Immer deutlicher zeigen sich die Folgen des Klimawandels, und das nicht nur in weit entfernten Regionen. Spätestens seit der Flutkatastrophe im Ahrtal mit mehr als 180 Toten und Hunderten Verletzten ist klar, dass die Auswirkungen schon jetzt auch Deutschland betreffen. Besonders gilt dies für den Transportsektor, und hier vor allem für die Schieneninfrastruktur, aber auch für zahlreiche Straßen.
Doch woher weiß man eigentlich, wo künftig mit welchen Folgen des Klimawandels zu rechnen ist? Nachzuschauen ist das beispielsweise im Klimaausblick des Climate Service Center Germany (GERICS), das für jedes der 16 deutschen Bundesländer und Deutschland Klimaausblicke veröffentlicht. Seit 2021 gibt es diese auch für Regionen und Landkreise. Hier ist nachzulesen, inwieweit ein solches Gebiet in Zukunft etwa von extremer Hitze und Änderungen der Niederschlagsmenge betroffen sein wird.
Das ist trotz der vielen alarmierenden Meldungen zum fortschreitenden Klimawandel zumindest ein kleines bisschen weniger frustrierend, als man befürchten könnte. Denn noch kann die Intensität der Klimaänderungen zumindest zum Teil abgeschwächt werden. In Hamburg gilt das etwa für die maximale Dauer von Hitzeperioden. Während diese im Szenario mit hohen Emissionen und mit mittleren Emissionen zunehmen, besteht bei der Verwirklichung des Szenarios mit niedrigen Emissionen laut des Helmholtz Zentrums Hereon nur eine Tendenz zur Zunahme.
Viele Klimamodelle bieten nur grobe Orientierung
Indem überhaupt erst einmal Transparenz anhand zu erwartender Szenarien geschaffen wird, erfüllen diese Klimaausblicke der Experten aus Geesthacht auch eine zweite Aufgabe: Sie ermöglichen Entscheidungsträgern aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft unter anderem in den Schwerpunktbereichen Wasser, Energie, Ökosysteme und Städte die rechtzeitige Anpassung auf die zu erwartenden Klimarisiken. Allerdings bieten sie etwa Unternehmen nur eine grobe Orientierung und keine konkreten Handlungsempfehlungen, sodass daraus beispielsweise nicht abgeleitet werden kann, welche Risiken und Betroffenheiten an bestimmten Standorten und über die jeweilige Lieferkette zu erwarten sind.
Vielleicht ist es auch deshalb bei Infrastrukturvorhaben, und das weltweit, noch keine Standardanforderung, die Klimarisiken zu analysieren. Und das, obwohl das Weltwirtschaftsforum das Versagen bei Klimamaßnahmen sowie extreme Wetterverhältnisse zu den größten Umweltrisiken der Welt in der nächsten Dekade zählt. Wer sich nun aber konkret informieren möchte, hat es nicht leicht: „Wenn man nicht aus der Wissenschaft kommt, ist eine eigenständige Analyse verschiedenster Klimamodelle für Unternehmen quasi unmöglich, da sie zu komplex und zu schwer verständlich ist, außerdem fehlt die Übersetzung in das Geschäftsrisiko“, berichtet Co-Gründerin Liza Altena bei Repath.
Repath analysiert über 100 Klimamodelle
Das 2021 gegründete Start-up aus Hamburg, eine Ausgründung des Centrums für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN) an der Universität Hamburg, will deshalb Unternehmen dabei unterstützen, ihr Geschäft im Hinblick auf den Klimawandel zukunftssicherer zu machen. Dazu werden über 100 Klimamodelle analysiert, um das jeweilige Klimarisiko zu ermitteln. Diese werden in einfach zu nutzende und auf Unternehmen zugeschnittene Aussagen übersetzt, damit diese die globalen Klimarisiken ihrer Assets an Standorten schnell erfassen, sich zukunftsgerecht aufstellen und ihre Klimarisiken transparent offenlegen können.
Wettbewerber gebe es beispielsweise mit Cervest aus Großbritannien und Jupiter Intelligence aus den USA durchaus, „aber wir sind das einzige Unternehmen, das seine Wurzeln in der Wissenschaft hat. Die anderen wurden als Business-Entrepreneure gegründet, und keiner hat von vornherein den Fokus auf die Automatisierung des wissenschaftlichen Ansatzes gelegt“, betont Altena.
Eine weitere Besonderheit bei Repath: „Wir nutzen globale Klimamodelle nur, wenn regionale nicht zur Verfügung stehen“, erläutert Altena. „Dabei nehmen wir die hochaufgelöstesten und umfassendsten Klimamodelle, die weltweit zur Verfügung stehen, und haben so bereits über 200 Simulationen innerhalb der drei verschiedenen Zukunftsszenarien automatisiert. Innerhalb Europas sind das regionale Klimamodelle mit einer Genauigkeit von 12,5 mal 12,5 Kilometer, weltweit sind es 25 mal 25 Kilometer.“
Klimamodelle haben Stärken und Schwächen
Zudem sei handselektiert, welche Klimamodelle für Deutschland und welche für andere Länder in die Berechnungen einfließen. Denn jedes hat unterschiedliche Stärken und Schwächen: So sind manche besser in Bezug auf Trockenheit, andere wiederum bei Regen. Ganz wichtig ist der Co-Gründerin jedoch: „Niemand kann genaue Vorhersagen in Bezug auf künftige Klimarisiken treffen. Wir projizieren die Zukunft und leiten Trends bis ans Ende dieses Jahrhunderts ab, wann etwa ein Extremwettereignis mit welcher Wahrscheinlichkeit eintritt und wie extrem dieses Event sein wird.“ Auf dieser Basis können dann konkrete Entscheidungen im Umgang mit diesen Ereignissen getroffen werden.
Erste Erfolge hat Repath bereits erzielen können: „Wir haben bereits zwei Wettbewerbe gewonnen, den International Start-up Grid Challenge von Eon und den israelischen Planet Tech zum Thema Extremwetterereignisse“, berichtet Altena. Hinzu kommen erste namhafte Kunden wie der Medizintechnikhersteller Siemens Healthineers und der Reinigungsgerätehersteller Kärcher. Ein fixes Bezahlmodel gibt es bislang aber noch nicht, gegenwärtig wird individuell bepreist.
Derzeit konzentriert sich Repath auf die Identifizierung von und den Umgang mit Klimarisiken insbesondere in drei Anwendungsgebieten: bei bestehenden Anlagen wie Energieanlagen, Büros und Produktionsstätten, bei Investitionsentscheidungen wie bei M&As, neuen Standorten, Lieferanten und neuer Infrastruktur, sowie bei der Erfüllung von Reportingpflichten nach der EU-Taxonomie. „Die spezifischen Betroffenheiten von beispielsweise Bahnstrecken haben wir noch nicht integriert, aber wir können bereits Streckenanlagen mit dem jeweiligen veränderten Risikoprofil abbilden. Das ist der erste Schritt zur Transparenz“, berichtet Altena. „Künftig sind auch spezifischere Services für Transportunternehmen denkbar.“
All das hat offenbar auch die Investoren überzeugt: Erst Ende vergangenen Jahres konnte das Start-up mit derzeit 14 Mitarbeitern im Rahmen einer Pre-Seed-Finanzierung 1,2 Millionen Euro einsammeln. Finanziert werden soll damit die Weiterentwicklung der Repath-Plattform. (fw)