Anfang April steht ein entscheidendes Treffen der International Maritime Organization (IMO) an, das zu einem Meilenstein in der grünen Transformation der weltweiten Schifffahrt werden kann. So wird das Marine Environment Protection Committee (MEPC) der IMO vom 4. bis zum 11. April in London über wichtige Details wie einheitliche Standards für Schiffsbrennstoffe und die Bepreisung ihrer Emissionen beraten. Damit werden die Weichen für den Weg zu Net-Zero-Emissionen für eine der am schwersten zu dekarbonisierenden Branchen gestellt – sofern die richtigen Entscheidungen getroffen werden. Andernfalls droht die Gefahr, dass die grüne Transformation ausgebremst wird.
Wir bei Maersk registrieren derzeit zwar einen guten und produktiven Fortschritt der bisherigen Verhandlungen und sind optimistisch, dass wir einen positiven Ausgang des MEPC-Treffens sehen werden. Die vorliegenden Vorschläge reichen jedoch nicht aus, um die verschiedenen emissionsarmen Brennstoffe so zu unterstützen, wie unsere Industrie es benötigt. Das Ergebnis könnte tatsächlich eine unglückliche Verzögerung bei der Dekarbonisierung der Schifffahrt auslösen.
Es sind bereits Schiffe in Betrieb oder in der Entwicklung, die in der Lage sind, mehrere alternative emissionsarme Brennstoffe wie Bio- und E-Methanol, Bio- und E-Methan, Biodiesel oder Ammoniak zu verwenden. In einer idealen Welt könnte die Schifffahrt also einfach den besten dieser alternativen Brennstoffe identifizieren und nutzen. Doch keiner hat die Skalierbarkeit, um die gesamte globale Handelsflotte allein anzutreiben. Die alternativen Brennstoffe basieren auf unterschiedlichen Rohstoffen, doch es gibt erhebliche Engpässe in ihrer Produktion und damit in ihrer Verfügbarkeit. Die Nachfrage für diese alternativen Brennstoffe müsste deshalb schnellstmöglich gesteigert werden, um die gerade erst anlaufende Produktion deutlich zu stimulieren und zu erhöhen. Dafür ist es unverzichtbar, dass die jetzt kommende IMO-Verordnung brennstoffneutral ist und für jeden der alternativen Wege den gleichen finanziellen Anreiz bietet.
In der letzten, kürzlich abgeschlossenen IMO-Zwischensitzung haben wir vielversprechende Entwicklungen gesehen, zum Beispiel in Bezug auf einen globalen Brennstoffstandard sowie auf das übergeordnete Ziel, die große Preislücke zwischen fossilen und alternativen emissionsarmen Brennstoffen zu schließen. Doch die Formel, die in den aktuellen Vorschlägen angewandt wird, birgt auch eine große Gefahr, da sie nicht wirklich brennstoffneutral ist, sondern Flüssigerdgas – also LNG oder fossiles Methan – finanziell stark begünstigt.
Bio- und E-Methan für vollständige Dekarbonisierung ungeeignet
Fossiles LNG kann die Treibhausgasemissionen um 10 bis 20 Prozent im Vergleich zu herkömmlichem Bunkeröl reduzieren. Es kann als ein relevanter Brennstoff für eine Übergangszeit genutzt werden, da die entsprechenden LNG-Schiffe später auch mit Bio- und E-Methan betrieben werden können. Doch Bio- und E-Methan können nicht so skaliert werden, dass man mit ihnen die gesamte Schifffahrt dekarbonisieren könnte. Außerdem wird es mit den aktuellen IMO-Vorschlägen wenig bis gar keinen finanziellen Anreiz geben, die LNG-Schiffe im nächsten Jahrzehnt mit den emissionsärmeren Alternativen – also Bio- und E-Methan – zu betreiben.
So würden sich durch die aktuellen Vorschläge die Versorgungsengpässe mit wirklich emissionsarmen Brennstoffen noch verschärfen statt entschärfen, und die Schifffahrt wird ihr Net-Zero-Ziel nicht erreichen. Tatsächlich macht die Berechnungsformel in den aktuellen Vorschlägen das Prinzip des „Pay to Pollute“ in den kommenden Jahrzehnten zur finanziell attraktivsten Strategie für die meisten Reedereien.
Wenn die nachteilige Berechnungsformel in den ansonsten vielversprechenden Regulierungsvorschlägen bestehen bliebe, dürfte der LNG-Business-Case in den Vorstandsetagen jeder Reederei die überzeugendste Option werden, und das hätte zwei unerwünschte Folgen für die globale Schifffahrt:
⦁ Das begrenzte Angebot von Biomethan- und E-Methan wird nicht ausreichen, die riesige Flotte von LNG-Schiffen, die durch die IMO-Verordnung gefördert würde, zu dekarbonisieren. Damit würde man die Verbrennung von fossilem LNG und die Zahlung der Emissionsstrafe zur finanziell optimalen Strategie machen.
⦁ Die Nachfrage nach den sehr emissionsarmen Brennstoffen wie blauem und E-Ammoniak sowie Bio- und E-Methanol wird stark begrenzt bis total eliminiert. Daher wird sich auch die Verfügbarkeit dieser alternativen Brennstoffe erheblich verzögern oder sogar komplett erledigen. Das wiederum wäre ein weiterer Anreiz für Reedereien, auf das Pay-to-Pollute-Prinzip mit fossilem LNG zu setzen.
LNG erhielte einen unverhältnismäßig großen finanziellen Vorteil
Die Formel in den aktuellen IMO-Vorschlägen für einen sogenannten Treibhausgas-Emissionsstandard für Schiffskraftstoffe (Greenhouse Gas Fuel Standard oder kurz GFS) sorgt für eine erhebliche Diskrepanz zwischen den tatsächlich eingesparten Treibhausgasemissionen und der Menge der verursachten sogenannten Defiziteinheiten, die durch den Kauf von „Remedial oder Surplus Units“ ausgeglichen werden müssen, um gesetzeskonform zu sein.
Die Folge macht ein Beispiel plastisch sichtbar: Während fossiles LNG, wenn es in den richtigen Motoren verbrannt wird, eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen um bis zu 19 Prozent im Vergleich zu herkömmlichem Bunkeröl bewirken kann, erhält es einen unverhältnismäßig großen finanziellen Vorteil, der weit über das hinausgeht, was durch eine Reduzierung von 19 Prozent angemessen wäre.
Zum Beispiel erzeugt der Verbrauch von einer Tonne schwefelarmem Bunkeröl (HFO) mit einem erreichten Treibhausgas-Brennstoff-Intensität (Greenhouse Gas Fuel Intensity oder kurz GFI) von 95,5 gCO2e/MJ genau 1,58 Defiziteinheiten, während das LNG-Äquivalent mit einem erreichten GFI von 77,2 gCO2e/MJ nur 0,83 Defiziteinheiten erzeugt. Trotz einer Emissionseinsparung von 19 Prozent beträgt die Reduzierung der Defiziteinheiten 48 Prozent, was für einen erheblichen finanziellen Vorteil für fossiles LNG sorgt.
Aktuelle IMO-Vorschläge korrigieren
Das Problem lässt sich noch besser an einem konkreten Beispiel für ein Containerschiff auf der Route zwischen Asien und Europa verdeutlichen: Hier wird der regulatorische Kostenvorteil von fossilem LNG gegenüber konventionellem Öl mehr als 300 US-Dollar pro 40-Fuß-Container betragen. Dies sollte mit den üblichen Kosten für Brennstoff von 500 bis 600 Dollar pro Container und den Gesamtkosten von typischerweise 2.000 Dollar (Frachtrate inklusive Brennstoffkosten/TEU) pro Container auf der Route verglichen werden.
Zum Glück haben wir noch Zeit, um das richtige Ergebnis zu erzielen. Anfang April wollen sich die IMO-Mitgliedstaaten auf einen Vorschlag einigen. Um daraus ein historisch bedeutendes Grundsatzabkommen zu machen, das die Industrie dringend benötigt, brauchen wir regulatorische Verhältnismäßigkeit, die sicherstellt, dass die Berechnung der Defiziteinheiten direkt der tatsächlichen Emissionsreduzierung entspricht.
Wir müssen auch die Anhäufung von überschüssigen „Compliance Units“ – das sogenannte Banking – auf ein Jahr begrenzen, um den Anreiz für den Übergang zu den wirklich emissionsreduzierenden Brennstoffen aufrechtzuerhalten, statt an einem fossilen Brennstoff festzuhalten. Eine Zukunft mit mehreren alternativen Brennstoffen im Rennen ist für das Erreichen der Klimaziele der IMO unerlässlich.
Wenn wir die disproportionale Kalkulation in den aktuellen IMO-Vorschlägen korrigieren, verhindern wir, dass „Pay to Pollute“ zum finanziell attraktivsten Weg wird, es zu einer Bindung an einen einzigen Brennstoff kommt und vor allem: stellen wir sicher, dass wir die internationale Schifffahrt an ihr Net-Zero-Ziel bringen. (ol)