Wer einen Transport beauftragt, muss ab Januar Echtdaten der CO2-Emissionen in seinen Nachhaltigkeitsbericht aufnehmen.

Bild: Carsten Lüdemann

Die CO₂-Dokumentation gelingt nur noch digital

08.10.2024

Die Komplexität neuer europäischer Berichtspflichten macht eine Auftragsmanagement-Software selbst für kleine Dienstleister unverzichtbar, sagt TMS-Experte Volker Möller. Ausschlaggebend ist die Vorgabe, Emissionsdaten auf Sendungsebene zu erfassen.

Speditionen und Transportunternehmen können schon bald nicht mehr ohne Transportmanagementsystem (TMS) arbeiten“, sagt Volker Möller. Der Deutschland-Chef des Schweizer TMS-Anbieters Xplanis ist davon überzeugt, dass sich neue gesetzliche Regelungen wie die europäische Nachhaltigkeitsrichtlinie CSRD auch auf kleinere Unternehmen auswirken werden, die aufgrund ihrer Unternehmensgröße selbst nicht davon betroffen sind.

Die Regelung ist eines der zentralen Elemente, mit denen die EU den Klimawandel und seine Auswirkungen wie Extremwetterereignisse bekämpfen will. In in immer kürzeren Abständen blockieren Überflutungen und Erdrutsche auch Transportwege. Allein in diesem Sommer waren davon innerhalb weniger Wochen die großen Alpentransversalen Gotthard, Sankt Bernadino und Simplon fast gleichzeitig betroffen, die Schweizer Region Misox sogar tagelang von der externen Versorgung über die Straße abgeschnitten.

Solche und ähnliche Folgen soll die Corporate Sustainability Reporting Directive – so der offizielle Titel – eindämmen. Sie macht die die Emission klimaschädlicher Gase transparent, die mit der Wirtschaftstätigkeit großer europäischer Unternehmen verbunden sind. Dazu zählt auch der CO₂-Ausstoß, der mit dem Transport von Produkten zu ihren Anwendern verbunden ist.

„Ab Januar müssen diese großen Unternehmen für ihren Lagebericht dokumentieren, welche CO₂-Emissionen mit jedem einzelnen Transport verbunden sind“, erklärt Möller und unterstreicht: „Dafür müssen ihre Dienstleister die entsprechenden Daten jedes einzelnen Transports dokumentieren und auftragsbezogen an ihre Kunden übermitteln.“ Diese Aufgabe sei aus seiner Sicht nicht einmal dann von Hand zu bewältigen, wenn Speditionen ausschließlich Komplettladungstransporte ausführten.

Dienstleister unter Modernisierungsdruck

Aus Sicht des Softwareexperten setzt dies die Transportdienstleister unter erheblichen Modernisierungsdruck. Denn die Nachhaltigkeitsberichterstattung werde mit der CSRD zum integralen Bestandteil der Bilanz ihrer großen Auftraggeber. „Für diese Konzerne bedeutet sie eine ausnahmslos zu erfüllende Compliance-Aufgabe“, berichtet Möller. Er ist davon überzeugt, dass sich die Digitalisierung damit zu einer Frage des Marktzugangs entwickeln wird: „Wer die Emissionsdaten nicht zur Verfügung stellen kann, wird schon bald nicht mehr für größere Verlader fahren“, erwartet Möller. „Diesen Unternehmen drohen empfindliche Strafen, wenn sie die Pflicht zur Treibhausgasdokumentation nicht erfüllen, denn sie wird zu einem zentralen Bestandteil ihrer Bilanz“, verdeutlicht der TMS-Experte.

Möller rechnet deshalb schon bald mit einem Digitalisierungsschub, der auch die kleinen Frachtführer erreicht. „Auch sie müssen dafür künftig die Echtdaten ihrer Transporte erfassen“, erklärt er. Schätzwerte und Berechnungen, wie sie in der Anfangszeit der Emissionsdatenerfassung oft genutzt wurden, seien künftig nur noch in Ausnahmefällen zulässig. Das regelt die international anerkannte Norm ISO 14083 zur Quantifizierung und Berichterstattung über Treibhausgasemissionen von Transportvorgängen, die auch die EU-Kommission zur verbindlichen Grundlage für die Erfassung und Dokumentation machen will.

Noch viele ohne Planungssoftware

Der TMS-Experte schätzt, dass aktuell noch rund 40 Prozent der mittelständischen Transportdienstleister ohne Planungssoftware arbeiten. „Für diese Betriebe ist die Komplexität der neuen Aufgaben nicht mehr zu stemmen“, so Möller. Als technische Mindestausstattung empfiehlt er Fahrzeugtelematik in allen Lkw sowie ein TMS zur Auftragssteuerung, -überwachung und -dokumentation. Diese Lösungen sollten gemeinsam auch die CO₂-Berechnung ermöglichen. Tun sie dies nicht, ist auch noch eine darauf spezialisierte Kalkulationssoftware erforderlich. Warum es so viele Anwendungen sein müssen, erklärt Möller wie folgt: „Die Transportdienstleister müssen künftig nicht nur die Emissionen revisionssicher dokumentieren, sondern auch die Einhaltung der Sozialvorschriften, beispielsweise der Arbeitszeiten.“

Mit der exakten Datenerfassung soll es nicht nur möglich werden, den CO₂-Fußabdruck von Produkten und Unternehmen insgesamt zu senken; sie dient auch als Grundlage für eine gezielte Steuerung von Transportvorgängen. Statistikdaten des Carbon Disclosure Projects zeigen nicht nur, dass 75 Prozent der CO₂-Emissionen weltweit in Scope 3 entstehen, also indirekt in der Wertschöpfungskette bei Lieferanten und Dienstleistern; im europäischen Groß- und Einzelhandel beträgt ihr Anteil sogar 98 Prozent am gesamten Ausstoß. „Damit bieten die CO₂-Daten den Transportdienstleistern sogar die Grundlage, ein Geschäftsmodell mit CO₂-armen Premiumtransporten zu entwickeln, das diese Klientel bei der Emissionsminderung unterstützt“, verdeutlicht Möller.

Tipps zu TMS & Co.

Planungslösungen für Speditionen und Transportunternehmen stehen bei der „7. DVZ-Konferenz TMS & Co.“ am 5. November in Frankfurt auf dem Programm. Shipzero erklärt, wie sich CO₂-Emissionen sendungsbezogen dokumentieren lassen. Eine rechtskonforme Lösung, die Dokumentationspflichten der CSRD automatisch erfüllt, stellt Softwareanbieter Osapiens gemeinsam mit Rechtsanwalt Lothar Harings von der Hamburger Kanzlei Graf von Westphalen vor.

Der Nutzen eines TMS liegt für ihn dabei im Straßengüterverkehr klar auf der Hand: „Die Software verbessert die Effizienz der Planung um durchschnittlich 20 Prozent, kann die Tourenzahl verringern und damit den Kraftstoff- oder Energieverbrauch und die Reifenabnutzung verringern.“ So trage sie dazu bei, dieselbe Gütermenge mit weniger Fahrzeugen zu transportieren, und erlaube im Ladungstransport dadurch auch, die Zahl der Subunternehmer zu reduzieren.

„Ein TMS rechnet sich innerhalb eines Jahres“, verspricht Möller und erklärt, warum: „Die Software eliminiert ineffiziente Gewohnheiten und sorgt dafür, dass Speditionen mit derselben Mitarbeiterzahl deutlich mehr Aufträge ausführen können.“ Operativ mache sich die Planungslösung bereits ab zehn Fahrzeugen in der Disposition bemerkbar, „je höher die bearbeitete Sendungszahl liegt, desto größer fällt der spürbare Vorteil aus“. Wer eine für die Cloud konzipierte Lösung anschaffe, könne diese bereits innerhalb weniger Wochen einführen, betont der Xplanis-Chef.

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