Mit der „Canopée“ hat das französische Start-up Zephyr & Borée einen riesigen Erfolg erzielt. Ende Juli soll der Ro-Ro-Frachtsegler, der für den Transport von Ariane-6-Raketenteilen nach Kourou in Französisch Guyana ausgelegt ist, seine Segel erhalten. Ähnlich wie mit Flettner-Rotoren sollen auch mit Hilfe der hier zum Einsatz kommenden klappbaren automatischen Segel rund 20 bis 40 Prozent Treibstoff eingespart werden können.
2014 hatten Nils Joyeux und Victor Depoers, beide Seeleute mit Universitätsabschüssen von der ENSM (Ecole Nationale Supérieure Maritime) in Le Havre, einige Projekte mit Segeln im alten Stil wie bei der „Avontuur“ beobachtet. „Das sind spannende Ansätze, aber wir wollten die kommerzielle Schifffahrt dekarbonisieren, die heute den weltweiten Transport ausmacht. Deshalb haben wir uns stattdessen auf die Frage konzentriert, wie man große Handelsschiffe mit Segeln ausstatten kann“, berichtet Joyeux.
Hybridantrieb als Kompromiss
„Das Ergebnis ist, dass man damit keine Schiffe bauen kann, die zu 100 Prozent vom Wind angetrieben werden, man muss zwangsläufig einen Kompromiss eingehen, und wir landen bei einem Hybridantrieb aus Segel und Motor, dessen Verteilungsschlüssel je nach Schiffstyp, Fahrtgebiet, Anzahl der Segel und vor allem der Betriebsgeschwindigkeit sehr unterschiedlich ist.“ Gemeinsam mit Amaury Bolvin, Absolvent einer Wirtschaftsuniversität, und Bernard Peignon, ebenfalls Seemann und ehemaliger Linienmanager bei der Reederei Delmas, gründeten sie Zephyr & Borée.
Per Mail nahm Joyeux Kontakt auf zu Marc Van Peteghem, Schiffsdesigner beim französischen Schiffsarchitekturbüro VPLP Design, das unter anderem das gerade am Ocean Race teilnehmende Rennboot „Mailizia“ mit Skipper Boris Herrmann konstruiert hat. „Wir begannen mit VPLP – und später mit Ayro, der Struktur, die sie für die Entwicklung ihrer Segel geschaffen hatten – zu arbeiten, weil sie die ersten waren, die Segel mit diesem industriellen Ansatz entwickelten“, berichtet der CEO.
Joint-Venture für die Beförderung von Teilen für die Ariane 6
„Wir haben dann an verschiedenen Projekten gearbeitet, die aber gescheitert sind“, so Joyeux weiter. Für die Ausschreibung des Ariane-6-Schiffes tat man sich im Rahmen eines Joint-Ventures mit Jifmar Offshore Services zusammen und hatte damit 2017 Erfolg. „Zephyr & Borée besaß das Konzept des Segelfrachtschiffs, aber wir waren nicht groß genug, um die Ausschreibung allein zu gewinnen, Jifmar war der Partner, den wir brauchten, um einen solchen Auftrag anzustreben“, erinnert sich der Unternehmer. Von Vorteil sei außerdem der sehr langfristige Vertrag gewesen: „Bei einer Laufzeit von zwölf bis 14 Jahren amortisieren die Treibstoffeinsparungen die höheren Capex.“ Das Projekt ermöglichte dann auch das Fundraising für weitere Projekte.
Zephyr & Borée
Für das 2014 gegründete Start-up mit Sitz in Lorient in Frankreich arbeiten derzeit 17 Mitarbeiter. Zu den Gesellschaftern zählen mit Jean Michel Germa, Gründer von la compagnie de vent und nach dem Verkauf des Unternehmens für 300 Millionen Euro auch Investor, Françoise Brenckmann, Mitgründerin der Stiftung Iris, die die Aktionen zugunsten der Biodiversität und natürlicher Lebensräume unterstützt, und Francis Vallat, ehemaliger Reeder und späterer Gründer sowie Vorsitzender des Cluster Maritime Français. Insgesamt sind es vier Investments und drei Fonds.
2022 gewann das Unternehmen dann eine weitere Ausschreibung; 20 namhafte Verlader wie Ikea, Michelin und L’Occitane, aber auch Christian Dior, Hennessy, Cointreau und Nestlé taten sich unter dem Dach des französischen Verladerverbands AUTF (Association des Utilisateurs de Transport de Fret) zusammen, um einen Teil ihrer Ladung mit windbetriebenen Schiffen zu transportieren.
Die Besonderheit dabei: Während Rotorsegel bisher vor allem auf Mehrzweckschiffen eingesetzt werden, sind hierfür fünf Containerschiffe geplant. Mit einer Kapazität von jeweils 1.300 TEU sollen sie auf der Transatlantikroute zwischen Europa (Le Havre und Antwerpen) und den USA (Philadelphia und Charleston) eingesetzt werden. „Auf unseren Schiffen haben wir am Bug in der Mitte und am Heck je zwei Flügelsegel platziert, die mittleren auf einem rollenden Portal“ berichtet Joyeux. Das ermöglicht das Be- und Entladen der Container in den Häfen.
Offen für alle Technologien
Für die Wahl des Segelantriebs seien etwa Fahrgeschwindigkeit, Windstatistiken, kommerzielle Zwänge und auch der Platz an Bord entscheidend. „Jede Technologie ist interessant“, unterstreicht Joyeux. „Für unsere Projekte bevorzugen wir Takelagen mit einer guten Schnittigkeit, die es uns ermöglichen, Auftrieb mit einem recht engen Winkel zum Wind zu erzeugen, was relativ schnellen Schiffen entspricht. Bei langsameren Schiffen werden Rotoren oder Drachen extrem interessant.“
Klar sei aber auch, dass solche Schiffe mit Windantrieb nicht mit konventionellen Schiffen zu vergleichen seien. „Die Schiffe haben bei einer Länge von etwa 160 Metern eine Kapazität von 1.300 TEU“, erläutert der CEO. Zum Vergleich: Bei konventionellen Containerschiffen mit der gleichen Länge sind es 1.800 TEU. „Wir müssen unsere Schiffe also mit 140-Meter-Schiffen mit der gleichen Kapazität vergleichen“, so Joyeux.
CO₂-Ausstoß durch Segel vermeiden
Dennoch hält er Segel für attraktiv: „Die Zusatzantriebe sind kosteneffizient, weil Treibstoff wie Methanol künftig teurer sein wird als die Segel.“ Es gibt aber auch ein zweites gewichtiges Argument: „Wir halten es für sinnvoll, den CO₂-Ausstoß mithilfe der Segel direkt zu vermeiden. Denn auch Methanol muss zunächst mithilfe von grünem Strom erzeugt werden, was viel Energie kostet und letztlich auch nicht CO₂-neutral ist, da am Ende auch wieder CO₂ ausgestoßen wird.“
Darüber hinaus hake es auch an der Erzeugung der enormen Mengen an Treibstoff für Schiffe und Flugzeuge: „Wir können gar nicht so viel Wasserstoff und Methanol herstellen, wie in beiden Branchen benötigt wird. Allein für die Dekarbonisierung der Schifffahrt würden wir dazu rund vier Millionen Windkrafträder aufstellen müssen – und das ist schlichtweg nicht möglich“, betont Joyeux.
Die größte Herausforderung sei jedoch der Markt: „Man sieht, dass die Verlader in der Lage sind zu zahlen, wenn sie wie vor einem Jahr müssen. Wenn sie jedoch die Wahl haben, sind noch immer nur wenige dazu bereit, diesen Preis freiwillig zu zahlen, um ihre CO₂-Bilanz zu halbieren. Aber ich hoffe, dass das noch kommt."
Immerhin arbeiteten die strengeren Vorgaben der International Maritime Organization (IMO) für das Start-up mit derzeit 17 Mitarbeitern. „Die Reedereien haben nicht die Wahl“, konstatiert Joyeux. „Entweder sie setzen auf ‚Slow Steaming‘, brauchen dann mehr Schiffe und kaufen daher alle auf dem Markt verfügbare gebrauchte Tonnage auf, oder sie setzen weniger und dafür teurere umweltfreundlichere Schiffe ein.“
Fest steht: „Der Antrieb der fünf Containerschiffe wird zu 53 Prozent durch von Bureau Veritas klassifizierte Windsegel erfolgen und durch Methanol ergänzt werden“, so der Mitgründer. „Die Auftragsvergabe für den Bau bei Hyundai Mipo Dockyard in Südkorea steht – anders als zum Teil kommuniziert – kurz bevor“, so Joyeux. Das Start-up selbst wird nur einen kleinen Anteil an Schiffen halten und vor allem als Ship Manager tätig sein. Eine Kaufoption in acht Jahren hat sich Zephyr & Borée jedoch gesichert.