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Schifffahrt light – geht das?

12.06.2023

Wie die Entwicklung hin zur fossilfreien Schifffahrt durch alternative Kraftstoffe angetrieben wird, erklärt Sönke Diesener, Schifffahrtsexperte vom NABU.

DVZ: Herr Diesener, seit wann sind alternative Treibstoffe ein Thema für den NABU?

Sönke Diesener: Wir kommen aus dem Luftreinhaltungs-Bereich, daher haben wir schon seit längerem einen Blick auf Emissionen geworfen. Vor ein paar Jahren haben wir begonnen, uns intensiv mit LNG zu befassen. Damals hatten wir es noch als vorwiegend positiv bewertet und vor allem für die Kreuzfahrt als gute Alternative anerkannt, weil weniger Stickoxide und Feinstaub ausgestoßen werden als bei anderen fossilen Treibstoffen. Allerdings hat sich unsere Einschätzung inzwischenhinzu verändert, da viele LNG-Anwendungen eine schlechte Klimabilanz wegen des Methanausstoßes haben. E-Fuels sind – im Bereich Hochseeschifffahrt – und Brennstoffzellen mit Wasserstoff oder Batterien – für kürzere Routen – unsere Hoffnungsträger für eine emissionsarme Schifffahrt.

Wie sind Sie beim NABU an das Thema E-Fuels in der Schifffahrt herangegangen?

Wir als NABU, also als Umweltverband, schauen natürlich vor allem auf den Bereich Biodiversität. Auf die Ökologie im Wasser, auf Auswirkungen für Tiere und auch für Menschen. Deswegen achten wir bei den alternativen Schiffstreibstoffen insbesondere auf mögliche Risiken – im normalen Betrieb, aber auch auf Unfallszenarien. Als Erstes haben wir uns Ammoniak angeschaut, weil da die Fragezeichen bislang noch riesig sind. Was passiert bei einem Ammoniak-Auslauf? Was passiert mit dem Wasser? Was passiert mit den Menschen an Bord und in der Umgebung? Und diese Fragen stellen wir uns auch bei Methanol. Entstanden sind dann zwei Studien zu den beiden Fuels als Schiffstreibstoff.

Und zu welchen Ergebnissen kommen die Studien? Wie geeignet sind Ammoniak oder Methanol als Schiffstreibstoff?

Also das ist bei beiden Fuels sehr unterschiedlich. Rein rechnerisch eignet Ammoniak sich sehr gut zur Dekarbonisierung, weil der Primärenergie-Einsatz vergleichsweise gering ausfällt und bei der Verbrennung keine CO₂-Emissionen auftreten. Beim Einsatz braucht man aber auf jeden Fall einen Katalysator, um die Stickoxid- und Lachgas-Emissionen in den Griff zu bekommen. Dieser Katalysator frisst auf dem Schiff wiederum Energie und Platz. Es gibt viele Studien, die sagen, Ammoniak wird der günstigste klimaneutrale Treibstoff sein.

Doch bei einem Unfall mit Ammoniak-Austritt gibt es verheerende Folgen, denn es ist hochgiftig und kann kilometerlange Giftwolken erzeugen. Daher ist der Treibstoff, wenn überhaupt, für speziell geschulte Crews und sehr große (Container-) Schiffe geeignet. Es gibt mittlerweile Bestellungen für Ammoniak-Schiffe. Die Bewegung Richtung Methanol ist allerdings deutlich stärker. Und das liegt daran, dass sein Gebrauch technisch einfacher zu lösen ist.

Warum ist Methanol in der Handhabung so viel einfacher?

Methanol ist ein flüssiger Treibstoff, der sogar einfacher händelbar ist als Schweröl und Diesel. Prinzipiell – das ist in der Regulierung noch nicht berücksichtigt – könnte man einen Methanol-Tank in der Außenwand eines Schiffes verbauen. Man hätte also eine ganz andere Möglichkeit, den Platz auf einem Schiff zu nutzen. Theoretisch ist es für Menschen giftig. Wenn man Methanol trinkt, kann man sterben. Das Interessante ist: Für Meereslebewesen gilt das nicht. Die einzigen Lebewesen im Wasser, für die es schädlich wäre, sind Säugetiere, also Wale oder Robben. Die müssten dann aber tatsächlich genau an der Stelle, wo das Schiff Leck schlägt, einen Schluck trinken. Methanol läuft aus und ist innerhalb von einer Stunde im Meereswasser nicht mehr nachweisbar. Verglichen mit einem Schweröl-Unfall oder dem Austreten von Ammoniak-Dämpfen ist das ein relativ leichter Umweltschaden. Außerdem brennt Methanol relativ kalt. Wenn Methanol also auf einem Schiff brennt, kann es das Schiff nicht verformen. Der Stahl würde nie so heiß werden, dass sozusagen ein grundlegender Schaden der Schiffskonstruktion entsteht.

Sönke Diesener
ist seit 2014 Referent für Verkehrspolitik beim Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU) und Experte für die Bereiche Schifffahrt und Häfen. Er beschäftigt sich insbesondere mit Fragen der Regulierung auf internationaler und EU-Ebene. Ebenso aber auch mit technischen Lösungsmöglichkeiten und mit lokalen Projekten und Maßnahmen zur Emissionsminderung rund um die maritime Wirtschaft sowie den Austausch mit Wirtschaft, Politik und der breiteren Öffentlichkeit.

Bisher nutzen relativ wenige Reedereien Methanol als Treibstoff. Wie ist da Ihr Blick darauf?

Wenn eine Branche E-Fuels gut als Treibstoff nutzen kann, dann ist es die Luft- und Seefahrt. Sie brauchen es ohnehin, weil sie anders nicht dekarbonisierbar sind. Der Infrastrukturaufwand ist hier zudem viel geringer als in anderen Verkehrsbranchen. Man hat kein komplexes Tankstellennetz, wie im Lkw-Bereich, welches man umstellen müsste. In der Schifffahrt ist es viel zentralisierter. Häfen sind sowieso Umschlagplätze für die Energieträger, hier wird dann einfach auch gebunkert. Gerade sehr große Containerschiffe in Europa tanken zum Beispiel ohnehin fast immer in Rotterdam, für deutsche Häfen würde sich für die Infrastruktur also voraussichtlich nicht allzu viel verändern müssen. Zudem lassen sich heutige Betankungsschiffe vergleichsweise einfach auf Methanol umrüsten.

Sehen Sie aktuell die Politik oder eher die Unternehmen in der Pflicht, die neuen Technologien zu fördern?

Ganz eindeutig die Politik. Natürlich kritisieren wir die großen Unternehmen, die hohe Dividenden ausschütten, anstatt lieber in nachhaltige Technologien zu investieren. Aber grundlegend ist es auf jeden Fall die Politik, die Lösungen anbieten und befördern muss. Es muss der richtige Rahmen her. Zum Beispiel kommen auf EU-Ebene eine Quote für E-Fuels und Regeln für die Landstromnutzung– das ist großartig! Aber es reicht noch nicht aus, um die Klimaziele zu erreichen. Die Staatengemeinschaft und die Industrie haben im Juli die Chance, die Klimaziele für die Schifffahrt mit den internationalen Klimazielen in Einklang zu bringen. Hierzu sind eine vollständige Dekarbonisierung bis 2050 sowie kurzfristige drastische Emissionsrückgänge bis 2030 nötig. Neben technischen Vorgaben wie etwa zu Effizienz und absinkenden Emissionsgrenzen für alle Treibhausgase wäre insbesondere auch ein Emissionshandel notwendig.

Gibt es auch Stimmen in der Branche, die sagen, dass in der Hochseeschifffahrt die Batterie irgendwann eine Rolle spielen wird?

Heutzutage werden keine großen Schiffe mit Batterien entwickelt, das ist gewichtsmäßig nicht sinnvoll. Allerdings haben wir uns vor ein paar Jahren auch keinen Straßen-Schwerlastverkehr mit Batterie vorstellen können. Die Technologie entwickelt sich schnell weiter, und deswegen würde ich das jetzt nicht absolut ausschließen wollen. Wenn ohnehin die Landstrompflicht ab 2030 in der Europäischen Union kommt, macht es für die Schiffe auch Sinn, Batterien zu laden. Und ab 2026 müssen Schiffe innerhalb Europas die volle ETS-Abgabe zahlen. Da wird es dann noch immer eine Preisschere geben zwischen fossilen Treibstoffen und E-Fuels, aber zumindest wird sie durch solche Maßnahmen kleiner werden.

Wie sieht Ihr Ausblick aus? Mögen Sie eine Prognose geben, wie es mit den E-Fuels weitergehen wird?

Also vor einem halben Jahr wäre ich noch nicht so optimistisch gewesen. Aber in diesem Jahr sind mehr Methanol-Schiffe bestellt worden als irgendwelche anderen Schiffe. Die Orderbücher haben sich innerhalb der letzten Monate komplett umgekrempelt. Es nimmt extrem Fahrt auf. Und im Short-sea-shipping-Bereich - also Fähren, die kürzere Strecken fahren - sind sehr viele elektrische bestellt worden. Das heißt, sowohl am unteren Ende, wo die kleinen Schiffe sind, als auch am oberen Ende, wo die ganz Großen sind, gibt es eine komplett klare Tendenz: weg von fossilen Treibstoffen. Dazwischen, wo sozusagen die Planungsunsicherheit am größten ist, lässt sich noch kein so klarer Wandel beobachten. Dort, wo noch Unsicherheit herrscht, könnte die Politik mehr Planungssicherheit oder Förderung anbieten. Am Ende ist allerdings auch entscheidend, auf welche Weise alternative Treibstoffe wie Methanol erzeugt werden. Nämlich möglichst mit regenerativer Energie.

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