Prädestiniert für Photovoltaik: Die Hallendächer der Logistiker eignen sich grundsätzlich gut, um Solarmodule darauf zu installieren.

Bild: ESS Kempfle

75 Prozent des Strombedarfs selbst produzieren

29.05.2024

Logistiker haben ideale Voraussetzungen, um Photovoltaikanlagen auf ihren Gebäuden zu installieren. Die EEG-Reform erlaubt eine Eigennutzung dieser regenerativen Energie.

Mehr als 500 Elektrostapler und -ameisen surren durch die Gänge. Kameras scannen jede Palette, jedes Paket. In den Hallen der zur Schwarz-Gruppe gehörenden Spedition Wackler mit Standorten in Göppingen bei Stuttgart und Wilsdruff bei Dresden werden täglich mehrere Tausend Sendungen umgeschlagen. Würde der Strom ausfallen, stünde wie im Dornröschenschloss alles binnen Sekunden still. Seit dem Krieg in der Ukraine ist so ein Szenario nicht mehr undenkbar. Energieautarkie ist in vielen Unternehmen ein wichtiger Strategiepunkt.

Daher prüft die Gruppe, die 800 Mitarbeiter beschäftigt, die eigene Versorgungssicherheit. Prokurist Maximilian Schwarz hat hierfür ein Projekt angestoßen. Der schwäbische Mittelständler, zu dem ferner ein energieintensiver Entsorgungsbetrieb gehört, will in großem Stil Photovoltaikanlagen installieren. „Wir wollen 35.000 Quadratmeter Dachflächen mit Solarmodulen bestücken“, so Schwarz.

Nicht die erste PV-Anlage

Das neue Sonnenkraftwerk soll eine jährliche Leistung von 4,5 Millionen Kilowattstunden oder 4.500 Megawattstunden erbringen. Damit könnte die Firmengruppe rechnerisch bis zu 75 Prozent des eigenen Strombedarfs decken. Der liegt aktuell bei 6.000 Megawattstunden. Dabei schlägt vor allem die energieintensive PET-Recyclinganlage zu Buche. Die Spedition, die täglich 100 Fahrzeuge pro Standort bewegt, verbraucht davon ein Drittel. Die Recycler kommen mit 30 Fahrzeugen und besagter PET-Anlage auf 4.000 Megawattstunden Jahresverbrauch.

Die angestrebte Investition ist nicht die erste PV-Anlage. Bereits vor zwölf Jahren ließen die geschäftsführenden Gesellschafter Beate und Oliver Schwarz vier Hallendächer mit in Summe 4.000 Modulen belegen, die jährlich eine Leistung von 800.000 Kilowattstunden erzeugen. Nun soll die Produktionskapazität verzehnfacht werden.

Neben der Energieautarkie hat die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) den Prozess in der Schwarz-Gruppe angestoßen. Denn ab 2024 dürfen Unternehmen ihren regenerativen Strom nicht nur erzeugen – sondern ihn auch selbst verbrauchen. Gleichzeitig sinkt seit Jahren die Einspeisevergütung von vormals 25 Cent/Kilowattstunde auf unter die Hälfte. „Der Gesetzgeber schafft damit endlich Anreize für Firmen, selbst zum Stromproduzenten zu werden“, sagt Wolfgang Kempfle. Der Solarenergie-Unternehmer aus dem bayerischen Leipheim beschäftigt 200 Menschen und verbaut jährlich bis zu 1.800 PV-Anlagen in ganz Süddeutschland – überwiegend auf privaten Dächern, doch zunehmend auch auf Gewerbe- und Logistikhallen. Mit mehr als 20 Jahren Erfahrung in der Energiebranche gehört er zu den Kennern des Marktes.

Prokurist Schwarz betont, dass die Firmengruppe das Solarprojekt als langfristige Investition sieht. Die Bundesnetzagentur garantiert dem Unternehmen für 20 Jahre einen fixen Einspeisebetrag, der bei 9 Cent pro Kilowattstunde liegt. „Das ermöglicht uns, die Amortisation auf 20 Jahre zu strecken“, verdeutlicht Schwarz und betont, dass der Nachhaltigkeitsgedanke in der Gruppe vor allem eine wirtschaftliche Komponente hat – neben der ökologischen.

Förderlich für das Solarprojekt ist ferner, dass künftig die Speicherfrage leichter zu beantworten sein dürfte. Zwar sind Hallen- und Hofbeleuchtung in Göppingen und Wilsdruff auf LED umgerüstet, doch Logistiker Schwarz benötigt vor allem nachts Licht. Da nützt eine PV-Anlage, die tagsüber Energie produziert, wenig für den Eigenverbrauch. „Das ändert sich jedoch aktuell“, verdeutlicht Solarexperte Kempfle. Denn Speicherhersteller bieten inzwischen Cloudlösungen. Der ins Netz eingespeiste Strom wird dabei auf einem virtuellen Konto gutgeschrieben und kann bei Bedarf – also nachts – abgerufen werden. Dafür entfällt die Einspeisevergütung. „Das ist wie ein Bankkonto, auf das man erst einzahlt und von dem man später wieder abhebt“, sagt Kempfle, der mit seiner Firma ESS Kempfle ein 5-Gigawatt-Solarkraftwerk konzipiert und dieses bis 2030 zwischen Stuttgart und München installiert haben will. Es soll aus mehr als 100 Solaranlagen auf Gewerbehallen, auf Dächern kommunaler Einrichtungen und Privathäusern bestehen. Kempfle wird damit Teil eines bundesweiten Cloudmodells.

Individuelles Speicherkonzept

Das hält auch Schwarz für eine gute Idee. Der Prokurist kann sich vorstellen, dass in seiner Firmengruppe am Ende ein individuell komponiertes Speicherkonzept greift – bestehend aus Batterien, die vor Ort installiert und gespeist werden, und einer oder mehrerer Cloudvarianten.

Perspektivisch soll ebenfalls die Fahrzeugflotte einfließen, die in den kommenden Jahren mehr und mehr elektrifiziert wird. Wobei die Zahlen nach heutigem Technikstand beeindrucken – vor allem am oberen Ende der Skala: Ein E-Lkw mit 40 Tonnen Gewicht benötigt für eine Reichweite von 500 Kilometern jährlich 175.000 Kilowattstunden Strom.

Um diesen Energiehunger zu stillen, braucht es noch etliche Dachflächen, auf denen PV-Anlagen thronen. „Das Potenzial ist da“, weiß Kempfle: Aktuell sind rund 2,6 Millionen Sonnenkraftwerke in Deutschland installiert. Fast 14 Millionen Dächer sind noch „oben ohne“.

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