Bei der Circular Economy, einer Weiterentwicklung der Kreislaufwirtschaft, geht es um das Erhalten von Wert, also um die Erweiterung des bewährten linearen Modells der heutigen Wirtschaft. Entsprechend erfordert die Circular Economy neue Produkte, Geschäftsmodelle und Programme zum Werterhalt. Circular Economy ist Innovation. Dies erschließt den Unternehmen, die sich zirkulär aufstellen, vollkommen neue Geschäftschancen und die Möglichkeit, Umsätze und Gewinne zu steigern. Da diese Resultate nicht auf Kosten der Umwelt und unserer Gesundheit erwirtschaftet werden, wirkt die Circular Economy sich positiv auf alle Stakeholder in Wirtschaft und Gesellschaft aus, dies schließt die Natur zwangsläufig mit ein.
Die größten Geschäftschancen haben dabei diejenigen Unternehmen, die früh das Potenzial der Veränderung erkennen und es nutzen. Dabei ist die Hebelwirkung der Circular Economy groß.
Hebel 1: Erster sein
Die Gamechanger von heute sind die Platzhirsche von morgen. Beispiele gibt es im Bereich der Weiterverwendung: Altpapier wollte früher keiner haben. Heute stehen die Unternehmen, die zuerst angefangen haben, Papier zu recyceln, hervorragend da. Dasselbe galt für Elektrorecycler: Sie bekamen Gold- und Silberdrähte umsonst, weil kein anderer sie wollte. Die ersten Unternehmen, die solche neuen Felder erschließen, erfreuen sich lange Zeit großer Margen, weil es zu Beginn noch keinen Wettstreit gibt.
Hebel 2: Wertvolle Erfahrungen
Stellen Sie sich vor, Sie sind ein Logistikunternehmen und wollen Ihren Kunden helfen, mit den Verpackungen der Produkte, die Sie befördern, zirkulär umzugehen. Dafür etablieren Sie ein Rücknahmesystem. Nichts Neues, sagen Sie. Viele gibt es davon aber noch nicht. Einige Marken suchen händeringend nach derartigen Systemen. So erklärte ein weltweites Marken-Unternehmen ungefähr Folgendes: „Schreiben wir Transporte aus, bekommen wir um die 100 Angebote, bei Rücknahmen erhalten wir vielleicht eins“.
Der Schritt in die Rücknahmesysteme, oder Reverse Logistik, bringt sofort drei Effekte: Erstens ergänzen Sie Ihr Angebot. Zweitens trainieren Sie das Zirkulieren. Drittens werten Sie Ihr Image auf, da Sie signalisieren, dass Sie auf ein für alle besseres Wirtschaften hinarbeiten. Das wissen inzwischen viele zu schätzen. Für eine Branche, die erheblich zu Klimawandel und Luftverschmutzung beiträgt und die damit unter der Kritik mangelnder Nachhaltigkeit steht, ist das eine gute Sache.
Hebel 3: Kundenerwartung treffen
Dabei geht es nicht nur um die direkten Kunden der Logistikunternehmen, sondern auch um deren Kunden. Die Konsumentenansprüche haben sich in den vergangenen Jahren erheblich gewandelt: Immer mehr Kunden erwarten von den Unternehmen nachhaltiges Wirtschaften. Sie richten ihre Kaufentscheidung danach aus und sind bereit, dafür auch mehr Geld zu zahlen.
Dabei geht es nicht nur um Nachhaltigkeit entlang der Kette – von den Rohstoffen über den Transport bis hin zum Produkt – wichtig sind insbesondere Transparenz und Kommunikation der eigenen Bemühungen. Denn Vertrauen in Produkte, Marken, Unternehmen und Ketten bildet sich langsam, zerfällt aber schnell.
Hebel 4: Kundenbindung
Je besser Sie sich in die Prozesse Ihrer Kunden integrieren, umso größer die Zahl der Touchpoints und umso höher die Kundenbindung. Transport ist eine Commodity und damit austauschbar, integrierte zirkuläre Prozess sind dies nicht. Sie sind integraler Bestandteil des Geschäftsmodells der logistiknutzenden Unternehmen. Damit erreichen Kreislauflogistiker ein viel höheres Integrations- und Kollaborationsniveau. Circular Economy erfordert engere Zusammenarbeit, was erfahrungsgemäß mehr Kundenbindung bedeutet.
Vom Touchpoint Transportübernahme aus können Sie multiple zusätzliche Begegnungen mit den Kunden entwickeln: über Rücknahme, Reparatur und Aufrüstung. Das Recyceln, womit die Circular Economy oft gleichgesetzt wird, ist dabei noch nicht einmal erwähnt, obwohl es natürlich, als letzte Instanz, auch zur Zirkularität zählt – wenn es denn schadlos erfolgt.
Die bereitere Aufstellung erlaubt eine viel breitere Kommunikation und eine engere Beziehung mit den Kunden – und den Aufbau von Wissen über diese, denn Sie erhalten laufend von ihnen Daten. Daten sind das Öl der digitalen Wirtschaft, die die traditionelle physische Wirtschaft unaufhaltsam ersetzt. Übrigens, ohne Digitalisierung keine Circular Economy. Denn nur mit leistungsstarken digitalen Systemen lassen sich die großen Mengen an Daten über Materialien, Produkte und Prozesse bewältigen.
Hebel 5: Unternehmenswert
Hohe Unternehmensattraktivität als Basis für steigende Kundenzahlen, Umsätze, Margen und Gewinne sichern nicht nur die Zukunft des Unternehmens und seiner Arbeitsplätze. Unternehmen mit differenziertem Angebot und hoher Kundenbindung haben auch einen hohen Unternehmenswert. Ein gutes Standing und ein guter Ruf helfen dann wiederum bei der Akquisition guter, zahlungskräftiger Kunden.
Hebel 6: Geringeres Ausfallrisiko
Seit Corona und dem Ukraine-krieg suchen Unternehmen und Volkswirtschaften resilientere Lieferketten und autarke Liefersysteme. Die Rede ist von der Reduzierung der Abhängigkeit von Importen, dazu gehören auch die Rohstoffe. Wer seine Materialien nicht aus fernen Ländern bezieht, sondern lokal vorhandene, weiterverwendete Wertstoffe verarbeitet, hat nicht nur kürzere Lieferwege und -zeiten, sondern auch ein deutlich verringertes Risiko durch Lieferengpässe und -abhängigkeiten.
Dieser Trend reduziert den Transportbedarf und erhöht die Nachfrage nach Kreislauflogistik. Mit zirkulären Dienstleistungen können Logistikunternehmen die Umsatzrückgänge im Transport mit denen, die aus neuen, zirkulären Produkten erzielt werden, kompensieren.
Die Zukunft gehört den Anbietern der Kreislauflogistik. Denn diese sind integraler Bestandteil der Wirtschaft und Meister der Innovation, Digitalisierung und Zusammenarbeit – Qualitäten, die das Wirtschaften im 21. Jahrhundert erfordert.
Hebel 7: Compliance
Amerika, Europa und Japan, haben den legislativen Pfad Richtung Circular Economy und Nachhaltigkeit einschlagen. Die entsprechenden Vorgaben sind bereits auf dem Wege oder in der Diskussion.
Warum warten, bis die ersten Strafen, Skandale und negativen Medienberichte kommen? Vorteilhafter erscheint, sich auf das einzustellen, was sowieso kommt, und die Fördermöglichkeiten zu nutzen, die oft mit Auflagen verbunden sind.
Das gilt natürlich insbesondere für Produktionsunternehmen, aber auch Logistiker werden verstärkt Nachhaltigkeitsregeln ausgesetzt sein. Aber insbesondere sie können ihren Kunden helfen, zirkulär zu werden.
Dies alles mag so klingen, als würde das Wirtschaften unter Circular Economy ganz anders werden. Das stimmt aber nur zum Teil. Wohlstand beruht auf Wertgenerierung. Aber viele Produkte landen auf der Müllhalde oder werden verbrannt. Dies belastet Umwelt und Klima und gefährdet alle. Zirkularität kann diese Gefährdung mildern und schlussendlich eliminieren.
Gebraucht werden dafür neues Wissen, neue Praktiken und neue Produkte. Dies lässt sich allerdings alles mit den bewährten Methoden der linearen Wirtschaft erzielen. (rok)