Fluggesellschaften, die aufgrund der EU-Treibstoffregulierung (ReFuelEU Aviation) verpflichtet sind, an europäischen Airports zunehmend nachhaltige Kraftstoffe zu tanken (SAF – Sustainable Aviation Fuels), sollen dadurch im internationalen Wettbewerb keinen Nachteil haben. Das wünschen sich die deutschen und französischen Verbände der Luftverkehrswirtschaft BDL und FNAM. Sie haben von der britischen Beratungsgesellschaft Steer Vorschläge ausarbeiten lassen, wie sich das durch einheitliche SAF-Zuschläge verhindern ließe, und diese Studie am Donnerstag der EU-Kommission übergeben.
Die Grundidee ist, dass die Mehrkosten für SAF gegenüber herkömmlichem Kerosin – laut BDL-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang derzeit etwa 2.000 Euro pro Tonne – vollständig durch einen Zuschlag finanziert werden, der auf die Ticketpreise und Cargo-Gebühren aller von EU-Airports startenden Flüge erhoben wird. Das Geld soll dann durch eine neu zu schaffende europäische Einrichtung an die Airlines verteilt werden, die SAF tanken. Wenn der Einsatz von SAF dadurch nicht mehr teurer sei als der von Kerosin, gebe es auch keine Wettbewerbsnachteile, argumentieren die Verbände. Zudem erhoffen sie vom Preisausgleich einen Anreiz für Kraftstoffhersteller, deutlich mehr der nachhaltigen Treibstoffe zu produzieren, von denen viel mehr benötigt werden, als derzeit erhältlich sind. Seit dem 1. Januar ist von der EU eine Beimischungsquote von 2 Prozent SAF vorgeschrieben. Diese steigt kontinuierlich an und liegt 2035 bei 20 Prozent, 2050 erreicht sie schließlich 70 Prozent.
Nationale Ticketsteuern sollen im Gegenzug entfallen
Die nationalen Ticketsteuern, die laut BDL derzeit sieben EU-Staaten erheben, darunter auch Deutschland, sollten nach Ansicht des Verbandes zugunsten des SAF-Zuschlags entfallen.
Während die hohen SAF-Mehrkosten auf Direktflügen von EU-Drehkreuzen wie Paris oder Frankfurt etwa nach Hongkong oder Singapur für die volle Strecke anfallen, gilt dies bei einem Umstieg an einem Drehkreuz außerhalb der EU wie in Istanbul, Doha oder Dubai nach den Regelungen von ReFuelEU nur für den ersten, wesentlich kürzeren Flug. Gegenüber dem heutigen Preisniveau würde sich ein Economy-Ticket bei einer EU-Airline bis ins Jahr 2050 zum Beispiel nach Hongkong um bis zu 70 Prozent verteuern – bei Wettbewerbern aus Drittstaaten dagegen nur um weniger als 10 Prozent.
EU-Airlines würden genauso Kunden verlieren wie EU-Flughäfen, sagte FNAM-Hauptgeschäftsführer Laurent Timsit. „Wenn nichts an den aktuellen Regeln geändert wird, führt das zu einem Verlust von EU-Marktanteilen an Drittstaaten, die den Luftverkehr nicht in demselben Maße dekarbonisieren wie wir“, mahnte er. „Die in der Studie identifizierten Lösungsansätze spiegeln den Geist des ‚Clean Industrial Deal‘ wider, Dekarbonisierung und Wettbewerbsfähigkeit in Einklang zu bringen.“ Steer schlägt zwei Modelle für Zuschläge vor:
Eine SAF-Abgabe für alle Passagiere, die von EU-Flughäfen abfliegen. Die Gebühr würde sich auf die gesamte Reiseroute des Passagiers bis zum Endziel beziehen – unabhängig davon, ob eine Umsteigeverbindung über ein Drehkreuz außerhalb der EU genutzt wird oder nicht.
Eine SAF-Rebalancing-Gebühr, die jedoch nur für Passagierrouten erhoben wird, bei denen ein Streckenabschnitt nicht den SAF-Vorgaben der EU-Verordnung unterliegt, zum Beispiel ein Anschlussflug außerhalb der EU durch eine Nicht-EU-Fluggesellschaft. Die Einnahmen hieraus wären dann wesentlich geringer.
Als zusätzliche Unterstützung der europäischen Luftverkehrswirtschaft wünschen sich die Verbände eine Verlängerung der kostenlosen Zuteilung von Emissionszertifikaten bei Nutzung von SAF (SAF-Allowances) über das Jahr 2030 hinaus sowie eine Erhöhung der kostenlosen Zuteilung bis 2030. Zudem halten sie ein virtuelles Verrechnungssystem für den Kauf von SAF (Book and Claim) für sinnvoll, um den Markt für diese Treibstoffe anzukurbeln. Ein solches System würde es Airlines erlauben, mehr SAF zu kaufen, als an den von ihr angeflogenen Flughäfen physisch verfügbar ist. Sie können sich diese Mengen dann auf ihre CO₂-Bilanz anrechnen lassen.
„BDL und FNAM rufen die Europäische Kommission auf, die Wettbewerbsverzerrungen durch ‚ReFuelEU Aviation‘ schon jetzt zu beenden und damit den Klimaschutz sowie die europäische Industrie nachhaltig zu stärken – und nicht erst den für 2027 vorgesehenen Review-Prozess abzuwarten“, betonte Lang.