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Essay: Nachhaltigkeit als Wettbewerbsvorteil

13.02.2025

Europäische Logistikdienstleister profitieren im internationalen Vergleich von frühzeitig definierten Berichtsstandards. Als zentrale Knotenpunkte weltweiter Lieferketten können sie ihre strategische Kompetenz mit spezifischen Geschäftsmodellen vermarkten.

Nachhaltigkeit bleibt trotz jüngster Meldungen von Banken und Investoren aus den USA ein globaler Megatrend. Das zeigt sich an den Zielen und Handlungen anderer Länder und Akteure. Beispielsweise arbeitet der weltgrößte Treibhausgasemittent China schon seit 2012 an seiner nachhaltigen Transformation. Das Leitkonzept „Beautiful China“ beinhaltet den Aufbau der erforderlichen Infrastruktur als Fundament zur Reduktion von CO2-Emissionen, unter anderem durch den Ausbau erneuerbarer Energien, die Erhöhung des Anteils an Elektrofahrzeugen sowie ein verpflichtendes Nachhaltigkeitsreporting. Dabei rechnet China damit, den Höhepunkt seiner CO2-Emissionen 2030 zu erreichen. Dann soll die neue grüne Struktur greifen und den Ausstoß stetig reduzieren; Ziel ist die Klimaneutralität 2060.

Der Weg zur Nachhaltigkeit mit den Zielen langfristige Stabilität, dauerhafte Versorgungssicherheit und zukunftsfähiges Wirtschaften verläuft dabei über zwei Spuren: die Berichterstattung über Kennzahlen aus den Bereichen Ökologie, Soziales und Unternehmensführung (ESG – Environmental, Social and Governance) sowie eine daran orientierte Unternehmensbewertung auf den Finanzmärkten. Im Vordergrund steht die Steuerung und Dokumentation der nachhaltigen Entwicklung von Unternehmen gemäß dem Gedanken „What you can’t measure, you can’t manage“.

In Europa hat die EU mit der Verabschiedung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) politische Weichen für diese nachhaltige Transformation gestellt. Unternehmen sollen ökologische und soziale Risiken ihres Wirtschaftens für die Gesellschaft mit den von dort aus auf sie einwirkenden Risiken in Abgleich bringen, um stabil agieren zu können. In diesem Jahr beginnt für Unternehmen mit 250 Beschäftigten und einer Bilanzsumme von 25 Millionen Euro oder einem Jahresumsatz von 50 Millionen Euro mit der CSRD die Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. Sie greift erstmals auch für mittelständische Logistikdienstleister.

Gerade der Mittelstand kritisiert allerdings den damit verbundenen Aufwand: Bürokratie, Komplexität sowie die zeitliche und finanzielle Belastung schwächten die Wettbewerbsfähigkeit und kämen angesichts der Wirtschaftslage und des Fachkräftemangels zur Unzeit. Jedoch veröffentlichte auch China im Mai 2024 den Entwurf der chinesischen „Corporate Sustainability Disclosure Guidelines“, die – nach Unternehmensgrößen gestaffelt – bis 2030 ebenfalls ein standardisiertes Sustainability Reporting etablieren sollen. Seit Dezember ist klar, dass „Basic Guidelines“ und klimabezogene Richtlinien bis 2027 umzusetzen sind. Börsennotierte Unternehmen müssen gemäß den CSR-Guidelines der drei Hauptaktienbörsen Chinas bereits ab diesem Jahr Sustainability Reports erstellen. Seit Veröffentlichung der Disclosure-Standards des International Sustainability Standards Boards (ISSB) Mitte 2023 haben auch die EU-Handelspartner Japan, Südkorea, die Türkei und Norwegen ein verpflichtendes ESG-Reporting in die Wege geleitet oder bereits eingeführt. Wie es mit den von der US-Börsenaufsichtsbehörde im März 2024 veröffentlichten Regelungen „The Enhancement and Standardization of Climate-Related Disclosures“ unter der neuen Administration von Donald Trump weitergeht, bleibt abzuwarten.

Die Anforderungen steigen

Politik und Finanzmärkte kommen also den steigenden Anforderungen der Stakeholder entgegen, die eine Kombination der finanziellen mit umwelt- und sozialbezogenen Informationen zur ganzheitlichen Bewertung der unternehmerischen Aktivitäten sowie deren langfristiger Erfolge erwarten. Getrieben durch diese Entwicklungen, Markt-, Compliance- und Reputationsrisiken sowie das allgemeine Streben, langfristig orientiert zu wirtschaften, wird Nachhaltigkeit als wesentliche Einflussvariable für den Unternehmenserfolg zunehmend auf strategischer Ebene integriert.

Internationale Klimaabkommen verlangen zudem die Reduktion der Treibhausgasemissionen, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Diese Entwicklungen betreffen zunächst Logistikdienstleister, die in den unmittelbaren Anwendungsbereich der Nachhaltigkeitsberichterstattungspflichten fallen und als Bindeglied in globalen Supply Chains agieren. Vor dem Hintergrund, dass mehr als 80 Prozent des deutschen Handelsvolumens auf Staaten entfallen, die bereits eine verpflichtende Nachhaltigkeitsberichterstattung eingeführt haben oder sie mittelfristig einführen werden, sind auch viele weitere Transport- und Logistikunternehmen als Teil dieser Supply Chains indirekt betroffen. Ungeachtet des grenzüberschreitenden Warenflusses fallen selbst in Deutschland rund 15.000 Unternehmen unter die CSRD. Damit sind sowohl Logistikdienstleister, die als direkte Geschäftspartner reportingpflichtiger Unternehmen agieren, als auch solche, die in weltweiten Lieferketten über vor- oder nachgelagerte Stufen mittelbare Beziehungen zu ihnen unterhalten, von der Regelung indirekt betroffen.

Mit der zunehmenden Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung dürfte außerdem der Bedarf nach klimabezogenen Informationen zu Logistikprozessen steigen. Neben Servicequalitäten wie Termintreue und Flexibilität sowie Preisen wird sich deshalb die Fähigkeit, passende Daten für die Nachhaltigkeitsberichte der Kunden zu liefern, zu einem weiteren Leistungsmerkmal entwickeln. Dienstleister müssen dazu in der Lage sein, ihren Auftraggebern die richtigen Daten in der geforderten Form und Tiefe kosteneffizient über Schnittstellen zum Bedarfszeitpunkt bereitzustellen. Verifizierbare und vergleichbare Daten fördern das Vertrauen und können so zum Differenzierungsmerkmal werden.

Die Kernkompetenz zur Planung und Durchführung von Materialflüssen zwischen Unternehmen macht Logistikanbieter zu einem wichtigen Knotenpunkt für die Analyse und Reduktion von Treibhausgasemissionen. Auftraggeber können die logistikbezogenen Emissionen in ihrer Supply Chain nur in Zusammenarbeit mit den ausführenden Dienstleistern optimieren. Daraus ergeben sich verschiedene Ebenen der Zusammenarbeit, von der Einrichtung einer Datenschnittstelle über gemeinsame Workshops bis hin zur Beratung, Konzeption und Umsetzung von maßgeschneiderten Lösungen als Full-Service-Anbieter für nachhaltige Transportketten. Insbesondere im internationalen Umfeld können CSRD-konforme Unternehmen vom zeitlichen Vorsprung der europäischen Berichterstattungspflicht profitieren und kontinuierlich ihre Nachhaltigkeitskompetenz als unternehmerische Stärke und Wettbewerbsvorteil ausbauen.

Auch soziale Aspekte werden wichtiger

Neben ökologischen Faktoren adressiert die CSRD auch soziale Aspekte der Nachhaltigkeit, etwa Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter im eigenen Unternehmen sowie entlang der Supply Chain. Das soll insbesondere dem Fachkräftemangel in Europa entgegenwirken und so die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Unternehmen in der EU stärken.

Angesichts weltweiter Schritte von Staaten und Finanzmärkten hinsichtlich des Nachhaltigkeitsreportings hat die EU mit der CSRD und den European Sustainability Reporting Standards eine globale Vorreiterrolle auf dem Weg zu weltweiten Standards eingenommen. Beispielsweise folgen auch die chinesischen ESG-Standards dem Prinzip der „doppelten Wesentlichkeit“ interner wie externer Auswirkungen unternehmerischen Handelns.

Die Auseinandersetzung mit den CSRD-Anforderungen, das Screening der Unternehmensaktivitäten, die Ermittlung der notwendigen Daten bis hin zur Erstellung des Nachhaltigkeitsberichts sind zweifellos mit Aufwand und Bürokratie verbunden. Dennoch ist es langfristig betrachtet keine Option, den ESG-Anforderungen nicht zu folgen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob Logistikdienstleister bei der Umsetzung der CSRD nicht von vornherein eine strategische Kompetenz für nachhaltige Logistikprozesse aufbauen und zur Basis für ein spezifisch nachhaltiges Geschäftsmodell machen sollten. Ähnlich wie das Wertmerkmal „Made in Germany“ kann sich auch „CSRD-compliant“ als globales ESG-Qualitätssiegel etablieren und damit zum Vorteil im internationalen Wettbewerb um nachhaltige Lieferketten entwickeln. (loe)

Bildergalerie

  • Jieying Anni Luu ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Logistik/SCM an der Fakultät für Wirtschafts- und Rechtswissenschaften der Technischen Hochschule Köln. Ihr Forschungsschwerpunkt ist die nachhaltige Transformation globaler Lieferkette.

    Jieying Anni Luu ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Logistik/SCM an der Fakultät für Wirtschafts- und Rechtswissenschaften der Technischen Hochschule Köln. Ihr Forschungsschwerpunkt ist die nachhaltige Transformation globaler Lieferkette.

    Bild: Technischen Hochschule Köln

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