Die EU hat nach Ansicht des Freiburger Centrums für Europäische Politik (cep) politischen Spielraum, ihre CO₂-Flottengrenzwertregulierung für schwere Nutzfahrzeuge, Vans und Pkw so zu reformieren, dass EU-Automobilhersteller ihren globalen Wettbewerbsvorteil beim Bau von Verbrennungsmotoren verteidigen können. „In der EU begrenzt der künftige EU-Emissionshandel ETS 2 wirksam die CO₂-Emissionen und garantiert das Erreichen der EU-Klimaziele im Straßenverkehr. Daher ist es für den Klimaschutz unschädlich, wenn die EU im Rahmen der CO₂-Flottengrenzwerte mehr Flexibilität ermöglicht“, sagt cep-Ökonom Martin Menner, Mitautor einer Studie zum Thema. Sie wurde vom europäischen Kfz-Herstellerverband ACEA beim cep in Auftrag gegeben.
Das wichtigste Standbein der EU-Autoindustrie würden künftig Elektrofahrzeuge sein, betont Menner. „Aber es braucht auch eine langfristige Perspektive für einen Heimatmarkt für effiziente, mit alternativen Kraftstoffen betriebene Verbrenner- und Hybridfahrzeuge, um exportorientierte Arbeitsplätze und Wertschöpfung sowie Forschung und Entwicklung in der EU zu halten.“ Der cep-Wissenschaftler verweist auf „technologieoffene Ansätze“ in China und den USA. In der Studie werden mehrere Optionen ins Spiel gebracht, die der europäischen Automobilwirtschaft im globalen Konkurrenzkampf helfen sollen. Zum Teil handelt es sich dabei um Alternativen, zum Teil ergänzen sich die Vorschläge:
Verschiebung des Ziels einer hundertprozentigen Verminderung des CO₂-Ausstoßes von neuen Pkw und Vans von 2035 auf 2040.
Verringerung dieser Zielmarke von 100 Prozent auf einen niedrigeren Wert. Die verbleibenden Emissionen müssten dann über ETS 2 reduziert werden.
CO₂-Korrekturfaktor: Das Emissionsziel für die Neuwagenflotte der EU könnte jedes Jahr in dem Maße gelockert werden, in dem der Absatz alternativer Kraftstoffe gestiegen ist und damit eine zusätzliche Dekarbonisierung bewirkt hat.
Die CO₂-Grenzwerte lockern, sofern eine Tank- und Ladeinfrastruktur für Elektro- und Wasserstofffahrzeuge noch nicht ausreichend aufgebaut ist.
Die CO₂-Emissionsziele für 2025 werden verschoben und dann als endgültige Zielmarke beibehalten. Laut cep wird die stetig sinkende Zahl von Emissionsrechten im ETS 2 dennoch dafür sorgen, dass die Emissionen des Straßenverkehrs schließlich auf null sinken.
Phase-In: In einer Übergangsphase wird nur ein Teil der Fahrzeugflotten den Grenzwertverordnungen unterworfen.
Banking/Borrowing: Emissionsgutschriften könnten auch für Pkw- und Lieferwagenflotten zeitlich übertragen werden, wie das bei Lkw und Bussen möglich ist.
Grundsätzlich schlägt das cep für schwere Nutzfahrzeuge die Verschiebung und Flexibilisierung von Grenzwerten analog zu Pkw und Vans vor. Zudem möchte es schwere Nutzfahrzeuge, die mit Biokraftstoffen betrieben werden, ebenfalls gefördert sehen. Um langfristig einen EU-Markt für Verbrennungs- und Hybridmotoren zu erhalten, plädieren die Autoren der Studie für eine Typenzulassung für ausschließlich mit alternativen Kraftstoffen betriebene Fahrzeuge sowie für die dauerhafte Zulassung bestimmter Hybride, die für alternative Kraftstoffe geeignet sind.
In den geltenden EU-Flottengrenzwertverordnungen ist die Überprüfung der Normen für Pkw und Lieferwagen für 2026 vorgesehen, die Überprüfung der Grenzwerte für Lkw und Busse für 2027. (fh)