Von Flugzeugen an den Himmel gezeichnete Kondensstreifen sind die Ursache von in der Regel wenig beachteten Nicht-CO₂-Effekten. Diese können im Vergleich zu CO₂ eine bis zu dreimal höhere Klimawirkung entfalten.

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Das CO₂-Budget der Luftfahrt schwindet zusehends

08.08.2024

Bereits in wenigen Jahren müssten laut einer Studie des ICCT alle neu in den Markt kommenden Flugzeuge emissionsfrei fliegen, damit die Luftfahrt ihr 2022 gestecktes Netto-Null-Ziel bis 2050 überhaupt noch erreichen kann. Die hierfür in Betracht kommende Wasserstofftechnologie steckt noch in den Kinderschuhen. Das Budget zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels wird durch die bestehende Flotte im Zuge ihrer durchschnittlichen Betriebsdauer von rund 25 Jahren absehbar überschritten.

Die Zeit wird knapp, will die Luftfahrt ihr 2022 selbst gestecktes CO₂-Emissionsziel für 2050 erreichen. Diese immer wieder zitierte Jahreszahl suggeriert eine größere zeitliche Entfernung, als sie tatsächlich gegeben ist. Wie kurz die Zeitspanne ist, die der Branche bleibt, verdeutlicht eine aktuelle Studie der renommierten US-amerikanischen Nichtregierungsorganisation International Council on Clean Transportation (ICCT): Den Berechnungen der Experten zufolge wird sich das Zeitfenster zur Erreichung des Emissionsziels bereits um die Mitte der Dreißigerjahre herum schließen.

1,5-Grad-Budget ist passé

Die Branche ist vor zwei Jahren im Rahmen der 41. Generalversammlung der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) übereingekommen, ein CO₂-Budget zur Erreichung des Netto-Null-Ziels festzulegen. Dieses beträgt maximal 18,4 Milliarden Tonnen. Diese Emissionsmenge gibt an, wie viel CO₂ die Luftfahrtindustrie insgesamt bis 2050 ausstoßen darf, wenn sie ihr Ziel erreichen will, zu diesem Zeitpunkt klimaneutral zu operieren. Die Menge ist nicht direkt an eine spezifische Temperaturgrenze gekoppelt.

Laut ICCT hat die Branche bereits jetzt keine Chance mehr, mit dem strengen 1,5-Grad-Budget auszukommen. Für dieses dürfte die Branche nur 8,3 Milliarden Tonnen CO₂ ausstoßen. Nach Berechnungen der ICCT werden bereits die zu Ende 2023 in Dienst gestellten und über einen Zeitraum von durchschnittlich 25 Jahren betriebenen Flugzeuge rund 9 Milliarden Tonnen CO₂ verbrauchen. Emittierte die globale Flotte ab 2022 26,2 Milliarden Tonnen CO₂, entspräche dies dem Budget für eine Erwärmung des Klimas um 2 Grad Celsius.

Aus der Studie folgt, streng genommen, dass ab Mitte der Dreißigerjahre eigentlich nur noch Flugzeuge in den Markt kommen dürften, die emissionsfrei fliegen, da die in den kommenden zehn Jahren produzierten, mit fossilem Kerosin betreibbaren Maschinen über ihre Lebensdauer hinweg das restliche Budget ausschöpfen werden. Eine solche Antriebstechnik könnte etwa Wasserstoff sein. Diese Technologie steckt noch in den Kinderschuhen.

Globale Flotte wird sich bis 2043 fast verdoppeln

Wann genau das Branchenkontingent von 18,4 Milliarden Tonnen verbraucht sein wird, hängt zum einen davon ab, wie viele Flugzeuge in den kommenden Jahrzehnten neu in den Markt kommen werden. Zum anderen ist ausschlaggebend, wie viel und wie schnell Sustainable Aviation Fuels (SAF) verfügbar sein werden. Die Flugzeugbauer Airbus und Boeing erwarten für die kommenden 20 Jahre ein weiterhin starkes Wachstum der globalen Flotten, sowohl von Frachtern als auch Passagierflugzeugen. Dies ist das zentrale Ergebnis der von den Unternehmen gerade veröffentlichten Prognoseberichte bis einschließlich 2043, dem sogenannten „Global Market Forecast“ (GMF) von Airbus sowie dem Pendant von Boeing, dem „Commercial Market Outlook“ (CMO).

Ein weiteres, sich aus dem Kontext der Analysen ergebendes Ergebnis ist, dass beide Flugzeugbauer eine Abschwächung der reinen Frachterverkehre erwarten und somit eine Renaissance der Beiladefracht an Bord von Passagiermaschinen. Diese Wertung ergibt sich aus dem Zusammenwirken zweier Annahmen. So soll bis 2043 zum einen die Anzahl der Passagiermaschinen deutlich stärker ansteigen (Boeing: plus 87,5 Prozent; Airbus: plus 98,8 Prozent) als die der Frachter (Boeing: plus 66,7 Prozent; Airbus: plus 51,3 Prozent). Zum anderen soll die Verkehrsleistung der Passagierverkehre in den kommenden 20 Jahren stärker zulegen (Airbus: plus 3,6 Prozent pro Jahr; Boeing: plus 4,7 Prozent) als diejenige der Frachterverkehre (Airbus: plus 3,1 Prozent pro Jahr; Boeing: plus 4,1 Prozent).

Laut Airbus wird sich die Anzahl der Frachter bis zum Jahr 2043 um 51,3 Prozent von aktuell 2.230 auf 3.360 Einheiten erhöhen. Der Zuwachs von 1.330 Einheiten werde erreicht durch die Auslieferung von 2.470 Frachtern, von denen 1.330 veraltete Flugzeuge ersetzten, so der Flugzeugbauer.

Boeing schätzt die globale Nachfrage nach Frachtflugzeugen etwas stärker ein als Airbus. Laut CMO wird die Frachterflotte im Jahr 2043 eine Stärke von 3.900 Einheiten aufweisen. Beide Flugzeugbauer erwarten, dass der absolut größte Anteil der neu in den Markt drängenden Frachtflugzeuge aus Umbaufrachtern bestehen wird (Airbus: 62 Prozent; Boeing: 65 Prozent). Den Prognosen von Airbus zufolge werden die meisten der im Verlauf der kommenden 20 Jahre ausgelieferten Frachter auf Schmalrumpfflugzeuge entfallen.

Diese haben klassischerweise eine Kapazität zwischen 10 und 40 Tonnen und kommen im Kurz- und Mittelstreckenbereich für den Transport von E-Commerce-Sendungen zum Einsatz. Die im klassischen, interkontinentalen Luftfrachtgeschäft eingesetzten Großraumflugzeuge mit einer Kapazität von mindestens 80 Tonnen werden laut Airbus mit einer Stückzahl von 620 nachgefragt. Auch Boeing erwartet, dass im Jahr 2043 der überwiegende Anteil der Frachterflotte aus Schmalrumpffrachtern (1.600) bestehen wird; die Anzahl an Großraumfrachtern werde bei 1.150 liegen, so der Flugzeugbauer. Ebenso groß werde die Anzahl von mittleren Großraumflugzeugen sein. Diese haben eine Kapazität von 40 bis 80 Tonnen Nutzlast.

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