... dem Versuchsfeld E-Highway?
Er galt als Vorbote der Revolution in Sachen nachhaltiger Gütertransport: der 2018 eingeweihte E-Highway in Schleswig-Holstein. Auf einer elektrifizierten Strecke wurden auf fünf Kilometern Oberleitungsmasten installiert, über die der Oberleitungs-Lkw (O-Lkw) seinen Elektromotor antreiben und seine Batterien laden kann. Stand- und Ladezeiten sollten so verkürzt werden. Nach fünf Jahren läuft die Förderung des Projekts aus. Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWK) flossen knapp 30 Millionen EUR in die Trassen rechts- und linksseitig auf der A1 zwischen Reinfeld und Lübeck. Verschwendung von Steuergeldern!, befand das sogenannte Schwarzbuch bereits im Jahr 2019/20. Auch wenn die Technik prinzipiell funktioniere, so könne der E-Highway keine Alternative für die Lösung der Verkehrsprobleme der Zukunft sein. Schließlich könnten die Autobahnen nicht flächendeckend mit Stromleitungen und die Lkw nicht alle mit Stromabnehmern ausgestattet werden. Für die Befürworter steht das aber auch gar nicht zur Debatte: „Insbesondere für Verkehre, die diese Route turnusmäßig und auf kurzer Strecke nutzen, ist der E-Highway eine hervorragende Alternative“, betont Holger Matzen, Mitglied im E-Highway-Beirat. Und auch das Unternehmen, das mit dem Versuchsfeld in Schleswig-Holstein betraut worden war, sieht in dem E-Highway durchweg positive Aspekte. „Es konnte gezeigt werden, dass die O-Lkw sogar noch höhere CO2-Minderungseffekte erzielen als erwartet“, sagt Anna Köhn vom Forschungs- und Entwicklungs-Zentrum der Fachhochschule Kiel. „Die aktuell eingesetzten Prototypen sind Oberleitungs-Hybrid-Lkw und sparen bei einem Oberleitungsstreckenanteil von nur 20 Prozent bereits über 50 Prozent CO2 ein.“ Entsprechend sieht Köhn im E-Highway einen weiteren Baustein für eine nachhaltigere Verkehrspolitik. „Die aktuelle Kombination mit einem konventionellen Dieselmotor ist allerdings nur eine Brückentechnologie“, meint Köhn und zeigt auf: „Bei höherem Anteil elektrifizierter Strecke oder Ersatz des Dieselmotors durch andere Komplementärtechnologien fällt die CO2-Einsparung entsprechend größer aus und der Betrieb kann CO2-neutral werden.“
Das Projekt Feldversuch E-Highway Schleswig-Holstein und damit der Testbetrieb der Prototypenfahrzeuge auf der Versuchsanlage läuft planmäßig bis zum Ende dieses Jahres. Laut dem fördernden BMWK stehen dann für die Feldversuche aufgrund des Wegfalls des Klima-Transformations-Fonds keine Mittel mehr zur Verfügung. Der Abbau der Oberleitungsanlage ist jedoch noch nicht geplant. Die Autobahn GmbH eruiert derzeit in Gesprächen mit verschiedenen Parteien die Optionen und Möglichkeiten einer Folgenutzung, berichtet Köhn.
Es gibt noch zwei E-Highways in Deutschland: Der eWayBW liegt auf der B462 zwischen Kuppenheim und Gernsbach-Obertsrot, umfasst etwa 3,4 Kilometer und wurde im Jahr 2021 in Betrieb genommen. Auch hier läuft der Realbetrieb Ende 2024 aus. Ein weiterer Feldversuch wird auf der A5 zwischen Frankfurt und Darmstadt unternommen. Die Strecke wurde kürzlich auf zwölf Kilometer und bis Mitte 2025 verlängert. Die Autobahn GmbH erhofft sich davon neue Erkenntnisse zum Ladeverhalten sowie zur Wirtschaftlichkeit.
... mit dem E-Lkw voran?
Elektrisch angetriebene Lkw waren bereits Ende des 19. Jahrhunderts unterwegs. Schon 1899 setzte die Post in Deutschland den ersten Elektro-Lkw ein. Sie fuhren in innerstädtischen Bereichen und hatten eine Reichweite von 60 km. Viele von ihnen, so DHL, waren über 40 Jahre lang im Einsatz. Über 100 Jahre später begannen kommerzielle Verkehre, E-Lkw als Alternative zu kraftstoffbetriebenen Fahrzeugen zu nutzen. Eines der Unternehmen, die E-Lkw einsetzen, ist Fiege. Sechs strombetriebene Fahrzeuge der ersten Generation hat der Logistiker in Deutschland im Einsatz – als Pilotprojekt, wie Heinrich Schorn, Head of Transport bei Fiege, betont. „Wir wollen mit den E-Lkw Erfahrungen sammeln. Die Technologie ist noch nicht ausgereift.“ So sei allein der technische Fortschritt zwischen der ersten und der zweiten Generation von E-Lkw signifikant. Auch die Anschaffungskosten seien im Vergleich zu konventionellen Diesel-Lkw noch zu hoch. Deshalb setzt Fiege nicht nur auf ein Pferd, sondern auf mehrere. Das Unternehmen testet Erdgas (CNG und LNG), den synthetischen Kraftstoff HVO100 sowie den CO2-Kompensationshandel. Denn, betont Schorn, E-Lkw seien nur ein Baustein vielen für einen nachhaltigeren Transport.
„Wir müssen weg von diesem Silodenken“, mahnt er. Nicht eine alternative Antriebsform allein würde den Unterschied machen, sondern die technologische Entwicklung insgesamt. „Bei vielen Dingen können wir heute noch gar nicht abschätzen, wohin die Reise geht.“ Zudem müsse die gesamte Nutzungskette betrachtet werden. Bei E-Lkw stelle sich zum Beispiel die Frage, was mit der Batterie passiert, wenn das Fahrzeug nach etwa sechs bis acht Jahren ausgemustert wird. Bei Fiege denkt man darüber nach, sie als Speichermedium zu nutzen. „Aus heutiger Sicht gehe ich davon aus, dass sich batterieelektrische Fahrzeuge im Mittelstreckenbereich durchsetzen werden“, meint Schorn. „Vor allem im innerstädtischen Bereich bieten Elektro-Lkw ökologische Vorteile.“ Bei allen Antriebsarten empfehle es sich, gemeinsam mit den Kunden eine Analyse ihrer Anforderungen zu machen: Wie lang ist die Strecke, wie ist das Geoprofil, gibt es entsprechende Tank- oder Lademöglichkeiten. Insbesondere bei der flächendeckenden Ladeinfrastruktur für Elektro-Lkw sieht Schorn noch viel Arbeit auf die Versorger zukommen. Es gebe derzeit nicht nur zu wenige Ladesäulen für schnellladende Lkw, sondern auch zu wenig Kapazitäten für die geplante Umstellung der Verkehre. „Derzeit fahren in Deutschland rund 560 E-Lkw, Busse und ähnliche Transportfahrzeuge. Das tägliche Aufkommen an Nutzfahrzeugen im logistischen Güterverkehr liegt je nach Saison bei rund 1,2 bis 1,4 Millionen Fahrzeugen. Wie soll das gehen, wenn plötzlich etwa eine Million Lkw täglich Batterien laden müssen und zusätzlich zum heutigen Tagesbedarf Ladestrom benötigen?“ Natürlich müsse das Verkehrssystem zugunsten der Umwelt umgebaut werden, aber: „Das können wir Logistiker nicht alleine – da müssen alle Beteiligten gemeinsam mitziehen und dieser Schritt benötigt Zeit“, ist Schorn überzeugt.
... dem Wasserstoff-Standort Deutschland?
Wasserstoff wird wegen seines Potenzials, den CO2-Ausstoß erheblich zu reduzieren, in der Logistikbranche als vielversprechender Antriebsstoff für Lkw angesehen. Zu den Vorteilen gehören unter anderem eine längere Reichweite als bei ihren elektrisch angetriebenen Pendants und kurze Betankungszeiten, was für den Fernverkehr und Schwerlasttransport ideal ist. Auch könnte so die Strom- und Ladeinfrastruktur, die für große E-Lkw-Flotten notwendig wäre, geschont werden. Mehr noch: Wasserstoff lässt sich aus überschüssigem erneuerbaren Strom produzieren und speichern.
Voigt Logistik in Neumünster nahm im September 2023 seinen ersten wasserstoffbetriebenen Lkw in Betrieb. „Wir hatten Glück: In unmittelbarer Nähe zu unserem Firmengelände etablierte HYPION eine Wasserstofftankstelle mit einer Tagestankkapazität von bis zu 2000 Kilogramm“, so Geschäftsführer Hannes Voigt. „Damit sahen wir keine Probleme beim störungsfreien Einsatz unseres H2-Lkw. Durch ein vorgeplantes Einsatzmuster spielte für uns die eingeschränkte Reichweite von 400 Kilometern je Tankfüllung keine sonderliche Rolle.“
Der Lkw ist seit gut einem Jahr im Einsatz – und Voigt hat eigenen Aussagen zufolge nur gute Erfahrungen gemacht. Sie sind sogar so gut, dass das Logistikunternehmen einen weiteren H2-Wechselbrücken-Lkw angeschafft hat. „Die Verbräuche sind niedriger als vom Hersteller genannt. Die Verlässlichkeit und die Einsatzsicherheit sind durchgehend positiv“, bewertet Voigt die Erfahrungen. Außerdem würden die Tankvorgänge ohne Probleme verlaufen und nicht länger dauern als beim Diesel. „Auch wenn die Kosten den Dieselbetrieb noch übersteigen, fühlen wir uns durch die reichhaltig erworbenen Erfahrungen bestätigt, wasserstoffbetriebene Lkw den batterieelektrischen Lastern vorzuziehen. Das Tankstellennetz wächst schneller und die langen Ladezeiten bei Elektro-Lkw kosten wertvolle Einsatzzeit.“
Auch der Bund setzt verstärkt auf den Wasserstoff-Lkw. In der Nationalen Wasserstoffstrategie spricht er davon, „auf Basis der Wasserstofftechnologie den CO2-Ausstoß in den Bereichen Industrie, Verkehr und Energie zu senken“. Es gibt aber auch kritische Stimmen. Neben Verfügbarkeit und fehlender Infrastruktur ist der hohe Energieaufwand bei der H2-Produktion ein Kritikpunkt. Zudem sei die Effizienz des gesamten Wasserstoffprozesses – von der Erzeugung über die Speicherung bis zum Einsatz in Fahrzeugen – deutlich geringer als beispielsweise bei batterieelektrischen Lkw.
Ann-Christin Wimber ist freie Journalistin mit Sitz in Barsbek