Die Ziele für die Dekarbonisierung des Seeverkehrs sind gesteckt. Doch wie die Branche die von der IMO bis 2030 geforderte Reduzierung der Treibhausgase um 20 Prozent erreichen kann, bleibt offen. Noch schwieriger erscheint das Ziel der vollständigen Dekarbonisierung bis etwa 2050. Gleichzeitig sind die Auftragsbücher voll, und die Nachfrage nach Neubauten ist hoch. Dem Beratungsunternehmen Clarkson zufolge ist der Schiffsbaumarkt derzeit so aktiv wie seit dem Boom von 2007 und 2008 nicht mehr.
Daher sucht die Branche nach allen Hebeln, die zur Senkung von Treibhausgasemissionen, Effizienzsteigerung und Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs genutzt werden können. Die „einfachste“ Lösung – die Umstellung auf kohlenstoffarme beziehungsweise kohlenstofffreie Brennstoffe – gestaltet sich schwierig, weil diese heute oft knapp und teuer sind. Da es vermutlich noch sehr lange dauern wird, bis alternative Kraftstoffe günstig und reichlich verfügbar sein werden, könnte eine andere Lösung näher an der Realität liegen: bestehende Schiffe durch Nachrüstungen energieeffizienter und flexibler für den Einsatz von Kraftstoffen zu machen.
Flotten auf die Zukunft vorbereiten
So empfiehlt es sich, Schiffe und Flotten an die aktuelle Lage anzupassen und auf verschiedene Zukunftsszenarien vorzubereiten. Das bedeutet: Den Energieverbrauch jetzt zu senken, alle Dekarbonisierungsoptionen zu prüfen, die Ladekapazität zu erhöhen, den Fokus auf Brennstoffflexibilität zu richten und langfristige Strategien zu entwickeln.
Viele der Schiffe, die in den kommenden Jahren bestellt werden, werden auch 2050 noch in Betrieb sein. Deshalb sollten bei der Planung von Neubauten oder der bestehenden Flotte künftige Anforderungen an Energieeffizienz und Emissionsminderungen berücksichtigt werden, damit diese Schiffe wirtschaftlich attraktiv bleiben und ihren Wert behalten.
Die Umrüstung von Schiffen auf neue Kraftstoffe kann technisch komplex und kostspielig sein. Die Kosten variieren je nach Brennstoff- und Schiffstyp, dem Umfang der Anpassungen und der Tatsache, wie gut ein Schiff für eine Nachrüstung vorbereitet ist. Die Anzahl der Schiffe mit Retrofit-Potenzial wird durch Faktoren wie den Schiffswert, die verbleibende Lebensdauer, das Design und die Verfügbarkeit von Motorteilen begrenzt.
Ob eine Nachrüstung sinnvoll ist, hängt auch von Faktoren wie der Dauer der Umrüstung beziehungsweise der „Off-Hire“-Kosten, den Kraftstoffpreisen und Emissionskosten sowie den tatsächlichen Kosten für die Umrüstung von Motor und Schiff ab. In den vergangenen Jahren haben viele Reeder bereits in Kraftstoffflexibilität investiert. Sie haben Schiffe mit Dual-Fuel-Motoren bestellt, die sowohl mit konventionellen Treibstoffen als auch mit alternativen Kraftstoffen betrieben werden können.
Größere Tanks erforderlich
Die Verringerung des Energieverbrauchs an Bord ist wichtig, weil die meisten kohlenstoffneutralen Kraftstoffe eine viel geringere volumetrische Energiedichte haben. Das bedeutet größere Tanks, kürzere Strecken – oder beides. Technische Maßnahmen zur Effizienzsteigerung können die Reichweite erhöhen oder die Tankgröße verringern, wodurch mehr Platz für Fracht oder Passagiere entsteht.
Die Rumpfform beeinflusst die Effizienz eines Schiffes bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten und Tiefgängen. Der Reibungswiderstand zwischen Rumpf und Wasser ist eine wesentliche Energieverlustquelle. Deshalb wurden mehrere Technologien entwickelt, um die Effizienz des Rumpfes zu steigern.
Die Ansätze zur Optimierung der Rumpfform konzentrieren sich in der Regel auf Bug und Heck sowie die Strömung an Ruder und Propeller. Hydrodynamische Maßnahmen wie Propellerkanäle und Ruderbirnen sind bereits auf dem Markt gut etabliert.
Ein Wulstbug kann den Kraftstoffverbrauch in der Regel signifikant senken – aber nur wenn das Betriebsprofil des Schiffes deutlich angepasst wird. Heutzutage fahren die Schiffe oft langsamer, als es für sie in der Planungsphase vorgesehen war. Das bedeutet, dass ihr Design häufig nicht mehr zu ihrem Geschwindigkeitsprofil passt. In diesem Fall kann ein neuer Bug sehr hilfreich sein, um den Gesamtwiderstand zu verringern.
Amortisierung nach drei Jahren
Einsparungen können hier im Bereich von 5 bis 10 Prozent liegen, wobei das obere Ende nur bei erheblicher Geschwindigkeitsanpassung erreichbar ist. Diese Umbauten sind durchaus üblich. Bei DNV haben wir in den vergangenen zehn Jahren mehr als 150 Projekte mit jeweils mehreren Schiffen begleitet, durchschnittlich etwa 90 Schiffe pro Jahr. Die Kosten für eine Nachrüstung von Bug und Propeller amortisieren sich normalerweise innerhalb von drei Jahren.
Die Umrüstung des Rumpfs ist oft mit einem neuen Propeller verbunden. Denn der „alte“ Propeller war für eine bestimmte Geschwindigkeit konzipiert, die nach einem Umbau nicht mehr passend ist. Mit dem modifizierten Bug könnte der Propeller daher bei Geschwindigkeiten arbeiten, der für sein Design nicht ausgelegt war.
Bei langsameren Geschwindigkeiten könnte die Blattzahl verringert und die Propellerdicke wegen der geringeren Belastung reduziert werden. Diese Gewichtsreduzierung kann die Kosten für einen neuen Propeller mindern.
Zudem stellt das „alte“ Propellermaterial einen erheblichen Wert dar und kann in fast allen Fällen zur Herstellung des neuen Propellers wiederverwendet werden. Das bedeutet, dass für das erste Schiff ein nagelneuer Propeller hergestellt wird, während der „alte“ Propeller für das zweite Schiff verwendet wird und so weiter. Verglichen mit einer Neubestellung kann dies die Kosten bis zu 50 Prozent senken.
Ein immer beliebteres Mittel zur Verringerung der Rumpfreibung sind Luftschmiersysteme (Air Lubrication Systems – ALS), die eine Schicht Luftblasen am Rumpf erzeugen, um den Widerstand zu verringern. Auch wenn Containerschiffe auf den ersten Blick nicht zu sehr für den Einsatz von ALS geeignet scheinen, werden diese Systeme durchaus bei Neubauten und Nachrüstungsprojekten genutzt.
Die Wirksamkeit hängt jedoch stark vom Systemtyp ab. Ein größerer Tiefgang führt zu geringeren Einsparungen, da mehr Energie nötig ist, um den Wasserdruck auszugleichen. Letztendlich muss der Energiebedarf solcher Systeme genau untersucht werden.
Auch reibungsarme Rumpfbeschichtungen und das regelmäßige Reinigen und Entfernen von Algen kann den Widerstand und die Reibung des Rumpfes verringern.
3 bis 5 Prozent an Energie-Einsparung bringen windunterstützte Systeme.
(Quelle: DNV)
Generatoren erzeugen im Schiffsbetrieb Strom für die Systeme an Bord. Auf offener See kann dieser Strom effizient durch einen Wellengenerator erzeugt werden, der von der Propellerwelle und damit von der Hauptmaschine angetrieben wird. Diese Methode trägt zu einer optimierten Energiebilanz bei, da der Hauptmotor einen höheren Wirkungsgrad als die Generatoren aufweist.
Der Wellengenerator ersetzt mindestens einen der Generatoren, wodurch der Treibstoffbedarf reduziert wird. Der Leistungsverlust in Bezug auf die Schiffsgeschwindigkeit ist bei guten Wetterbedingungen minimal, weshalb eine Nachrüstung auch in diesem Bereich sinnvoll ist.
Zudem tragen Abwärmerückgewinnungssysteme (Waste Heat Recovery – WHR) zur Effizienz bei, indem sie Motorwärme zur Stromgewinnung nutzen.
Windunterstützte Antriebssysteme (Wind Assisted Propulsion Systems – WAPS) finden ebenfalls immer mehr Beachtung. Verschiedene WAPS, wie etwa Segel, Drachen, Starrflügel und Flettner-Rotoren werden getestet und sind schon auf zahlreichen Schiffen in Betrieb. Die üblichen Einsparungen liegen zwischen 3 und 5 Prozent des Verbrauchs der Hauptmaschine. Es wird auch schon von höheren Einsparungen berichtet. Oft gehen diese Lösungen aber auf Kosten des Laderaums. Daher könnte ihr Nutzen für die Containerschifffahrt begrenzt sein.
Neue Windschutzsysteme oder Windabweiser am Bug können den Widerstand, der durch die vorderen Containerreihen ensteht, verringern und den Luftstrom verbessern. Obwohl die Vorteile von Windschutzsystemen relativ gering sind (etwa 2 bis 3 Prozent des Gesamtverbrauchs), werden sie als einfache und wartungsarme Option bei Neubauten und Nachrüstungen immer beliebter.
30 von 40 großen Häfen in Europa verfügen über Landstrom.
(Quelle: DNV)
Die Ladekapazität von Containerschiffen kann durch mehrere gezielte Anpassungen gesteigert werden. So lässt sich etwa innerhalb der baulichen Grenzen der Tiefgang steigern. Das hat einen unmittelbaren Effekt auf die Tragfähigkeit und ermöglicht, zusätzliche Container zu laden. Diese Modifizierung kann üblicherweise in ein bis zwei Monaten umgesetzt und durch eine detaillierte Strukturanalyse erweitert werden, die bis zu drei Monate in Anspruch nehmen kann.
Auch die Erhöhung der Laschbrücke oder das externe Laschen kann Vorteile bringen, doch erfordert beides eine gute Vorausplanung und strukturelle Änderungen.
Zu den umfangreicheren Upgrades gehört die Erhöhung des Deckhauses in Verbindung mit einer Anhebung der Laschbrücke, insbesondere im vorderen Bereich des Schiffes. Diese Änderungen brauchen eine umfangreiche Planung und die Einbindung einer Werft und können drei bis sechs Monate in Anspruch nehmen. Im Extremfall ist sogar eine Schiffsverlängerung sinnvoll, was aber eine noch umfangreichere Planung und mehr als sechs Monate benötigt.
Die Landstromversorgung kann die Nutzung von Generatoren im Hafen verringern. Die Nachrüstung ist relativ einfach, erfordert jedoch eine entsprechende Hafeninfrastruktur. Derzeit verfügen allerdings nur drei von 40 großen Häfen in der EU und Großbritannien über genügend Anschlusspunkte, um die kommenden gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen.
Zugang zu Landstrom verbessern
Ein besserer Zugang zu Landstrom würde erheblichen Einfluss auf die Berechnung von Nachrüstungsvorhaben bei Containerschiffen haben, da bisher weder die Ausrüstung noch die Infrastruktur zur Verfügung standen. Nun werden sowohl bestehende als auch neu gebaute Schiffe zunehmend in der Lage sein, Landstrom zu nutzen – was sich auch auf die Einhaltung der Emissionsvorschriften positiv auswirken wird.
Nachrüstungen bieten Schiffseignern klare Vorteile, vor allem wenn steigende Kosten für umweltfreundliche Kraftstoffe und Emissionen solche Investitionen zunehmend rentabel machen.
Entscheidend ist, dass Nachrüstungen und Neubauten durch Benchmarking miteinander verglichen und auch die Wechselwirkungen zwischen Anpassungen und Motoren genau betrachtet werden. Um Rückschläge zu verhindern, empfehlen wir eine frühzeitige Planung mit allen Beteiligten und die Zusammenarbeit mit erfahrenen Anbietern (ol)
Jan-Olaf Probst ist Containerschiffsexperte bei der Klassifikations- und Beratungsgesellschaft DNV