 300 in Betrieb nehmen“, sagt er. Im Laufe dieses Jahres will er drei eActros 600 einsetzen: „Dadurch werden wir 10 Prozent unserer Fernverkehrsflotte und 5 Prozent unserer Nahverkehrsflotte klimaneutral betreiben.“

Das Familienunternehmen Walter Schmitt in Bietigheim wird bis Ende 2025 circa ein Viertel der Flotte elektrifiziert haben. Von April an erhalten die Badener sukzessive 10 eActros 600, was die Zahl der E-Lkw auf 18 erhöht. „Seit 2019 sind wir strategischer Partner von Mercedes-Benz Trucks und haben seit der ersten Generation des eActros Elektro-Lkw testen können“, berichtet Benjamin Sommer, der bei Walter Schmitt die strategische Entwicklung leitet. 2023 kamen erste Elektro-Sattelzugmaschinen in den Fuhrpark, darunter auch zwei Volvo FM Electric. Sommer ist mit den Fahrzeugen im Nah- und Fernverkehr zufrieden: „Die vom Hersteller genannte Reichweite ist realistisch und wird von uns teilweise übertroffen.“ Positiv findet er „die gute Rekuperation“, wodurch sich Energie zurückgewinnen lässt.

Als Systemdienstleister der Automobilindustrie will die Mosolf Gruppe in Kirchheim/Teck bis Ende 2025 „voraussichtlich 20 vollelektrische Fahrzeuge im operativen Einsatz haben“, kündigt Egon Christ, Leiter Unternehmensstrategie, an. Die Tagesfahrleistungen der ersten neun Einheiten seien mit Verbrennerfahrzeugen vergleichbar, erklärt der Manager, der über die erfolgreiche Transformation von Nutzfahrzeugflotten ein Buch geschrieben hat. Als Hauptschwachstelle sieht er wie andere Elektropioniere in Baden-Württemberg die fehlende öffentliche Ladeinfrastruktur. Der eigene Roll-out-Plan der Gruppe sieht vor, deutschlandweit acht Standorte (davon drei in Baden-Württemberg) mit DC-HYC-Schnellladestrukturen für Lkw auszustatten. „Drei Standorte sind bereits eingerichtet, ein vierter wird noch im Jahr 2025 umgesetzt“, kündigt Christ an.

Strom oft aus eigener Depotladung

Wiedmann & Winz lädt ebenfalls auf dem eigenen Betriebsgelände oder direkt beim Kunden. Geschäftsführer Lege treibt das Thema über das eigene Unternehmen hinaus um, als Präsident beim Verband Spedition und Logistik (VSL) Baden-Württemberg spricht er für rund 450 Branchenunternehmen: „Etwa 65 Prozent der elektrifizierten Transportprozesse im Straßengüterverkehr werden aus heutiger Sicht auf ein funktionierendes Depotladesystem angewiesen sein. Lediglich 35 Prozent der Nutzer werden auf die öffentliche Ladeinfrastruktur zurückgreifen.“ Derzeit ist das noch kein realistisches Bild.

Schwarz Logistics verwendet zum Beispiel fast ausschließlich Strom aus Depotladung. „Dann sind die ‚Antriebskosten‘ niedriger als beim konventionellen Lkw“, sagt Schwarz. Stromkosten von 70 oder gar 80 Cent pro Kilowattstunde an der externen Ladesäule hält er im gewerblichen Güterverkehr für „viel zu teuer“. Bei Walter Schmitt haben fünf der sieben Standorte in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz mittlerweile eigene Ladeinfrastruktur. Für den Nahverkehr passt das, aber bei Fernverkehrsprojekten muss das Logistikunternehmen vorab die Route analysieren, „um zu prüfen, wann und wo der ideale Zeitpunkt ist, Strom zwischenzuladen“, erklärt Sommer.

Zwischen Schwarzwald und Schwäbischer Alb investieren Familienunternehmen hohe Summen, um ihre Flotten mit alternativen Antrieben auszurüsten. Die Rüdinger Spedition in Krautheim will den Nahverkehr bis 2027 mit 55 Lkw komplett elektrisch umstellen und zu 100 Prozent „grünes Sammelgut“ anbieten. Den Aufbau eigener Ladeinfrastruktur beziffert Geschäftsführer Roland Rüdinger mit 700.000 Euro, Mehrkosten pro Elektro-Lkw mit circa 50.000 bis 150.000 Euro. „Wir gehen die Herausforderung ambitioniert an, obwohl das Thema teuer und schwierig ist und die Kunden kostentechnisch abtauchen“, sagt er. Wie andere Lkw-Transporteure in Baden-Württemberg profitiert der Transporteur aus dem Hohenlohekreis vom Förderprogramm „Klimaschonende Nutzfahrzeuge und Infrastruktur“ (KsNI) des Bundes. Daraus erhält auch Mosolf über 2 Millionen Euro für den Umstieg auf klimafreundliche E-Lkw.

„Ohne Förderprogramme hätten wir die Investitionen überhaupt nicht getätigt“, ist immer wieder zu hören. Zugleich gibt es Kritik, dass die Fördertöpfe „teils innerhalb von 24 Stunden“ leer seien. Alexander Schuon, Geschäftsführer bei Alfred Schuon in Haiterbach im Nordschwarzwald, kritisiert „schleppende Rückmeldung“ bei Anträgen für die im November 2024 gestarteten Förderprogramme „BW-e-Trucks“ sowie „TruckCharge@BW“. Sommer bei Walter Schmitt beklagt die Bürokratie, Auszahlungen von positiven Förderbescheiden seien „sehr langwierig und administrativ sehr aufwendig“. Die Spedition Schwarz hat circa 1,75 Millionen investiert, und Unternehmer Schwarz betont, man müsse sich die Antriebswende schon auch „leisten können“. Immerhin dürfte das in Baden-Württemberg leichter fallen als anderswo in Deutschland: Nach Angaben des Statistischen Landesamtes zählen mit Stuttgart, Karlsruhe und Tübingen drei Regierungsbezirke im Land zu den Regionen Europas mit der höchsten Wirtschaftskraft.

Förderprogramme in der Kritik

Für Rudolph Airtransfracht hat Weinmann alles mit spitzem Bleistift durchgerechnet. Ergebnis: Im Vergleich zu einem dieselbetriebenen Fahrzeug ergeben sich beim E-Lkw tägliche Mehrkosten in Höhe von 6 Prozent, beim Wasserstoffantrieb sogar 38 Prozent. Förderprogramme können die Mehrkosten nicht komplett abfedern, weil sie mit Auflagen wie speziell der abzuleistenden Kilometerlaufleistung verknüpft seien, bemängelt er: „Erreicht man diese nicht, kann einem die Förderung nachträglich gestrichen werden, und man bleibt auf den Mehrkosten sitzen.“ Beim Elektro-Lkw, der aufgrund der Ladethematik aktuell nur im Tageseinsatz fährt, werden die Stuttgarter mit den für die Förderung benötigten Kilometern „nicht hinkommen“, weiß Weinmann heute schon.

Doch die als sparsam bekannten Baden-Württemberger zeigen sich auch bei der Finanzierung erfinderisch. So betreibt Rudolph Airtransfracht den eActros 300 auf Basis eines monatlichen Leasings, den Hyundai XCIENT Fuel Cell mit nutzungsbasierter Abrechnung im Pay-per-use-Verfahren. Trotzdem geht die Rechnung (noch) nicht auf. Für einen 19-Tonner ist das Leasing laut Weinmann mit 3.600 Euro pro Monat teurer als das einer dieselbetriebenen Zugmaschine. Und der H2-Lkw „hat mit einem Listenpreis von circa 610.000 Euro ungefähr die vierfachen Anschaffungskosten im Vergleich zu einer dieselbetriebenen Zugmaschine“. Der Geschäftsführer von Wiedmann & Winz beziffert die Anschaffungskosten eines eActros 600 auf „mehr als das Doppelte eines Diesel-Actros“.

Klimaneutrale Lkw mit Wasserstoff- oder batterieelektrischem Antrieb sind aus Leges Sicht zwar „noch sehr teuer“, aber die Industrie liefere. Die größten Hürden sieht der VSL-Präsident im Infrastrukturausbau. Deshalb fordert er, dass Mehreinnahmen aus der CO2-Maut als Teil eines „nachhaltigen Finanzierungskreislaufs Straße“ an Speditionen zurückfließen. Berufskraftfahrern wie Salvatore Billeci macht das Lenken von H2- oder E-Trucks aber jetzt schon viel Spaß. (cs)

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