DVZ: Herr Dossmann, wir müssen zum Start erstmal über den Namen ihres Start-ups sprechen: Warum Grünfuchs?
Felix Dossmann: Vor dem Grünfuchs, das war Anfang 2021, hießen wir noch SLAM. Im gleichen Jahr habe ich mit meinen Töchtern Kinderspiele unter dem Namen Grünfuchs-Spiele verlegt. Als SLAM ins Rollen kam, hat das Marketing-Team über neue Namen gegrübelt und einer meinte zu mir: frag doch mal deine Töchter, ob der Grünfuchs auch Pakete bringen kann. Und meine Töchter haben ja gesagt – seitdem heißen wir so! Deswegen gibt’s den Grünfuchs auch als Stofftier. Und Grünfuchs ist einfach schöner als SLAM.
Was unterscheidet Grünfuchs von anderen Start-ups? Warum sind Sie so motiviert, die KEP-Branche zu verändern?
…weil liefern auf der letzten Meile besser geht! Ich mag unsere Innenstädte und kaufe gerne im Einzelhandel ein. Wenn man Einzelhändlern digitale Tools und die entsprechende Logistik an die Hand gibt, kann es sie in die Lage versetzen, gegen die großen Onlinehändler zu bestehen und sogar besser und schneller zu sein als Amazon & Co. Wir bieten zum Beispiel Abonnements zwischen Einzelhändlern und Endkonsumenten an, die bei Haushaltswaren besonders beliebt sind.
Momentan ist es die Inkontinenzware, die am besten läuft. Denn das ist etwas, was Leute aus Scham oftmals nicht im Laden kaufen wollen und wofür sich Abonnements gut eignen. Wir arbeiten mit der Firma THIMM gerade an einer neuen Verpackung, die nachhaltig gefertigt ist, also mehrfach verwendbar, aber auch diskret – sodass der Lieferbote nicht direkt sieht, was drin ist, wenn er die Box öffnet. Dafür haben wir einen „Privacy-Deckel“ erfunden.
Wie kann ein Einzelhändler ein Produkt schneller an den Kunden liefern als die großen E-Commerce-Plattformen? Das klingt erstmal unmöglich.
Wir sind bei der „same day“-Lieferung teilweise schon schneller als Amazon, bei verfügbaren Produkten. Der Grünfuchs ermöglicht es Einzelhändlern, ihre Waren genauso schnell, wenn nicht sogar schneller als die großen E-Commerce-Plattformen an ihre Kunden zu liefern. Im Durchschnitt entstehen auf der letzten Meile eines Pakets rund 60% der Gesamtkosten und verursachen einen erheblichen Ressourcenverbrauch. Mit Grünfuchs kann dieser Verbrauch mehr als halbiert werden, ohne dass die Kunden dabei auf Komfort verzichten müssen.
Darüber hinaus bietet der Einsatz von Grünfuchs dem lokalen Einzelhandel die Möglichkeit, mit den großen Online-Handelsplattformen auf Augenhöhe zu konkurrieren. Durch den lokalen Zugriff auf verfügbare Waren kann der Einzelhändler sogar schneller liefern. Ein wichtiger Faktor dabei ist auch das Mitarbeitermodell und die Festanstellung der Grünfuchs-Mitarbeiter. Dies ermöglicht eine höhere Lieferqualität im Vergleich zu anderen Marktbegleitern.
Daher ist es keineswegs unmöglich, dass ein Einzelhändler ein Produkt schneller als die großen E-Commerce-Plattformen liefert. Mit dem Grünfuchs wird dies zur Realität und bietet dem Kunden eine effiziente und komfortable Alternative zum Online-Shopping.
Wie genau nutzen Einzelhändler ihren Service?
Wir haben ein Microhub an der Autobahn am Stadtrand und eins in der Innenstadt, von wo aus mit dem Fahrrad auf der Letzten Meile ausgeliefert wird. Dabei arbeiten wir mit der Spedition Krüger zusammen. Mittlerweile ist auch der erste E-Scania im Test-Einsatz.
Für Einzelhändler haben wir eine App entwickelt, die genau beschreibt, was zu tun ist. Zuerst muss er ein Foto vom Artikel machen, also den Barcode einscannen und die Adresse des Käufers eintragen. Dann kann er sich zwischen zwei Zeiten am Tag entscheiden, wann Grünfuchs das Produkt abholen soll. Das ist auch hilfreich für uns, da wir so effizientere Routen planen können.
Wer sind ihre Partner?
In Göttingen sind rund 120 Einzelhändler bei Grünfuchs angemeldet, davon sind wiederum knapp 80 aktiv. Darunter befinden sich die lokale Thalia-Filiale, Mäc-Geiz und Galeria Kaufhof. Und auch im B2B-Bereich gibt es Partner, zum Beispiel eine große lokale Druckerei, die Flyer und Plakate druckt.
Was sind für Sie aktuell die größten Herausforderungen der KEP-Branche? Und wie gehen Sie bei Grünfuchs damit um?
Zu allererst ist da natürlich der Fahrermangel. Unternehmen werden in Zukunft Schwierigkeiten haben, Personal zu finden, wenn sie ihre Fahrer weiter so behandeln. Bei den derzeitigen Zuständen und Arbeitsbedingungen möchte niemand mehr Paketzulieferer werden. Bei Grünfuchs gibt es ein spezielles Personalentwicklungs-Konzept für die Kuriere. Unser Start-up hat eine Kooperation mit der Jobagentur und wir bieten unseren Mitarbeitern Vorteile bei der Krankenversicherung an.
Und darüber hinaus?
Ein Problem, das wahrscheinlich jedem in seiner Stadt ins Auge fällt: Mehrere Firmen beliefern dasselbe Haus, teilweise im Abstand von nur einer halben Stunde. Es hält erst das DHL-Lieferauto, zehn Minuten später kommt das von DPD, und so weiter. Das ist nicht effizient - rein logisch müssten diese Unternehmen alle konsolidieren. Aber das geht praktisch natürlich nicht.
Wie könnte man dieses Problem lösen?
Es ist schwierig, das KEP-Ecosystem zu verändern, aber wir arbeiten an lokalen Lösungen. In Göttingen haben wir einen Grünfuchs-Paketshop. Wir sind dabei ein Tool zu entwickeln, das Prozesse vereinfacht. Wenn der DHL-Lieferbote dich nicht antreffen konnte und dir einen Zettel in den Briefkasten wirft, „Das Paket liegt bei Grünfuchs“, dann kannst du über die Grünfuchs-App Bescheid geben wann du es abholen kommst, dich quasi vorregistrieren. Das spart Wartezeit im Paketshop und das Personal muss nicht erstmal nach dem einen Paket suchen.
Welche Entwicklung erwarten Sie in den kommenden Jahren? Wäre es nicht nachhaltiger, wenn man sich Pakete auf den letzten 500 Metern zu Fuß abholen müsste? Haustür-Lieferungen wären dann nicht mehr der Standard.
Ich glaube, man bekommt Leute, die sich an einen gewissen Standard gewöhnt haben, nicht mehr davon weg. Außerdem gibt es viele Leute, die mobilitätseingeschränkt sind. Ich bin mir daher sicher, dass die Haustür-Lieferung nicht verschwinden wird – ob sie teurer wird, ist aber eine gute Frage. Um sie nachhaltiger zu gestalten, sind entweder Konsolidierungen oder Preiserhöhungen nötig.
Was halten Sie von der Automatisierung der Zulieferung?
Robotik in der Auslieferung ist eher etwas für speziellere Gebiete und Topografien. In manchen „rural areas“ Amerikas ist es vielleicht sinnvoll, wenn per Drohne die Lieferung in den Garten abgeworfen wird. Aber in den meisten deutschen Städten wäre der Aufwand für sowas größer als der Nutzen. Ich bin allerdings davon überzeugt, dass in naher Zukunft autonome Lieferfahrzeuge zum Alltag gehören werden. Denn der teuerste Faktor ist natürlich das Fahrpersonal. Ich schätze in ungefähr zehn Jahren wird es das auf jeden Fall geben. Aber das wird dann keine Haustürlieferung sein, sondern das Fahrzeug wird vor dem Haus stehen bleiben und man muss dann selber runterkommen - was für mobilitätseingeschränkte Personen ein Problem sein wird, wofür wiederum eine Lösung gefunden werden muss.
Könnte es Grünfuchs bald auch in anderen Städten, außer Göttingen, geben?
Grünfuchs ist besonders für die sogenannten tier-2-cities geeignet – das sind Städte mit einer Population zwischen 50. 000 und 100. 000 Bewohnern. Wir benötigen vor allem freie Flächen. In den meisten Innenstädten gibt es großen Streit um öffentlichen Raum, meistens ist es ein Kampf zwischen Parkplatz, Ladesäule, Landezone und Locker-Boxen. Wir schauen uns momentan also nach Städten um, die Göttingen von der Infrastruktur ähneln und noch nicht so dicht bebaut sind.
Grünfuchs ist ein nachhaltiges Logistikunternehmen, das 2022 von Felix Dossmann gegründet wurde. Unter dem Motto ‘nachhaltig. Lokal. schlau.’ findet Grünfuchs eine klimaneutrale Lösung für die Probleme der letzten Meile und bietet einen effizienten Local-2-Local Service. Paket- und Warenströme werden gemeinsam mit Produkten des lokalen Einzelhandels in Micro-Hubs konsolidiert, auf KI-basierten Routen automatisiert sortiert und über emissionsfreie Cargobikes ausgeliefert.