Bei einer Überprüfung der CO2-Flottengrenzwertregulierung soll in der neuen EU-Legislaturperiode entschieden werden, welche Rolle E-Fuels bei der Einhaltung der Grenzwerte spielen dürfen.

Bild: Imago/Shotshop

Ralf Diemer zu CO₂-Grenzwerten: Pragmatische Lösung für E-Fuels gefragt

05.08.2024

Ursula von der Leyen hat sich bei ihrer Wiederwahl zur EU-Kommissionspräsidentin nur vage dazu geäußert, wie sie die CO₂-Grenzwerte für Pkw, Vans und Lkw überarbeiten will. Ralf Diemer, Hauptgeschäftsführer der E-Fuel Alliance, spricht im DVZ-Interview über seine Erwartungen an die Reform.

Ursula von der Leyen (CDU) hat bei der umstrittenen Reform der EU-CO₂-Flottengrenzwerte für Pkw, Lieferwagen, Lkw und Busse ihre Aufgabe im Europäischen Parlament gut gelöst: Allen Parteien, auf deren Stimmen sie für ihre Wiederwahl zur EU-Kommissionspräsidentin zählte, hat sie in ihren politischen Leitlinien und in ihrer Bewerbungsrede das Gefühl geben, dass sie ihre Kernanliegen aufgreifen wird. Die Wahl hat von der Leyen gewonnen und sich dennoch alle Optionen bei der Überarbeitung der Flottengrenzwerte offengehalten, sagt Ralf Diemer, Hauptgeschäftsführer des Interessenverbandes E-Fuel Alliance, im Gespräch mit der DVZ.

Die Grünen könnten aus den politischen Leitlinien herauslesen, es bleibe dabei, dass ab 2035 alle neu zugelassenen Pkw und Vans klimaneutral unterwegs sein müssen. Und dass sich die durch von der Leyens angesprochene Rolle der E-Fuels darauf beschränkt, eine neue Kategorie von Null-Emissions-Fahrzeugen zu schaffen, die ausschließlich mit synthetischen Treibstoffen fahren können (E-Fuels only).

„E-Fuels müssen eine Rolle spielen durch eine gezielte Veränderung der Verordnung im Rahmen ihrer vorgesehenen Überarbeitung“, sagte von der Leyen. Ihre eigene Parteienfamilie, die christdemokratische EVP, könne das als Ankündigung verstehen, das faktische Verbrennerverbot noch einmal grundsätzlicher zu verändern, meint Diemer.

Hinweise, in welche der beiden Richtungen es schließlich gehen wird, könne die Kommission zum jetzigen Zeitpunkt nicht geben, sagt deren Chefsprecher auf DVZ-Anfrage.

„Entscheidend wird sein, was konkret vorgeschlagen wird“, betont Diemer. Dabei komme es darauf an, wie die neue EU-Kommission, die von der Leyen jetzt bilden muss, zusammengesetzt sei und „aus welchem Land und aus welcher politischen Gruppe etwa der neue Klimakommissar kommt“, sagt Diemer. Das Thema werde zwar „Chefsache“ sein, erwartet er. „Aber die Erarbeitung der Lösung findet natürlich in den zuständigen Generaldirektionen statt“, und für die Beamten dort „wird es vermutlich eine politische Ansage von der Spitze geben müssen und die kommt im Tagesgeschäft ja vor allem vom zuständigen Kommissar“.

Spezielle Infrastruktur vermeiden

Sollte sich die Kommission für die Minimalreform entscheiden, hofft er auf eine „pragmatische Lösung“ für die Fahrzeugkategorie „E-Fuels only“. Nicht pragmatisch wäre für ihn, wenn die Kommission bei ihren bisherigen Vorstellungen von einer fahrzeugspezifischen Lösung bliebe, die garantiert, dass ein Fahrzeug ausschließlich mit E-Fuels fährt, etwa durch „einen speziellen Tankstutzen und einen Sensor, der das Fahrzeug stilllegt, wenn es mit fossilem Treibstoff betankt wird“. Das sei nicht kundenfreundlich und werde den europäischen Markt für E-Fuels nicht ankurbeln.

„Das mit E-Fuels betriebene Verbrennerfahrzeug hätte dann dieselben Nachteile wie ein Elektrofahrzeug: Es könnte nur fahren, wenn eine spezielle Infrastruktur flächendeckend vorgehalten wird“, sagt Diemer. „Wir sehen ja bei der E-Mobilität, dass dies einer der entscheidenden Nachteile ist, weswegen sich Kunden häufig gegen E-Autos entscheiden.“

Technische Lösung bei Lkw einfacher

Bei Lkw, zu deren CO₂-Grenzwertverordnung sich von der Leyen in ihrem Programm nicht speziell geäußert hat, ließe sich nach Diemers Ansicht eine fahrzeugorientierte „E-Fuels only“-Lösung eher umsetzen als bei Vans und Pkw – unter der Voraussetzung, dass die Betankungsanlagen auf Betriebshöfen genutzt werden.

Günstig für Transportunternehmen sei an einer eigenen „E-Fuels only“-Kategorie, dass diese Lkw dann auch als Null-Emissions-Fahrzeuge gelten und von denselben Mautermäßigungen profitieren könnten wie batterieelektrische oder Wasserstoff-Lkw.

Generell bevorzugt Diemer aber eine „bilanzielle“ Lösung, bei der anerkannt wird, dass CO₂-Emissionen durch E-Fuels vermindert werden, die auf den Treibstoffmarkt kommen. Wenn die E-Fuels den konventionellen Treibstoffen beigemischt werden dürften, was technisch „kein Problem“ sei, müsse auch keine eigene Infrastruktur aufgebaut werden.

Straßenverkehr könnte Absatzchancen steigern

Auf absehbare Zeit werde der Bedarf an E-Fuels aller Verkehrsträger größer sein als das Angebot, räumt der Hauptgeschäftsführer der E-Fuel Alliance ein. Die EU „verknappe“ aber den Markt, wenn sie die synthetischen Kraftstoffe für den Luft- und Seeverkehr reservieren wolle. Es gehe darum, jetzt Investitionen in Produktionsanlagen anzureizen.

„Im Luft- und Seeverkehr sind die nachgefragten Treibstoffmengen aus Sicht eines Kraftstoffproduzenten vergleichsweise klein. Etwas mehr als 80 Prozent der Treibstoffe werden weltweit im Straßenverkehr verbraucht“, sagt Diemer. Um die Produktion von E-Fuels so schnell wie möglich zu steigern und deren Preise über Skaleneffekte zu drücken, „muss man den Straßenverkehr einbeziehen“.

Zudem werde bei der Fischer-Tropsch-Synthese, dem derzeit einzig zertifizierten Verfahren zur Produktion von E-Kerosin, unter anderem auch synthetischer Diesel hergestellt. „Erlaubt der Gesetzgeber den Herstellern von erneuerbaren Kraftstoffen keinen Markt für diese Nebenprodukte, senkt das die Attraktivität für weitere Investitionen. Es müssen alle Nutzungsoptionen offenstehen“, sagt Diemer.

Was die Preisentwicklung betrifft, erwarteten Produzenten in Chile oder Spanien, die sich gerade industrialisierten, Produktionskosten von 1,50 bis 2,00 Euro pro Liter bis 2030, vorausgesetzt es gibt Skaleneffekte und entsprechende Nachfrage. Dazu kämen Zuschläge für Steuern, was in Deutschland zum Beispiel 0,65 Euro Energiesteuer pro Liter sein könnten. Wenn E-Fuels beigemischt werden dürften, könne man laut Diemer zu möglichen Mehrpreisen von 0,15 bis 0,25 Euro pro Liter gegenüber fossilen Treibstoffen kommen, je nach Beimischungsquote und Steuersatz.

Bildergalerie

  • Ralf Diemer vertritt die Interessen von Firmen der Kraftstoff- und Kfz-Branche.

    Ralf Diemer vertritt die Interessen von Firmen der Kraftstoff- und Kfz-Branche.

    Bild: E-Fuel Alliance

Firmen zu diesem Artikel
Verwandte Artikel