Finanzminister Christian Lindner und Verkehrsminister Volker Wissing drohen mit Fahrverboten für Verbrenner.

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Reform des Klimaschutzgesetzes – Wissing und Lindner erhöhen Druck

15.04.2024

Der Verkehrssektor ist weit von gesetzlichen Vorgaben beim CO₂-Einsparen entfernt - das dürfte ein Prüfbericht am Montag erneut zeigen. Der zuständige Minister sieht nun die Grünen am Zug.

Mit Warnungen vor Fahrverboten für Verbrenner haben Verkehrsminister Volker Wissing und Finanzminister Christian Lindner (beide FDP) den Druck auf die Ampel-Partner SPD und Grüne erhöht, das Klimaschutzgesetz zu reformieren. FDP-Chef Lindner appellierte am Samstag an die Grünen, die Reform des Klimaschutzgesetzes nicht zu blockieren. Sollten die Grünen ihre Blockade nicht aufgeben, wären in Deutschland „drakonische Freiheitseinschränkungen bis hin zu Fahrverboten für Verbrennungsmotoren“ denkbar, sagte er. Zuvor hatte Wissing in einem Brief an die Fraktionsvorsitzenden vor Einschnitten für Autofahrer bis hin zu Fahrverboten gewarnt. Am Montag legt ein Expertenrat für Klimafragen seine Bewertung der deutschen Treibhausgasemissionen vor.

„Das einst von der CDU auf den Weg gebrachte Klimaschutzgesetz sei zutiefst planwirtschaftlich“, sagte Lindner am Samstag beim Landesparteitag der nordrhein-westfälischen FDP in Duisburg. Er sprach von „dramatischen Freiheitseinschränkungen“. Die Grünen dürften die Akzeptanz des Klimaschutzes nicht aufs Spiel setzen. Das derzeitige Gesetz könne auch dazu führen, dass die Bundesregierung verklagt werde, weil „unerreichbare Ziele im Bereich des Verkehrs verfehlt werden“. Man könne sich aber „nicht herbeizaubern, dass plötzlich fünf Millionen neue Elektrofahrzeuge zugelassen werden“.

Gesetz regelt verbindliche Klimaschutzziele Deutschlands

In dem Gesetz sind die Klimaschutzziele Deutschlands verbindlich geregelt. Es sieht in der aktuellen Fassung vor, dass die Emission von Treibhausgasen bis 2030 um 65 Prozent im Vergleich zu 1990 reduziert wird. Für einzelne Sektoren wie Industrie, Energiewirtschaft, Verkehr und Gebäude wurden zulässige Jahresemissionsmengen festgelegt. Kernpunkt ist bisher folgender Mechanismus: Wenn Sektoren Vorgaben verfehlen, müssen die zuständigen Ressorts der Bundesregierung mit Sofortprogrammen nachsteuern. Die im Kabinett vereinbarte Reform sieht dagegen vor, die Einhaltung der Klimaziele nicht mehr rückwirkend nach Sektoren zu kontrollieren, sondern in die Zukunft gerichtet, mehrjährig und sektorübergreifend.

Umweltverbände sprechen vor einer Aufweichung des Gesetzes

Im vergangenen Jahr verfehlten der Verkehrs- sowie der Gebäudesektor die zulässige Jahresemissionsmenge. Am kommenden Montag legt der Expertenrat für Klimafragen seine Bewertung der Daten vor. Innerhalb von drei Monaten muss das zuständige Ministerium dann ein Sofortprogramm für den jeweiligen Sektor vorlegen - also bis zum 15. Juli. Sollte das novellierte Klimaschutzgesetz bis dahin nicht in Kraft getreten sein, müssten allein für den Verkehr rund 22 Millionen Tonnen sogenannte CO₂-Äquivalente ad hoc zusätzlich eingespart werden. Das ist nach Darstellung Wissings nur durch Wochenend-Fahrverbote möglich.

Grüne: Problem ist die Verkehrspolitik

Grünen-Politiker und Verbände warfen Wissing Ablenkungsmanöver und Panikmache vor. Der nordrhein-westfälische Verkehrsminister und Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz, Oliver Krischer (Grüne), sagte der Deutschen Presse-Agentur, bei allem Verständnis für politische Zuspitzung wäre es angebracht, dass Wissing zur Sachpolitik zurückkehre. „Das Problem ist nämlich nicht das Klimaschutzgesetz des Bundes, sondern eine Verkehrspolitik, die eben nicht an den Zielen von Klimaschutz und Nachhaltigkeit ausgerichtet ist.“

Krischer sagte, es lägen zahlreiche verkehrspolitische Maßnahmen auf dem Tisch, die auf Verbesserung von Mobilität genauso einzahlten wie auf das Erreichen von Klimaschutzzielen. „Statt Menschen zu drohen, würden wir gerne mit Herrn Wissing bei der Verkehrsministerkonferenz nächste Woche darüber reden, wie wir die Finanzierung von Erhalt und Ausbau der Infrastruktur hinbekommen.“ Die Verkehrsministerkonferenz tagt am kommenden Mittwoch und Donnerstag in Münster.

Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sprach von Panikmache. Es sei überfällig, dass mehr Klimaschutz im Verkehrssektor umgesetzt werde, sagte sie der Funke Mediengruppe. Die Deutsche Umwelthilfe warf Wissing vor, ein Schreckgespenst an die Wand zu malen, um Maßnahmen zu verhindern.

„Elektrisch betriebene Lkw könnten Abhilfe schaffen, sind aber deshalb nicht Realität, weil die Stromnetze längst noch nicht den gigantischen Strombedarf decken“, schreibt Frank Huster, Hauptgeschäftsführer des DSLV Bundesverband Spedition und Logistik in einem LinkedIn-Post am Sonntag. Auch der Schienengüterverkehr müsse zur CO₂-Reduzierung beitragen. Die Vorgänger-Regierung habe hier einiges versäumt, Wissing arbeite dies jetzt zumindest konsequent auf. Grundsätzlich hält er den Appell des Verkehrsministers für richtig. (dpa/sl)

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