Die „Annika Braren“ ist eines der Schiffe mit Flettner-Rotor.

Bild: Braren

Mit Rotorsegeln Richtung Klimaschutz

10.05.2023

Als Zusatzantrieb für Schiffe haben die säulenförmigen Flettner-Rotoren einiges Potenzial, den Betrieb klimaschonender zu gestalten. Ein Forschungsprojekt soll das Thema nun vorantreiben.

Die Nachhaltigkeitsdiskussion hat die Seeschifffahrt längst erreicht – und verändert die Antriebskonzepte. Dabei kommt einer bereits vor 100 Jahren entwickelten Technik eine neue, interessante Bedeutung zu: den Flettner-Rotoren, also rotierenden, zylindrischen Säulen, deren Bewegung das Schiff vorantreibt. Im Rahmen des vom Bund geförderten und vom Maritimen Kompetenzzentrum (Mariko) in Leer koordinierten Projekts „Flettner Fleet“ soll die Grundlage für die Installation und den optimierten Betrieb von Flettner-Rotoren geschaffen werden. Das Projekt wird mit knapp 5 Millionen Euro vom Bund gefördert. Perspektivisch soll die Technik auf einem möglichst großen Anteil der Welthandelsflotte zum Einsatz kommen, sowohl als Nachrüstung als auch für Neubauten. Doch bis dahin ist es noch ein langer Weg.

Renaissance einer Idee

Fast 100 Jahre nach ihrer Erfindung waren Flettner-Rotoren schon fast in Vergessenheit geraten. Das hat sich mittlerweile wieder geändert: Mit modernen Adaptionen der von Anton Flettner in den 1920er Jahren entwickelten rotierenden Zylinder wurden unter anderem bereits das „E-Ship 1“ des Windenergieanlagenherstellers Enercon (2010) sowie die Mehrzweckfrachter „Fehn Pollux“ der Leeraner Reederei Fehn Ship Management (2018) und „Annika Braren“ der Reederei Rörd Braren aus Kolmar (2021) ausgestattet.

Weltweit sind derzeit auf etwa zehn Schiffen Flettner-Rotoren installiert, darunter zwei Massengutfrachter, zwei Fähren, drei Stückgutfrachter, zwei RoRo-Schiffe und ein Tanker. Zwei weitere damit ausgerüstete Massengutfrachter sind bestellt. Als Investitionskosten für einen Flettner-Rotor muss man mit Beträgen ab etwa 500.000 Euro rechnen, allerdings können auch Fördergelder beantragt werden.

Einsatz auf bis zu 45.000 Schiffen

Fragt man Ralf Oltmanns, Geschäftsführer des Anbieters Eco Flettner, so ist das Potenzial für solche Segelsysteme immens: „Wir gehen davon aus, dass von circa 90.000 weltweit existierenden Schiffen mehr als die Hälfte für Flettner-Rotoren infrage kommen.“ Dabei biete sich die Technik auf unterschiedlichen Typen wie Stückgutschiffen, Minibulkern und Bulkern, aber auch Tankern, Zementfrachtern und Passagierschiffen an.

Und Oltmanns denkt noch weiter: „Wenn die Rotorsegeltechnik in den nächsten Jahren bereits bei der Neubauplanung berücksichtigt wird, könnten auch Schiffstypen mit Rotoren ausgestattet werden, die heute bautechnisch noch nicht im Fokus stehen. Das Augenmerk richtet sich bei jeder Planung darauf, so viel Segelfläche wie möglich an Deck der Schiffe unterzubringen, ohne deren Funktion zu behindern.“

Grundsätzlich ist der Einbau von Flettner-Rotoren auf jedem Schiff mit ausreichend großer Installationsfläche an Deck möglich, sagt auch Kapitän Michael Vahs, der als Professor am Fachbereich Seefahrt & Maritime Wissenschaften an der Hochschule Emden/Leer tätig ist. Ihm zufolge eignet sich die Technik für Massengutschiffe und Tanker, obwohl es auf letzteren besondere Sicherheitsanforderungen gibt.

Nach Einschätzung des Global Maritime Energy Efficiency Partnership (GloMEEP), einem Projekt der International Maritime Organization (IMO), könnte bei Containerschiffen eine Konzeption mit erhöhten beziehungsweise ausfahrbaren Rotoren geprüft werden, die über der Containerladung angebracht sind.

Allerdings: „Gerade in der Containerschifffahrt sind viele Komponenten zu bedenken wie Fahrtgebiete, Geschwindigkeiten, Hafeninfrastrukturen und Schiffskonstruktion, die einen Einsatz von Flettner-Rotoren erschweren“, sagt Laura Münsterberg aus dem Team Sustainability bei Hapag-LLoyd. Grundsätzlich sei die Reederei aber technologieoffen und analysiere auch die Möglichkeiten von WASP (Wind-Assisted Ship Propulsion) als Dekarbonisierungsmaßnahme.

Kraftstoffeinsparung bis 30 Prozent

Ebenso komplex ist das Messen der tatsächlichen Einsparung: „Laut der Reederei wurden auf der ‚Fehn Pollux‘ etwa 15 Prozent Kraftstoffeinsparung gemessen“, erläutert Vahs. „Nach unseren Messungen liegt das Potenzial aber eher bei 20 Prozent, wenn der Rotor immer in Betrieb ist und die Automatik zur Leistungsoptimierung genutzt wird.“ Rörd Braren, Inhaber und Geschäftsführer der gleichnamigen Reederei, findet es ebenfalls schwer, für die „Annika Braren“ genaue Zahlen zu nennen, da es viele Einflussfaktoren wie Kurs und Windrichtung gebe: „Wenn starker Wind quer zur Fahrtrichtung einfällt, sind 20 oder 30 Prozent möglich, sonst etwa 10.“

Doch laut Oltmanns gibt es einige Hemmnisse: Der Schiffseigner, der das Schiff ausrüstet und bereedert, bezahle nicht den Treibstoff, er habe also wenig Nutzen von der treibstoffsparenden Technik. Der Charterer hingegen bezahle zwar die Bunkerrechnungen, wisse jedoch nicht, wie lange er das Schiff chartert. Daher sei er auch nicht gewillt, sich an der Ausrüstung des Schiffes mit Flettner-Rotoren zu beteiligen. Zudem würden neue Regeln zur Reduzierung klimaschädlicher Emissionen nur zögerlich eingeführt. Doch Oltmanns bleibt optimistisch: „Wir sind in einigen Ausschreibungen dabei und hoffen, mindestens einen Rotor und eventuell sogar elf Rotoren bauen zu können.“

Die Anbieter

Im Wesentlichen werden Flettner-Rotoren von drei Unternehmen gebaut und angeboten: Norsepower aus Finnland, Anemoi aus Großbritannien und Eco Flettner aus Deutschland. Darüber hinaus gibt es noch einige andere Firmen beziehungsweise Förderprojekte rund um Profilsegel und andere Segelsysteme, unter anderem in Japan, Frankreich und den Niederlanden. Der Hersteller Eco Flettner ging dabei aus zwei vom Regionalprogramm Interreg (Europäische territoriale Zusammenarbeit) geförderten Projekten hervor. Seit Jahresbeginn wird das Unternehmen zusammen mit zwölf Partnern im Rahmen des Maritimen Forschungsprogramms des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie gefördert.

Firmen zu diesem Artikel
Verwandte Artikel