„Ich wollte mir einen Wettbewerbsvorteil sichern“, blickt Egon Bürger auf das Projekt zur Einführung eines CO₂-Reportings auf Sendungsebene zurück. Der geschäftsführende Gesellschafter der Limburger Spedition Stähler hat sich bereits 2022 dafür entschieden, den Treibhausgasnachweis exakt berechnen zu lassen. „Dabei ging es mir zunächst einmal darum, selbst ein klares Bild zu gewinnen, um meine Handlungsoptionen in den kommenden Jahren zu kennen“, verrät er.
Die Spedition mit 40 eigenen Fahrzeugen führt rund zwei Drittel ihrer Transporte im Selbsteintritt durch. Deshalb achtet der Geschäftsführer darauf, seinen Fuhrpark nachhaltig auszustatten. Auf dem Dach des Speditionsgebäudes betreibt der Dienstleister eine Photovoltaikanlage, die mit einem 850-Kilowatt-Trafo verbunden ist; der Standort ist an das Mittelspannungsnetz angeschlossen und damit auf den Betrieb von Ladesäulen für E-Lkw vorbereitet.
Spedition Stähler
■ Geschäftsführer: Egon Bürger
■ 1923 gegründet
■ Firmensitz: Limburg
■ 130 Mitarbeiter
■ 40 eigene Lkw
■ rund 12.000 Touren im Selbsteintritt pro Jahr
■ Umsatz 2021: 13,7 Millionen Euro
■ Jahresüberschuss 2021: 453.000 Euro
„Privat fahre ich schon seit zehn Jahren Elektroautos, unser gesamter Pkw-Fuhrpark ist elektrifiziert“, berichtet der Speditionschef. Der Firmensitz ist zudem mit einer Wärmepumpe ausgestattet und wird damit im Winter CO₂-arm beheizt. „Meine Hausbank hat mir auch schon ihr ESG-Rating unserer Firma vorgestellt“, erzählt Bürger. „Auf den Banken lastet ein hoher Druck, nur noch nachhaltig zu investieren“, hat er festgestellt.
Deshalb hat sich der Inhaber der Spedition Stähler vorgenommen, den CO₂-Fußabdruck seines Unternehmens genau zu ermitteln, um seine eigenen Handlungsoptionen exakt zu kennen. „Es ist mir wichtig, vor den Dingen zu stehen und nicht erst auf Kundenanforderungen reagieren zu müssen“, betont er.
Der Getränkespediteur hat sich für die Einführung der Sustainability Management Software des Luxemburger Anbieters Waves entschieden, die den Treibhausgasausstoß der Transporte anhand von Echtdaten aus den Fahrzeugen ermittelt. „Im ersten Schritt haben wir 2022 die Berechnung auf Basis der damals gültigen Norm ISO 16258 umgesetzt“, erinnert sich Florian Bender, Senior Sales Manager des Spezialisten für Nachhaltigkeitssoftware. Kurz darauf hat der Logistikdienstleister erst einmal sein Transport Management System (TMS) ausgewechselt und mit der neuen Anwendung die Grundvoraussetzung für die CO₂-Berechnung auf Sendungsebene geschaffen.
Direkte Schnittstelle zur Telematik
„Das TMS verfügt selbst über eine Basisfunktion zur CO₂-Kalkulation“, berichtet Speditionschef Bürger und fügt hinzu: „Aber die Lösung arbeitet so rudimentär mit Schätzdaten, dass sie unsere Ziele nicht erfüllt.“ Deshalb hat er seine Software über die Datendrehscheibe von Logenios sowohl mit der Waves-Plattform als auch mit der Fahrzeugtelematik von Spedion verbunden. „Wir verknüpfen die Verbrauchsdaten aus den Lkw direkt mit den Speditionsaufträgen im TMS“, beschreibt Karl-Josef Daume, kaufmännischer Leiter der Logenios-Genossenschaft, die Funktionsweise.
Zur Berechnung der Treibhausgasemissionen benötigt die Kalkulationsplattform das Sendungsgewicht, die Fahrstrecke in Kilometern und den jeweiligen Transportmodus. Im Straßengüterverkehr kommen die Energiequelle und der tatsächliche Verbrauch während einer Tour hinzu. Die Spedition Stähler nutzt in ihren Diesel-Lkw beispielsweise auch den R33 Blue Diesel sowie den alternativen Kraftstoff HVO100. „Für diese Treibstoffe greifen wir zur Berechnung auf die Emissionsfaktoren laut Herstellerzertifikat zurück“, sagt Waves-Manager Bender. Der Pflanzendiesel HVO100 emittiert beispielsweise zwischen 70 und 90 Prozent weniger CO₂ als der fossile Referenzkraftstoff.
„Ab dem kommenden Jahr müssen Verlader den Treibhausgasausstoß der von ihnen beauftragten Transporte in ihrem Lagebericht nachweisen“, erklärt Bender. Das regeln die Bestimmungen der europäischen Nachhaltigkeitsrichtlinie (CSRD), die auch die Verwendung von Echtdaten der Transporte verlangen, wo immer es möglich ist. „Inzwischen führen wir sämtliche Berechnungen auf Basis der ISO-Norm 14083 durch“, so der Waves-Manager weiter. Mit der geplanten Richtlinie Count Emissions EU soll dieser Standard bald europaweit für das Emissions-Reporting von allen Verkehrsträgern verbindlich vorgeschrieben werden.
Rechtsverbindliche Belege
Aus den europäischen Regelungen leiten sich weitere Rahmenbedingungen ab, die Logenios und Waves gemeinsam für die Limburger Spedition erfüllen: Die Emissionsdaten sind mit rechtsverbindlichen Belegen an die Auftraggeber der Transporte zu übermitteln. „Dazu müssen wir das Kalkulationsergebnis an das TMS zurück übertragen und ebenfalls mit dem Speditionsauftrag verknüpfen“, berichtet Daume. Denn die Spedition rechnet die Transportleistungen über ihr zentrales Auftragsmanagement ab.
„Die CSRD sieht vor, dass Wirtschaftsprüfer die Plausibilität der Nachhaltigkeitsberichte untersuchen“, verdeutlicht Bender. Dafür genüge keine regelmäßige Sammelaufstellung. Er erwarte dennoch, dass Auftraggeber auch solche Übersichten anforderten. „Schließlich müssen sie nicht nur die Dokumentation vorweisen, sondern auch darauf hinarbeiten, ihre Emissionen zu verringern“, so Bender weiter.
Diese Voraussetzungen kann Speditionschef Bürger mit seiner neuen Kalkulationslösung nun vollautomatisch erfüllen. „Nur ganz wenige Transportunternehmen sind schon so gut auf die Reportingpflichten vorbereitet wie wir“, zeigt er sich zufrieden. Aber auch sein Unternehmen steht perspektivisch vor einer Herausforderung: „Von Frachtführern, die wir am Spotmarkt beauftragen, erhalten wir bislang keine Telematikdaten“, erzählt Bürger. Für diese über Frachtenbörsen vergebenen Transporte genügen vorerst Durchschnittswerte und Schätzungen. Falls auch davon einmal Echtdaten verlangt werden, ist Logenios bereits vorbereitet. „Bei uns sind selbst in Osteuropa verwendete Telematiksysteme angebunden, die hierzulande niemand einsetzt“, kann Daume berichten.