Contargo-Nachhaltigkeitsmanagerin Kristin Kahl ist in Sachen Umweltschutz hochengagiert.

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„Wir entwerfen ein neues Szenario“

04.04.2024

Deutschland liegt auf Klimakurs, doch der Verkehrssektor hinkt hinterher. Über die Ursachen, die Herausforderungen und welche Änderungen notwendig sind, spricht Kristin Kahl, die Nachhaltigkeitsmanagerin bei Contargo.

DVZ: Frau Kahl, die KsNI-Förderung wurde im Zuge des Haushaltsstreits auf Eis gelegt. Damit ist es schwieriger geworden, E-Lkw anzuschaffen, weil die enormen Fördersummen, die bisher gezahlt wurden, nicht mehr fließen. Was bedeutet das kurz- und mittelfristig für die Dekarbonisierungsstrategie von Contargo?

Kristin Kahl: Wir sind sehr dankbar, dass es diese Förderung überhaupt gab. Sie war und ist für uns ein wichtiger Startpunkt, um uns dem Thema E-Lkw auch wirklich zu nähern. Wir haben diese Mittel sowohl im ersten als auch im zweiten Fördercall beantragt und jetzt haben wir reichlich damit zu tun, das, was genehmigt wurde, umzusetzen. Das wird sich über das Jahr 2024 bis Anfang 2025 hinziehen. Aber um die Frage mal aus einer generellen Sicht zu beantworten: Viele Transportunternehmen sind so weit, den nächsten Schritt in Richtung E-Lkw gehen zu wollen, doch brauchen sie wie wir eine gewisse Langfristigkeit in der Planung. Genau aus diesem Grund war es überhaupt nicht gut, dieses Förderprogramm so abrupt zu beenden. Eines ist doch klar: Es ist enorm wichtig, dass jetzt zunehmend E-Lkw auf den Markt kommen, damit die Anschaffungskosten für die Fahrzeuge über die Skalierung deutlich sinken.

In den kommenden Jahren bis 2030 sollen substanzielle Mengen an Elektro-Lkw auf die Straße kommen. Aber durch die Aussetzung der Förderung könnten die Absatzmengen in 2025 und vielleicht auch 2026 erheblich kleiner ausfallen. Kann Contargo vor diesem Hintergrund die Dekarbonisierungsstrategie wie bisher fortführen oder müssen Sie ein neues Szenario entwerfen?

Wir müssen ganz bestimmt ein neues Szenario entwerfen. Aber ich hoffe, dass es weiterhin eine Förderung geben wird, die dann meinetwegen etwas anders aufgestellt sein kann. Es ist klar, dass die bisherige Unterstützung von 80 Prozent der Mehrkosten eines E-Lkw im Vergleich zum Diesel-Lkw absolut notwendig gewesen ist. Die Fahrzeuge waren am Anfang einfach sehr, sehr, sehr teuer, weil die Hersteller enorme Initialkosten zu stemmen hatten. Allerdings, und da sind wir wieder beim Mengenthema, je mehr E-Lkw produziert werden, umso günstiger sollten sie am Markt angeboten werden können. Wenn parallel dazu die Fördersummen sukzessive verringert werden, könnten die Marktpreise für die E-Lkw deutlich sinken.

Und wie sehen Sie die Förderkulisse für die Ladeinfrastruktur?

Das ist der zweite, ganz wichtige Punkt. Die Ladeinfrastruktur muss unbedingt weiter gefördert werden, denn es bringt nichts, bezahlbare E-Lkw zu haben, wenn man sie nicht auch günstig laden kann. Lassen Sie mich das erklären: Ein E-Lkw wird letztlich über seine Betriebskosten bezahlbar. Wenn man das Fahrzeug an einer öffentlichen Ladesäule mit vergleichsweise teurem Strom laden muss, dann funktioniert das Modell nicht. Selbst wenn für die Fahrzeuge nur ein um drei Viertel reduzierter Mautsatz fällig wird, wie das nach dem Auslaufen der gegenwärtigen Mautbefreiung für 2026 vorgesehen ist. Anders sieht das aus, wenn man die Ladeinfrastruktur auf dem eigenen Betriebshof vorhält und über langfristige Verträge mit einem Stromversorger günstigen Ökostrom einkaufen kann.

Es wird gesagt, dass sich ein E-Lkw erst dann rechnet, wenn die Stromkosten bei 0,10 Cent pro Kilowattstunde liegen. Da besteht noch eine ziemliche Diskrepanz zu den Preisen, die heute aufgerufen werden.

So eine Zahl ist immer relativ, die muss man immer im Verhältnis zu anderen Zahlen sehen. Wie viel kosten zum Beispiel die anderen Kraftstoffe, die sonst am Markt sind? Wichtig ist doch, dass der grüne, CO₂-freie Strom bezahlbar ist, egal ob man öffentlich oder auf dem Firmengelände lädt.

Für das Aufladen auf dem Betriebsgelände bietet es sich an, die Ladesäuleninfrastruktur mit einem Stromspeicher zu kombinieren, der über Photovoltaik oder Windenergie gespeist wird. Was halten Sie von der Idee?

Wir haben tatsächlich so einen Stromspeicher bei uns mit eingeplant. Da geht es aber weniger darum, Schwankungen im Strompreis auszugleichen, sondern darum, die Peak-Situationen, die beim gleichzeitigen Laden mehrerer Lkw mit jeweils 250 Kilowatt Leistung entstehen können, zu entschärfen. Wir haben bereits durch den Einsatz unserer Containerkräne und der sonstigen Technik, die nun mal für den Betrieb eines Containerterminals benötigt wird, schon einen relativ hohen Strombedarf. Wenn die E-Lkw hinzukommen, dann gäbe es eine sehr hohe Lastspitze. Das wollen wir unbedingt vermeiden, denn eine Lastspitze pro Jahr reicht aus, dass wir den damit verbundenen hohen Preis für die Netzentgelte für das ganze Jahr zu zahlen haben. Das ist eine Frage der Verbrauchssteuerung. Und an dieser Stelle helfen uns die stationären Stromspeicher – wie übrigens auch unser intelligentes Energiemanagement. Das verhindert zuverlässig, dass eben diese Lastspitzen eintreten und sorgt dafür, dass unsere für den Betrieb wichtigsten Verbraucher – also die Kräne und natürlich auch die E-Lkw – entsprechend priorisiert versorgt werden.

Derzeit betreibt Contargo 32 E-Lkw, und in den kommenden zwei Jahren wird die Zahl auf 90 aufgestockt. Wie ist denn der Zeithorizont, bis der gesamte Lkw-Fuhrpark elektrifiziert ist?


Ende dieses Jahres werden wir circa 10 Prozent unserer Gesamtflotte komplett elektrifiziert haben. Bis zum Jahr 2030 werden es gut 30 Prozent sein und 2035 sollen 65 Prozent des Lkw-Fuhrparks elektrisch fahren. Und danach peilen wir die 100 Prozent an. Das heißt natürlich auch, dass wir parallel in die Lade­infrastruktur investieren werden. Die deckt derzeit etwas mehr ab, als wir für unsere momentan vorhandene E-Lkw-Flotte benötigen.

Sie arbeiten auch mit Subunternehmern zusammen. Stünden für deren E-Lkw auch Lademöglichkeiten zur Verfügung?

Es wird schwierig, wenn unsere Partner in großem Stil ihre E-Lkw bei uns laden wollen. Hintergrund ist, dass wir auf unseren Terminals nicht unendlich viel Platz haben, um Lademöglichkeiten zu schaffen. Wir werden aber das Depotladen in den nächsten Jahren optimieren. Wichtig ist, dass wir erst einmal anfangen und Erfahrungen sammeln – irgendwann werden wir genau wissen, wie viele Lkw wir laden können. Aber es sind nicht nur die Logistikdienstleister gefragt. Richtig, auch die Logistikanlagen von Industrie und Handel könnten für das Zwischenladen genutzt werden. Die E-Lkw stehen dort tagsüber zum Be- oder Entladen und könnten in der Zeit ihre Batterien zum Beispiel mit Strom aus vorhandenen Photovoltaik-Anlagen zum Teil aufladen. Nachts sieht das natürlich anders aus: Da wäre mein persönlicher Traum, dass wir irgendwo ein großes Windrad haben, dessen Energie wir in unsere Lkw einspeisen können.

Wir hatten bereits über die Möglichkeiten von Pufferspeichern gesprochen. Die könnten geladen werden, wenn die Lkw tagsüber unterwegs sind und nachts die Energie für das Depotladen liefern.

Da kann man sogar weitergehen: Zum Beispiel könnten die Speicher auch dafür genutzt werden, überschüssige Energie aus dem Stromnetz einzufangen – und vielleicht muss man dann auch nichts dafür bezahlen. Aber ganz ehrlich, das ist eher eine Wunschvorstellung.

Den Strom einzukaufen ist das Eine, auf der anderen Seite schafft Contargo auch die Fahrzeuge an. Die kosten um einiges mehr als ein Diesel-Lkw, und frühere Angaben aus dem Markt lagen so bei 300.000 Euro pro E-Lkw. Wie sind denn derzeit die Preise?

Die Frage werde ich nicht konkret beantworten, weil die Bedingungen bei jedem Fahrzeug unterschiedlich sind. Was ich aber sagen kann: Die Anschaffungskosten sind bei den E-Lkw bereits deutlich gesunken, und ich gehe davon aus, dass sie noch weiter heruntergehen.

Kristin Kahl

Die Managerin ist nach ihrem MBA-Abschluss im Bereich Transport und Logistik 2008 bei dem auf Containerlogistik spezialisierten Dienstleister und Terminalbetreiber Contargo eingestiegen. Seither hat sie verschiedene Positionen in den Bereichen Vertrieb, Vertriebsleitung, Terminalleitung, Key-Account-Management, Product Owner, New Business and Digitalization bekleidet – immer mit Bezug zum Thema Nachhaltigkeit. 2010 baute sie die Abteilung Sustainable Solutions mit auf, die sie bis heute verantwortet. Aktuell liegt ihr Arbeitsschwerpunkt auf der E-Mobilität sowie der Verringerung der CO₂-Emissionen. Zudem ist sie Sprecherin der European Clean Trucking Alliance.

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