In einem zweimonatigen Feldversuch des Forschungsprojekts „DRivE“ wurde ein Stück dieser E-Lkw-Zukunft geprobt. Zwei Speditionen machten mit, die eigens entwickelte Software in ihrem Alltag an einem E-Lkw und zwei LNG-Lkw zu testen und Datenmaterial zu sammeln, um den Algorithmus schrittweise unter realen Bedingungen zu optimieren. Das Tourenplanungssystem, von Projektinitiator Mansio aus Aachen entwickelt, bezieht als Parameter verfügbare Ladepunkte, Topografie, Reichweiten und Batteriestatus mit ein. Mansio-Geschäftsführer Maik Schürmeier ergänzt: „Mit dem Projektpartner Park Your Truck ist geplant, eine Option zur digitalen Reservierung von Ladeplätzen in der Software zu implementieren.“
TMS-Anbindung nich ausgereift
Hundertprozentig überzeugt, dass es ein Extra-Planungstool für alternative Antriebe braucht, ist Stefan Küpper, Geschäftsführer von Hammer Road Cargo aus Aachen. Das Unternehmen disponierte mit der digitalen Lösung für einen 16-Tonnen-E-Lkw insgesamt 23 Tagestouren im Nahverkehr. Küppers Fazit: „Wir brauchen Daten zu Batterieladezustand, Reichweiten und Ladepunkten für eine zuverlässige Planung, um Zeitfenster beim Kunden auch unter den neuen Rahmenbedingungen einzuhalten“. Eine Herausforderung seien die verschiedenen Systeme und Schnittstellen gewesen.
Batterieladezustand unbekannt
Aus Sicht des Praktikers sind die Möglichkeiten im TMS-System für die Einbindung von alternativen Antrieben noch nicht ausgereift. Eine Übergangslösung war außerdem erforderlich, um Restreichweiten und Batterieladezustände aus der Zugmaschine zu übermitteln. „Diese musste der Fahrer noch manuell weitergeben“, sagt Küpper. Denn E-Lkw-relevante Informationen lassen sich noch nicht in Echtzeit aus den Bordcomputern auslesen. Der bisher verbaute FMS-Standard 3.0 beinhaltet diese Daten nicht. Erst ab dem FMS-Standard 5.0 haben sich die Lkw-Hersteller darauf geeinigt, Informationen zu Elektro-Lkw und deren Batteriemanagement zu teilen.
Es braucht den FMS-Standard 5.0
Dieser wird sich frühestens in ein paar Jahren durchsetzen. „Wir haben keinen Lkw-Hersteller gefunden, der diesen Standard schon nutzt,“ berichtet Projektteilnehmer Thorsten Stuke von Zekju, der sich auf der Nutzfahrzeugmesse IAA Transportation danach umgeschaut hat. Sein Unternehmen hat sich im Rahmen des Projekts auf das Auslesen der Daten aus den Test-Lkw konzentriert. Der Experte weiß, dass die Verbrauchsspreizung beim E-Lkw über 100 Prozent beträgt, in Abhängigkeit von Last, Topografie und Temperatur. Überraschend war für den Mitgründer von Zekju im Feldversuch, dass sich die Mehrverbräuche nicht durch die Rekuperationsleistung aufgehoben haben.
Abfrage im Zwei-Stunden-Intervall
Mehr Klarheit hat Stuke auch über die Frequenz gewonnen, in der man aktuelle Fahrzeugdaten benötigt. „Solange wir diese manuell beim Fahrer abfragen müssen, sollte ein Intervall von zwei bis drei Stunden ausreichend sein. So ließen sich die Pausen dafür nutzen“, sagt Stuke. Den digitalen Sprung auf die Straße werde man mit den Ergebnissen von „Drive“ schaffen. Denn er erwartet, dass durch die alternativen Antriebe in Verbindung mit dem Parkplatzmangel der Kommunikationsbedarf in Richtung Fahrer zunehmen wird.
DRivE
Das vom Bundesverkehrsministerium geförderte Projekt „DRivE“ – steht für „Datenbasierte Routenplanung im Straßengüterverkehr mit verschiedenen Energieversorgungstechnologien“ – untersucht noch bis Ende 2024, wie eine digitale Tourenplanung den Umstieg auf umweltfreundliche Schwerlast-Lkw im Fernverkehr unterstützen kann. Zu den Projektpartnern zählen neben dem Lehrstuhl PEM das Forschungsinstitut für Rationalisierung (FIR) an der RWTH Aachen, Park Your Truck, Zekju, Mansio, Hammer Road Cargo und Maintrans Internationale Spedition.
Lade- und Ruhezeiten synchronisieren
Auf die Schnittstelle von Lkw und buchbaren Rastplätzen konzentriert sich Denise Schuster, Geschäftsführerin von Park Your Truck. Sie hat ihr Reservierungssystem für die im Test verwendete mobile Ladesäule bei Hammer Road Cargo zur Verfügung gestellt, um das nächste Level zu erreichen. Denn im ersten Schritt sucht der Algorithmus nur nach anfahrbaren Ladestellen entlang der Tour und schlägt ein Ladeschema vor. In Verbindung mit Park & Truck sollen diese buchbar gemacht werden. Schusters Motivation für die Teilnahme war, daran mitzuwirken, dass die Fahrer perspektivisch das Laden und die Lenk- und Ruhezeiten synchronisieren können.
Kombi aus Schnell- und Nachladen
Längere Transportzeiten durch doppelte Pausen werden sich die Transporteure angesichts der höheren Anschaffungskosten, die etwa das Dreifache eines Diesel-Lkw betragen, nicht leisten können. Schusters Vorstellung nach macht der Algorithmus in einem späteren Stadium auch automatisiert Vorschläge für eine wirtschaftliche Kombination aus Schnell- und Nachtladen. Die Leo-Award-Gewinnerin geht davon aus, dass die Preise für Schnellladen künftig höher liegen als für das zeitintensive Nachladen. Ein flächendeckendes Netz mit Ladepunkten erwartet sie in zwei bis drei Jahren. Mit zwei LNG-Fahrzeugen war die Spedition Maintrans im Projekt vertreten. Von einer digitalen Tourenplanung verspricht sich Nico Troiano, Speditionsleiter bei Maintrans, mehr Zuverlässigkeit in Bezug auf die anzufahren den Tankstellen. Vorauseilende Informationen, ob die Tankstelle sich für Lkw eignet, funktional ist und genug LNG bereitsteht, würden dem Disponenten helfen, die Situation besser einzuschätzen. „Auch bei LNG nehmen wir hierfür teilweise Umwege bis zu eineinhalb Stunden in Kauf“, konkretisiert Trioano.
Auf Wasserstoff-Lkw übertragbar
Mangels der Verfügbarkeit konnte kein Wasserstoff-Lkw in die Versuchsreihe einbezogen werden. Doch Schürmeier versichert, dass viele Erkenntnisse auf Routenplanungen für H2-Fahrzeuge übertragbar seien, da es sich ebenfalls um eine elektrische Technologie handele. Generell wird sich der Einsatz von Routenplanungssystemen für alternative Antriebe aus seiner Sicht bereits bei einer geringen Flottengröße lohnen. Mansio will den Algorithmus für alternative Antriebe weiterentwickeln und perspektivisch ein Routingtool zur Marktreife bringen. Als Wettbewerber macht das junge Unternehmen die Lkw-Hersteller aus, die selbst an entsprechenden Lösungen arbeiten. Genau auf diese seien Softwareunternehmen jedoch angewiesen, um an Echtzeitinformationen aus den Lkw zu kommen. „Unser Vorteil ist hingegen die Neutralität“, bewertet Schürmeyer.
Stephanie Lützen ist freie Journalistin mit Sitz in Berlin