Herr Grage, In welchem Maß sind Kunden bereit, Mehrkosten für klimafreundliche Transportoptionen zu tragen?
Thies Grage: Dies ist sehr unterschiedlich. Sehr vereinzelt sind Verlader bereit, sogar deutliche Aufschläge von über 20 Prozent zu zahlen, wenige Verlader akzeptieren überschaubare Aufschläge von 2 bis 5 Prozent. Die große Mehrheit ist jedoch überhaupt nicht bereit, Mehrkosten zu akzeptieren.
Welche Rolle spielen klimafreundliche Transporte bei Ausschreibungen?
Bislang nur eine untergeordnete Rolle. Proaktive Nachfragen nach klimafreundlichen Transportlösungen gibt es derzeit nur vereinzelt. Es ist jedoch ein Trend erkennbar, der bestätigt, dass klimafreundliche Transportlösungen zunehmend nachgefragt werden.
Inwiefern profitiert Ihr Geschäft von der Pflicht, Treibhausgasemissionen zu dokumentieren?
Bisher nur in begrenztem Umfang. Vereinzelt werden THG-Emissionsberechnungen nachgefragt oder proaktiv zur Verfügung gestellt, um gemeinsam mit Verladern konkrete Reduktionsmaßnahmen zu identifizieren. Andererseits sind einige nachhaltige Transportlösungen wie z.B. Book & Claim nur mit einer genauen Dokumentation möglich, so dass dieser Punkt für Hoyer unabdingbar ist.
Bekommen Sie die Kosten für die Dokumentation der Treibhausgasemissionen, also etwa Personalaufwand und Software, ersetzt? Falls ja: In welchem Umfang?
Nein, dies ist bisher ein Service, den wir als flankierende Lösung anbieten, um eine Diskussionsgrundlage für nachhaltige Lösungen und Sensibilität bei den Verladern zu schaffen. Außerdem nutzen wir die Daten intern zur Bewertung der Zielerreichung unserer gesetzten Nachhaltigkeitsziele und Priorisierung von Nachhaltigkeitsinitiativen.
Wie groß ist der personelle und finanzielle Mehraufwand in Euro oder in Mitarbeitern pro Jahr für die Nachhaltigkeitsberichterstattung in Ihrem Unternehmen?
Im Rahmen der freiwilligen Nachhaltigkeitsberichterstattung waren diese noch überschaubar und eine sinnvolle Investition, um unsere Nachhaltigkeitsaktivitäten gegenüber unseren Stakeholdern zu kommunizieren. Mit der Vorbereitung auf die CSRD ist der Aufwand in den letzten zwei Jahren jedoch deutlich gestiegen. Externe Berater, eine erweiterte interne Stakeholder-Konsultation sowie neue IT-Anwendungen haben höhere Kosten verursacht. Der endgültige Mehraufwand ist heute noch nicht absehbar und sehr abhängig vom finalen Scope der CSRD, wird aber voraussichtlich im niedrigen sechsstelligen Bereich liegen, wenn die Berichtspflicht in Kraft tritt.
Haben Sie bereits Aufträge aufgrund ihrer Nachhaltigkeitsbemühungen gewonnen?
Nicht allein durch Nachhaltigkeitsbestrebungen, sondern im Gesamtpaket aus Kundenorientierung, Qualität, Preis und innovativen nachhaltigen Lösungen.
Wie relevant ist die Nachhaltigkeit bei der Auftragsvergabe?
Nachhaltigkeit spielt hier noch eine untergeordnete Rolle, da Preis und Servicequalität weiterhin die mit Abstand wichtigsten Entscheidungskriterien sind.
Für welche Branche stiften nachhaltige Angebote einen Mehrwert?
Insbesondere für endverbrauchernahe Branchen, die zunehmend auf nachhaltige Produkteigenschaften achten. Die HOYER Group hingegen bedient größtenteils Industrien, die am Anfang der Wertschöpfungskette stehen und ihren Fokus auf Scope 1 und 2 Reduktionen legen. Daher ist es für uns eine größere Herausforderung, unsere verladenden Kunden von Lösungen zu überzeugen, die auf Scope 3.4 Reduktionen abzielen. Als eine Ausnahme erleben wir Gasproduzenten, die ihrerseits gesteigertes Interesse an einer schnellen Hochlaufkurve von Wasserstoff als Absatzmarkt für Fahrzeugkraftstoffe haben.
Wo können Sie mit nachhaltigen Angeboten einen Wettbewerbsvorteil erzielen?
Dies ist in Nischensegmenten möglich, in denen Verlader den Wert nachhaltiger Lösungen und Innovationen zu schätzen wissen. Außerdem für komplexere nachhaltige Lösungen, bei denen die Größe unseres Netzwerks für die Umsetzung entscheidend ist.
Welche grundlegenden Erkenntnisse haben Sie bei der doppelten Wesentlichkeitsanalyse gewonnen?
Sie hat vor allem unsere seit Jahren verfolgten Schwerpunkte bestätigt, wie die Dekarbonisierung unserer Geschäftsmodelle, den verantwortungsvollen Umgang mit natürlichen Ressourcen, die Sicherheit für Mensch und Umwelt, faire Arbeitsbedingungen und Entwicklungsmöglichkeiten unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie eine integre Unternehmensführung. Der Fokus muss jedoch noch weiter gefasst werden, um den umfangreichen Anforderungen gerecht zu werden.
Welche Impulse zur Entwicklung neuer Geschäftsmodelle haben Sie durch die CSRD und die doppelte Wesentlichkeitsanalyse erhalten?
Die doppelte Wesentlichkeitsanalyse hat durch die dezidierte Betrachtung von Chancen und Risiken vereinzelt neue Impulse gegeben. Als innovatives Unternehmen setzt sich HOYER aber auch ohne CSRD mit Markttrends und gesellschaftlichen Entwicklungen auseinander, um neue Wachstumsfelder wie grüne Energien, Elektromobilität oder Zirkularität zu erschließen. Als Familienunternehmen denken und handeln wir in Generationen.
Was würden Sie an der aktuellen Klimaschutzgesetzgebung für Ihren Geschäftsbereich verändern und warum?
Ich würde eine deutlich punktuellere Berichtspflicht gegenüber einer „Gießkannenmethode“ wie bei der bisherigen CSRD bevorzugen, um den individuellen Aufwand für die Unternehmen in Grenzen zu halten. Wir brauchen klare Ableitungsvorgaben, um die entscheidenden Datenpunkte je Branche zu Beginn der Veröffentlichungspflicht wirklich vergleichbar zu machen und damit nachhaltig agierende von weniger nachhaltig agierenden Unternehmen unterscheiden zu können. Wünschenswert wäre auch eine stärkere Incentivierung nachhaltiger Lösungen und die Ehrlichkeit aller Beteiligten, dass diese in der Transformationsphase oft mit Mehrkosten verbunden sind. Schließlich brauchen wir Investitionszusagen und deren Umsetzung für die Ertüchtigung der Verkehrsinfrastruktur bei allen Verkehrsträgern und insbesondere bei der Schiene.
Die Nachhaltigkeitsberichterstattung entwickelt sich für viele Transport und Logistikunternehmen personell und finanziell zu einer großen Belastung. Andererseits entsteht dadurch auch die Chance, neue, klimafreundliche Geschäftsmodelle zu entwickeln und sich gegenüber Kunden sowie Partnern als grüner Dienstleister zu positionieren. Insbesondere für mittelständische Logistiker bedeuten die Anforderungen der Nachhaltigkeit neben Chancen aber auch Risiken. Ihre Herangehensweisen unterscheiden sich teilweise deutlich voneinander. In einer Umfrage hat die DVZ deshalb untersucht, wie sich die Dokumentation von Treibhausgasemissionen auf die Geschäftsprozesse von Transport und Logistikunternehmen auswirkt und welche Wettbewerbsvorteile nachhaltige Angebote bieten können. Hier geht's zu den Umfrage-Ergebnissen