HGK Shipping entwickelt Schiffe, die technologieoffen für H2, Ammoniak, Methanol, Solarenergie oder Batterie sind.

Bild: HGK

RH2INE in die emissionsfreie Zukunft

18.03.2025

Eine 2019 gegründete Initiative setzt sich für grenzüberschreitende Infrastruktur für Wasserstoff in der Binnenschifffahrt ein.

Mit der „Letitia“ soll ein Durchbruch bei der Dekarbonisierung der Binnenschifffahrt auf dem Rhein gelingen. Im April/Mai wird der 135 Meter lange und 17,10 Meter breite Schiffsneubau der niederländischen HTS Group erstmals mit Wasserstoffantrieb Container von Rotterdam nach Duisburg transportieren. An Bord des 500-TEU-Frachters befinden sich drei 400-Kilowatt-Brennstoffzellen, zwei Elektromotoren und ein wasserstoffelektrisches Antriebssystem. Es nutzt ein austauschbares Druckwasserstoff-Behältersystem. Dafür hat das „Rhine Hydrogen Integration Network of Excellence“ (RH2INE) aus technischen Analysen und den Anforderungen der Schifffahrt einen 500-Bar-Tanktainer mit entsprechenden Anschlüssen als „Quasistandard“ für den Rhein definiert. Die europäische Initiative verfolgt das Ziel, mit Hilfe von Wasserstoff (H2) einen emissionsfreien Transportkorridor im Nordsee-Rhein-Alpen-Mittelmeer-Raum aufzubauen.

Gegründet wurde RH2INE 2019 von der niederländischen Provinz Zuid-Holland und dem nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministerium. Heute umfasst das Netzwerk über 40 Akteure aus Deutschland, den Niederlanden, Belgien, Frankreich, Österreich und der Schweiz. Dazu zählen Häfen, Reedereien, Energieversorger und Forschungseinrichtungen. „Das ist ein Riesenvorteil“, findet Tom Verlinden, Projektdirektor RH2INE bei WaterstofNet im flämischen Turnhout. Ein marktreifes H2-System für die Binnenschifffahrt lasse sich „besser mit einer Stimme in Europa erreichen, als wenn jede einzelne Region nur für sich spricht“. Für mehr Schlagkraft wurde die Initiative auf acht Regionen ausgeweitet und Anfang 2025 das zentrale Programmbüro in Belgien eröffnet.

2019 wurde die Initiative RH2INE offiziell gegründet.
135 Meter lang ist das mit Wasserstoff betriebene Schiff „Letitia“
Quellen: RH2INE, HGK Shipping

Neutrales Joint Venture geplant

In Nordrhein-Westfalen sind unter anderem das Zentrum für Brennstoffzellentechnik ZBT und der H2-Technologiedienstleister Argo Anleg als Partner an Bord. Zu den Lenkungsmitgliedern gehört außer der Landesgesellschaft für Energie und Klimaschutz (NRW.Energy4Climate) auch Duisport. Für Europas größten Container-Hub im Binnenland engagiert sich Alexander Garbar bei RH2INE. Der Leiter der Unternehmensentwicklung bei Duisport verantwortet die Umsetzung der Energietransformation und legt die Wasserstoff-Roadmap fest. Als große Hürde nennt er den „aktuell für die Binnenschifffahrt sehr hohen Kostenaufwand“ – nicht nur für Schiffsneubauten wie die „Letitia“, sondern auch für die Wechselbehälter mit Wasserstoff: „So ein H2-Container kostet ungefähr eine halbe Million Euro.“ Für die Strecke Rotterdam–Duisburg liegt der H2-Bedarf bei circa 2 bis 3 Tonnen beziehungsweise vier bis sechs Containern: „Dann muss der Binnenschiffer bis zu 18 besitzen“, damit er bei Ankunft in Duisburg und Rotterdem je 6 Druckwasserstoff-Container tauschen kann für die Weiterfahrt. „Ein sehr hoher finanzieller Aufwand“, findet Garbar.

Gemeinsam mit zahlreichen Partnern arbeitet er bei RH2INE derzeit an einem Konzept für einen EU-weiten Tanktainer-Pool für standardisierte H2-Wechselbehälter. Im Laufe dieses Jahres soll das Konzept für ein neutrales Joint Venture stehen, von dem künftig jedes Unternehmen Druckwasserstoff-Container mieten kann – so der Plan. Das Pfandsystem soll die Binnenschiffer von Investitionen entlasten. Neutralität ist wichtig, um unabhängig von einzelnen H2-Lieferanten zu sein. Zur Finanzierung des Pools will RH2INE bis Juni 2025 EU-Fördergelder aus dem Climate Investment Funds (CIF) beantragen mit dem konkreten Ziel, das Tauschsystem bis 2026 bereitzustellen.

Inga Söllner, Projektmanagerin Internationale Kooperationen bei NRW.Energy4Climate, erwartet in diesem Jahr die Veröffentlichung des Tanktainer-Standards durch den zuständigen EU-Ausschuss CESNI. Er wird damit Teil des europäischen Standards der technischen Vorschriften für Binnenschiffe (ES-TRIN): „Dies ist ein wichtiger Schritt, damit von Unternehmerseite die Bereitschaft zur Flottenumstellung wächst.“ Um einen effizienten Austausch der Tanktainer zu ermöglichen, müssten zudem Wasserstoffversorgung und -lagerung in Hafennähe gewährleistet werden. Das untersucht momentan die Transferstelle Bingen im Auftrag des Wirtschaftsministeriums Rheinland-Pfalz.

Binnenschiffe sollen grüner werden

Unterdessen will der Chemielogistiker Bertschi am Duisburg Gateway Terminal künftig bis zu 900 Gefahrgutcontainer mit grünen Energieträgern wie Wasserstoff, Ammoniak und Methanol zwischenlagern. Außerdem plant der H2-Hersteller Lhyfe für Ende 2026 die Inbetriebnahme eines Elektrolyseurs auf einer Fläche der Duisburger Hafen AG am Rheinkai Nord. Binnenschiffer sollen ein wesentlicher Abnehmer werden.

Auch die Reederei HGK Shipping in Duisburg hat bei RH2INE die Standardisierung von H2-Speicherlösungen zur Installation an Bord begleitet. Inzwischen ist Tim Gödde, Director Ship Management bei HGK Shipping, jedoch der Meinung, „dass sich die Initiative zu sehr auf die Verwendung von unter Druck komprimiertem Wasserstoff beschränkt“. Flotten, Relationen, Transportgüter seien „zu unterschiedlich, um hier vereinheitlichen und standardisieren zu können“. Stattdessen entwickelt HGK Shipping mit der 135 Meter langen und 17,50 Meter breiten „Pioneer“ ein Gastankschiff für den Binnentransport von kalt verflüssigtem Ammoniak und verflüssigtem Kohlenstoffdioxid. HGK Shipping baut Schiffe laut Gödde technologieoffen für H2, Ammoniak, Methanol, Solarenergie oder Batterietechnologie.

Bis 2026 untersucht die EU-Kommission eine gesetzliche Verpflichtung für Binnenschifffahrtsunternehmen, Klimaziele umzusetzen. In der „Perspektive nachhaltige Rheinschifffahrt 2030“ arbeiten Duisport und HGK Shipping zusammen mit vielen anderen europäischen Beteiligten bis Ende dieses Jahres ein Regel- und Anreizsystem aus. Langfristziel 2050 ist ein grüner Binnenschifffahrtskorridor Rhein.

HTS plant von 2028 an den täglichen Verkehr von wasserstoffbetriebenen Binnenschiffen zwischen Duisburg und Rotterdam, ab 2030 auch zwischen Duisburg und Antwerpen. (ab)

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