Die EU-Kommission setzt für die CO₂-Messung bei allen Verkehrsträgern künftig auf Primärdaten nach der ISO-Norm 14083.

Bild: dpa / Jochen Tack

EU will CO2-Fußabdruck einheitlich messen

18.01.2024

Durch eine EU-Verordnung sollen alle Verkehrsträger verpflichtet werden, dieselbe Methode zu verwenden, wenn sie ihre Treibhausgasemissionen ermitteln. Teils können sie die Daten auch zur Erfüllung anderer Berichtspflichten verwenden.

Mit einer Verordnung über die Erfassung von Treibhausgasen im Verkehr (Count Emissions EU) will die EU-Kommission die Emissionen über alle Verkehrsträger hinweg vergleichbar machen. Unternehmen, die den CO₂-Fußabdruck ihrer Transporte veröffentlichen, oder durch andere EU-Gesetze zu entsprechenden Angaben verpflichtet sind, sollen dafür die ISO-Norm 14083:2023 verwenden müssen. Die Kommission will, dass dabei möglichst die tatsächlichen Emissionen (Primärdaten) für jeden Transport ermittelt werden, so wie in der ISO-Norm vorgesehen. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) mit weniger als 250 Mitarbeitern und unter 50 Millionen Euro Jahresumsatz sollen jedoch auf Sekundärdaten zurückgreifen dürfen, schlagen die Europaabgeordneten Pascal Canfin (Liberale) und Barbara Thaler (Christdemokraten) in ihrem Entwurf für die EP-Position zu dem Gesetz vor.

Europaparlament will Mitte April abstimmen

Sekundärdaten wären etwa Angaben über die durchschnittliche Beladung oder Auslastung von Fahrzeugen, die aus Datenbanken der EU-Kommission oder von zertifizierten Drittanbietern stammen. Canfin und Thaler fordern die Kommission auf, bei der nächsten Überarbeitung der geplanten Verordnung in spätestens fünf Jahren zu prüfen, ob die Emissionsmessung für alle Transportunternehmen zur Pflicht gemacht werden könnte. Umwelt- und Verkehrsausschuss des Europaparlaments haben am 11. Januar über die geplante Verordnung diskutiert. Das EP-Plenum will Mitte April über seine Position abstimmen. Für eine Verständigung mit den EU-Staaten auf den endgültigen Verordnungstext wären allerdings nur noch etwa zwei Wochen Zeit, bevor das EP seine Arbeit mit Blick auf die Europawahlen im Juni beendet.

Durch die Nutzung der internationalen ISO-Norm soll die Verordnung auch auf alle Transporte außerhalb Europas anwendbar werden, die ihren Anfang oder ihr Ende in der EU haben. Die einheitlich gemessenen Transport-Emissionsdaten spielen zudem eine Rolle für die allgemeine Nachhaltigkeitsberichterstattung von EU-Unternehmen, die unter anderem durch die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) geregelt wird. CSRD und Count Emissions EU unterschieden sich zwar „hinsichtlich des Gegenstandes und des Genauigkeitsgrades“, die aus der letztgenannten Initiative „gewonnenen Informationen können jedoch in die allgemeinen Nachhaltigkeitsberichte der Unternehmen einfließen und so die Umsetzung der CSRD erleichtern“, heißt es im Verordnungsentwurf.

Für viele Unternehmen stellt die Interpretation der gesetzlichen Anforderungen und deren Umsetzung in der Praxis eine große Herausforderung dar. „Aktuell bestehen noch große Fragezeichen bei der genauen Interpretation einiger konkreter Berichtsstandards und -indikatoren“, sagt Tobias Bohnhoff, Mitgründer und Geschäftsführer des Start-ups Shipzero, das Unternehmen bei der Analyse von Daten zur Emissionsberechnung unterstützt. Sollte die Verordnung umgesetzt werden, würde das zumindest für etwas mehr Klarheit bei den Unternehmen sorgen.

Die Stückgutkooperation IDS hat sich bereits entschieden, den CO₂-Ausstoß anhand des kommenden Standards zu ermitteln. Dafür stellt der Verbund die Emissionsberechnungen im Laufe des ersten Halbjahres von dem seit 2012 verwendeten Verfahren nach DIN 16258 um. Das neue, auf der DIN EN ISO 14083 basierende Verfahren ermittele die Treibhausgasemissionen automatisch auf Sendungsebene.

Mit diesem Vorgehen will IDS nicht nur den CO₂-Nachweis für seine Kunden erbringen, sondern auch das Erreichen der eigenen Klimaziele überprüfen. Die Kooperation plant, ihre CO₂-Emissionen bis 2030 um 21 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu senken. Die dafür erhobenen Daten fließen zudem in die Nachhaltigkeitsberichte der Gesellschafter DSV, Geis, Kühne + Nagel und Noerpel.

Auch der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) beschäftigt sich mit den neuen Berichtspflichten und den daraus resultierenden Aufgaben für Transportunternehmer. Der Verband begrüßt, dass die Vorgaben der ISO 14083 als internationaler Standard herangezogen werden sollen. Die komplexen Auswirkungen der Vorgaben und die Umsetzbarkeit prüft der BGL derzeit. „Die Absicht, mehr Transparenz in die Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards zu erwirken, ist nachvollziehbar, reiht sich aber auch in den immer schwerer zu bewältigenden Bürokratieaufwand für Unternehmen ein, der zudem Personalressourcen bindet“, betont ein Sprecher.

Fiege: Genügend Vorlaufzeit ist wichtig

Für den Logistikdienstleister Fiege greift die Berichtspflicht nach der CSRD ab dem Geschäftsjahr 2025. Nichtsdestotrotz veröffentlichte das Unternehmen bereits im August 2022 einen Nachhaltigkeitsbericht für das Geschäftsjahr 2022. Dabei orientiert sich das Unternehmen schon jetzt an der Global Reporting Initiative (GRI), die als international führender Leitfaden für die Nachhaltigkeitsberichterstattung gilt. „Zudem werden wir in diesem Jahr eine erste Wesentlichkeitsanalyse nach CSRD-Vorgaben vornehmen, um weitere Erfahrungen mit Blick auf 2025 zu sammeln“, blickt Sandra Achternbusch, Executive Director Corporate Sustainability bei Fiege, voraus.

Laut Achternbusch ist es wichtig, sich mit genug Vorlaufzeit mit den Vorgaben der CSRD auseinanderzusetzen. „Dies liegt unter anderem daran, dass die finalen EFRAG-Standards erst spät veröffentlicht wurden und die aktuellen Vorgaben weiterhin möglichen Änderungen unterliegen. Eine unserer zentralen Aufgaben ist es daher, uns auf diesem Gebiet kontinuierlich weiterzuentwickeln, um eine effiziente Datenerfassung und -analyse sowie effizientes Datenmanagement sicherzustellen“, erklärt sie.

Auch wenn die Belastung für das eigene Unternehmen steigt, ist Achternbusch vom positiven Effekt der Anforderungen des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) und der CSRD überzeugt: „Wir betrachten es als große Chance, um noch transparenter und nachhaltiger zu werden sowie unsere Nachhaltigkeitsstrategie weiter zu optimieren und noch messbarer zu gestalten.“

Vorgaben sollen weltweit wirken

Nach Ansicht der EU-Kommission kann die EU ihre Nachhaltigkeitsziele nur erreichen, wenn die Unternehmen aller Branchen mitziehen, besonders große Unternehmen mit globalen Wertschöpfungsketten. „Es ist auch im Interesse der Unternehmen, Menschenrechte und die Umwelt zu schützen, besonders angesichts der wachsenden Bedeutung, die Verbraucher und Investoren diesen Themen beimessen“, sagt ein Kommissionsbeamter auf DVZ-Anfrage.

Der Beamte räumt ein, dass auch kleine Betriebe sowie Unternehmen außerhalb der EU indirekt von Berichtspflichten betroffen sein können. Für KMU sei dabei Unterstützung vorgesehen, zudem gebe es Vorschriften, die verhindern sollen, dass ungebührlich viele Pflichten auf sie abgewälzt werden. Komplette globale Lieferketten zu betrachten sei nötig, um die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. „Außerdem verlangt es das internationale Menschenrecht, dass Staaten Menschenrechte verteidigen, egal wo die Unternehmen tätig sind, die von ihrem Territorium aus operieren und egal wohin deren Wertschöpfungsketten reichen“, sagt der Kommissionsbeamte.

Kritik im EP an Kosten für ISO-Standard

Was den Gesetzgebungsprozess für „Count Emissions EU“ betrifft, ist die Diskussion über Erleichterungen für KMU durch den Rückgriff auf Sekundärdaten nicht der einzige Punkt des Kommissionsvorschlags, der im EP kontrovers diskutiert wird. Abgeordneten aus verschiedenen Fraktionen geht die Betrachtung von Emissionen von der Quelle bis zum Rad (Well to Wheel) nicht weit genug. Sie fordern eine Betrachtung über den gesamten Lebenszyklus hinweg. Berichterstatterin Barbara Thaler (EVP) meint, es müssten auch CO₂-Emissionen berücksichtigt werden, die bei der Produktion von Materialien entstehen, damit die Kunden einen Anreiz bekämen, „europäisch“ zu kaufen. Linke und Grüne möchten außer Treibhausgasen noch weitere Luftschadstoffe einbeziehen.

Kritik gibt es im Europaparlament zudem daran, dass Unternehmen für die Nutzung des ISO-Standards bezahlen sollen. Die EU-Kommission begründet das mit dem Urheberrecht, verweist aber darauf, dass der ISO-Standard auch vom Europäischen Komitee für Normung CEN übernommen werde. Für eine vollständige Lebenszyklusbetrachtung von Emissionen gibt es nach Ansicht der Kommission derzeit nicht ausreichend Daten. Die Nutzung des ISO-Standards sei „ein guter Anfang“.

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