Wieder ein Paketzusteller an der Tür. Der dritte in dieser Woche. Kein Wunder, es ist Vorweihnachtszeit. Wieder ein Karton. Dieses Mal steht außen drauf: „Ich wurde aus mindestens 80 Prozent recyceltem Material hergestellt. Danke, dass Sie mich wieder auf die Reise schicken und recyceln.“ Aber wie umweltfreundlich sind die Umverpackungen aus Papier und Wellpappe wirklich?
Spätestens vom 1. Januar 2030 an müssen Unternehmen dafür sorgen, dass mindestens 40 Prozent ihrer Transportverpackungen mehrfach verwendet werden können. Zehn Jahre später soll – auf freiwilliger Basis – eine Quote von 70 Prozent erreicht werden. Die Vorgabe betrifft etwa Paletten, faltbare Plastikboxen, Boxen, Schalen, Kunststoffkisten, Eimer, Fässer und Kanister. Ausnahmen gelten beispielsweise für Gefahrgut, große Maschinen, individuell angefertigte Transportverpackungen oder flexible Formate für Lebens- und Futtermittel.
Zudem können Mitgliedsstaaten Materialien ausnehmen, für die in der Verordnung vorgegebene Recyclingquoten bereits übererfüllt werden. Das erlaube zum Beispiel dem Versandhandel, weiter auf Kartonverpackungen zu setzen, statt Rücknahmesysteme für Kunststoffkisten einzuführen, sagte der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese in diesem Frühjahr, als das europäische Parlament die neue Verpackungsverordnung verabschiedet hat. „Wenn Materialien wie Pappe und Papier eingesetzt werden, die eine sehr hohe Recyclingrate haben, kann das umweltfreundlicher sein als Mehrwegverpackungen, die ja auch immer hin und her transportiert werden müssen.“
Antworten auf zehn Fragen:
1. Ist die Produktion von Kartonagen ressourcenschonend?
Für die Herstellung von Versandkartons werden Energie und Wasser verbraucht sowie Chemikalien eingesetzt, vor allem um aus Holz frische Zellulosefasern zu gewinnen. Nach Angaben des Umweltbundesamts ist die Papierindustrie der weltweit fünftgrößte industrielle Energieverbraucher. Verwendet man für die Produktion 1 Tonne Toilettenpapier Primär- oder Frischfasern, sind dafür bis zu knapp 5 Megawattstunden Energie notwendig – genauso viel wie für die Herstellung 1 Tonne Stahl, berichtet der Naturschutzbund Deutschland (Nabu). Bei der Herstellung von 1 Tonne Primärfaserpapier fallen zudem bis zu 50 Quadratmeter Abwasser an, das häufig mit Chemikalien wie organischen Kohlenstoffverbindungen belastet ist, die über Kläranlagen nur bedingt abgebaut werden können.
Also müssen die erforderlichen Mengen weiter reduziert werden, sei es durch verbesserte Produktionsverfahren, die Herstellung passgenauerer und damit materialsparender Verpackungen, den Einsatz von nachhaltig gewonnener Energie, die Einführung von Kreislaufsystemen und eine höhere Einsatzquote von Recyclingmaterial.
90
Prozent aller Versandverpackungen bestehen aus Wellpappe.
Quelle: packaging-warehouse.com
Die aktualisierte Ökobilanz für grafische Papiere und Hygienepapiere des Umweltbundesamts belegt: In fast allen betrachteten Kategorien hat Recyclingpapier Vorteile. Besonders die Auswirkungen auf die Wälder durch die Holzentnahme zeigen die Notwendigkeit des hochwertigen Papierrecyclings. Betrachtet wurde der gesamte Produktionsprozess inklusive Vorketten von der Holzentnahme aus dem Wald – zur Produktion von 1 Tonne Frischkarton werden 3 Tonnen Holz benötigt – über die Zellstoffproduktion, die Frischfaserpapierproduktion inklusive aller Transporte, die Altpapiersammlung und -sortierung, das Altpapierrecycling und die Recyclingpapierproduktion inklusive aller Transporte. Ergebnis: Durchschnittlich spart die Produktion von Recyclingpapier im Vergleich zu Frischfaserpapier 78 Prozent Wasser, 68 Prozent Energie und 15 Prozent CO₂-Emissionen ein.
2. Die Sammelquote von Altpapier und -pappe ist hoch. Warum werden trotzdem Bäume für die Herstellung neuer Faltschachteln geschlagen?
Für die Stabilität von Pappkartons und damit den Schutz der innenliegenden Ware ist es wichtig, dass ein gewisser Anteil Frischfasern verarbeitet wird. Dieser Zellstoffanteil liegt bei etwa 20 Prozent. Warum? Weil nur frische Fasern besonders lang sind und somit für Festigkeit sorgen können. Je häufiger Fasern aufbereitet werden – dies kann mehr als 20 Mal erfolgen – desto kürzer werden sie. Bestimmte Produkte können aber komplett aus Altpapier hergestellt werden, etwa Toilettenpapier.
3. Werden für die Papier- und Kartonproduktion tropische Regenwälder abgeholzt?
Wenn man den Holzzertifikaten trauen kann, wird dies zumindest nicht für die Herstellung in Europa getan. Deutschland ist Europas größter Papierproduzent und nach Österreich und Belgien mit 213 Kilogramm Papier pro Kopf im Jahr 2022 der drittgrößte Verbraucher in Europa. Während der Verbrauch an grafischen Papieren stark sinkt und der von Hygiene- sowie Spezialpapier auf niedrigem Niveau steigt, nimmt vor allem der Verbrauch von Verpackungspapieren zu, geht aus einer Untersuchung des Nabu hervor.
Laut einem Bericht der Verbraucherzentrale Anfang 2024 wird für die Herstellung zwar viel Altpapier verwendet, aber wenig heimisches Holz. Das bedeutet, dass für unseren Verbrauch Bäume in anderen Ländern gefällt und zu Zellstoff – dem Rohstoff für Papier – verarbeitet werden. Wir importieren große Mengen aus Südamerika, Skandinavien und von der Iberischen Halbinsel. Über 30 Prozent unseres Zellstoffs stammen aus Brasilien, weitere mehr als 10 Prozent aus Uruguay und Chile. Ob dort – wie in Europa üblich – Holz nur in nachhaltig bewirtschafteten Wäldern geschlagen wird, ist schwer nachzuweisen. Eine Alternative zu Holz- könnten Grasfasern werden.
95,3
Prozent der Wellpappe wurde 2023 durchschnittlich recycelt
Quelle: VDW
4. Lohnt es sich, Versandkartons in vielen verschiedenen Größen anzubieten, also in kleineren Chargen zu produzieren?
Ja, weil dann sowohl der Materialverbrauch für den Karton in der Fabrik als auch der für Füll- und Polsterstoffe beim Händler oder Spediteur reduziert werden kann. Eine Lösung dazwischen ist, Kartons so herzustellen, dass sie durch vorgeprägte unterschiedliche Faltlinien in verschiedenen Größen aufgebaut werden können.
5. Wie steht es um die Füllstoffe?
Hier gibt es gute Alternativen zu Luftpolsterfolien und ähnlichem: Stroh, Verpackungschips aus Maisstärke und Federn eignen sich als Polster und Isolierung ebenso wie Altpapierprodukte, etwa Papierwolle, Papierpolster oder Polstermatten aus Wellpappe oder Wabenpapier.
6. Wie steht es um die Transportkosten?
Leere Kartonagen werden in der Regel flach zusammengelegt in großen Mengen transportiert. Zudem sind Kartons deutlich leichter als andere Boxen bei gleicher Stabilität, betont das Bifa-Umweltinstitut. Je passender Versandverpackungen für die Ware sind, desto weniger Versandkosten fallen an. Volumen und Gewicht wirken sich auf die Transportpreise und den CO₂-Ausstoß beim Transport aus.
7. Ist jede Form von Kartonage recycelbar?
Faltschachtel ist nicht gleich Faltschachtel. Versandkartons sind in der Regel nicht beschichtet, nicht aus chemisch gebleichtem Material und möglichst wenig und nur mit ökologisch einwandfreien Farben bedruckt. Papier- und Kartonverpackungen für Lebensmittel dagegen verfügen oft über einen bunten Druck oder sind mit einer Innenbeschichtung aus Polyethylen oder Aluminium versehen. Verbundkartons sind nicht recycelbar. Fettige Pizzaschachteln und nasser Karton übrigens auch nicht.
Wellpappenproduktion weltweit
Der größte Wellpappenproduzent weltweit ist Asien mit mehr als 258 Milliarden Quadratmetern Wellpappe und einem Marktanteil von über 54 Prozent im Jahr 2022. Europa hat im Vergleich rund 22,3 Prozent oder 57,631 Milliarden Quadratmeter der gesamten Wellpappe hergestellt. Deutschland davon wiederum 10,49 Milliarden Quadratmeter.
Quelle: de.statista.com
8. Papierprodukte sind kaum besser kompostierbar als Plastik. Sind Biokunststoffe eine Alternative?
Nein. Die auch als Agrokunststoffe bezeichneten Materialien lassen sich in zwei Gruppen einteilen: solche aus pflanzlichen Rohstoffen, die theoretisch kompostierbar sind, wie Polymilchsäuren, und solche aus pflanzlichen Rohstoffen, die nicht kompostierbar sind wie PET aus Zuckerrohr. Bei beiden werden die Rohstoffe energieintensiv chemisch aufbereitet. Die erste Gruppe wird nur abgebaut, wenn eine bestimmte Temperatur erreicht wird. Das passiert weder im heimischen Kompost noch in der freien Natur, sondern nur in Kompostieranlagen. Gleichzeitig werden diese Abfälle aber in den meisten Kompostwerken als Störstoff aussortiert, da sie nicht als Agrokunststoff erkannt werden.
9. Müssen Klebebänder vor dem Kartonrecycling entfernt werden?
Das ist hilfreich, muss aber nicht sein. Das gesammelte und sortierte Altpapier wird maschinell zerkleinert und dann mit Wasser zu einem Brei verarbeitet. Mit Hilfe von Sieben werden Fremdstoffe wie Klebebänder, Dokumententaschen oder Metallklammern herausgefiltert. Und: Auch bei Klebebändern gibt es Alternativen zu Kunststoffen.
10. Mehrweg verursacht weniger Müll als Einweg. Sind Pappkartons zur Wiederverwendung geeignet?
Bedingt. Für Retouren oder ein eigenes privates Paket schon. Und wer bei Ebay einkauft, erhält meist eine Versandverpackung, der man ihren Zweit- oder Dritteinsatz ansieht. Echte Mehrwegbehälter werden dagegen auch leer transportiert und müssen gereinigt werden. Beides kostet Geld und verursacht CO₂-Emissionen. Darum müssen sie laut Ökopol-Institut, das bereits entsprechende Versuche mit Mehrwegtaschen etwa in Zusammenarbeit mit Tchibo durchgeführt hat, weit mehr als zehn Umläufe schaffen, um einen ökologischen Vorteil zu bieten.
Mehrwegsysteme sind grundsätzlich mit einem höheren Aufwand für Kunden verbunden, den diese nicht gern eingehen. Daher sind Pfandsysteme oder Gebühren, die anfallen, falls die Verpackungen nicht zurückgegeben werden, hilfreich. Ob der Händler die Kosten für den Rückversand übernimmt, entscheidet ebenfalls über den Erfolg eines solchen Systems.
Also: Zu Weihnachten Präsente in gesammelte Kartons packen, Geschenkpapier – auch hier bietet sich die Mehrfachnutzung an – mit blauem Engel verwenden und unterm Baum auf das korrekte Trennen der Verpackungsmaterialien achten.