Das Schiffsrecycling steckt in Deutschland noch in den Kinderschuhen. Keine einzige Werft hat bislang die Genehmigung dazu erhalten.

Bild: Henning Gramann/GSR Services GmbH

Grüner Stahl aus alten Schiffen

10.12.2024

In den kommenden Jahren wird weltweit eine sehr große Zahl von Schiffen abgewrackt. Mit spezialisierten Recyclingwerften könnte in Niedersachsen ein neuer Wirtschaftszweig aufblühen, von dem auch Stahlindustrie und Klimapolitik profitieren.

In den nächsten Jahren steht weltweit eine Welle alter Schiffe zur Verschrottung an. Viele entstanden im Schifffahrtsboom der frühen 2000er Jahre und erreichen nun das Ende ihres Lebenszyklus. Die ambitionierten Emissionsziele für die Schifffahrt tragen ebenfalls dazu bei, dass alte Schiffe nun ersetzt werden.

Die Schifffahrtsorganisation BIMCO (The Baltic and International Maritime Council) geht davon aus, dass sich die Anzahl zu recycelnder Schiffe bis in die 2030er Jahre verdoppeln, wenn nicht gar verdreifachen wird. Die dafür weltweit verfügbaren Recyclingwerften reichen nach Einschätzung vieler Experten bei weitem nicht aus.

Stahlindustrie im Wandel

Das Geschäftsumfeld für neue Recyclingwerften ist daher ausgesprochen vielversprechend, zumal der wachsende Bedarf der hiesigen Stahlindustrie an Sekundärstahl hinzukommt, der beim Schiffsrecycling in großem Umfang anfällt. Die moderne Stahlindustrie befindet sich im Wandel hin zu einer umweltfreundlicheren Produktion, dem sogenannten Green Steel. Der beim Schiffsrecycling gewonnene Stahlschrott könnte hierzu einen großen Beitrag leisten. Gegenüber herkömmlichen Verfahren wie der Eisenerzreduktion bedeutet die Stahlproduktion aus wiedergewonnenem Stahl einen um 80 bis 90 Prozent reduzierten CO2-Ausstoß.

Kompetenzzentrum Greenshipping Niedersachsen

Seit seiner Gründung 2015 setzt sich das Kompetenzzentrum dafür ein, die Schifffahrt umweltverträglicher und sicherer zu gestalten. Zu diesem Zweck setzt es auf den Ausbau der angewandten Forschung und Entwicklung, die Unterstützung maritimer Unternehmen bei deren umweltfreundlicher Transformation sowie die Vernetzung der unterschiedlichen Akteure auf diesem Gebiet.

Allerdings steckt das Schiffsrecycling in Deutschland, um es vorsichtig auszudrücken, noch in den Kinderschuhen. Keine einzige Werft hat bislang die Genehmigung dazu erhalten, geschweige denn den Betrieb aufgenommen. Dabei wäre das Know-how in der deutschen maritimen Wirtschaft – einer Hochtechnologiebranche mit rund 400.00 Beschäftigten – vorhanden.

Auch ein Großteil der notwendigen Infrastruktur stünde mit den schon existierenden Werften für den Neu- und Umbau sowie die Reparatur von Schiffen grundsätzlich zur Verfügung. Kaianlagen, Kräne und Docks dieser Werften ließen sich gut für das Zerlegen alter Schiffe verwenden. Und der gewonnene Stahlschrott ließe sich sogar umweltfreundlich per Schiff zu den großen Stahlwerken in Salzgitter oder Bremen transportieren.

Hohe Auflagen

Der Markt für neue Recyclingwerften ist also vorhanden. Und trotzdem geht es an den deutschen Küsten kaum voran. Neben den hohen Arbeitskosten und den – sinnvollen – hohen Umwelt- und Arbeitsschutzauflagen bremsen langwierige und aufwendige Genehmigungsverfahren sowie komplexe Regelwerke.
So darf beispielsweise eine Reparaturwerft ein altes Schiff nahezu komplett auseinandernehmen, solange es anschließend nur wieder aufgebaut wird – für das vollständige Zerlegen aber wird eine Sondergenehmigung benötigt. Denn wird ein Schiff in Deutschland komplett zerlegt, gilt es als Abfall und wechselt damit unter das Abfallrecht.

„Eine Reparatur von einem Schiff kann ich in jedem Hafen machen. Aber ein Schiff auseinandernehmen soll ich nicht dürfen – warum nicht?“, wundert sich Maximilian Fisch vom Familienunternehmen Turbo-Technik, das in Wilhelmshaven Schiffe repariert und umbaut. Mit dieser Frage steht er nicht allein da. Fischs Forderung, Deutschland müsse vergleichbare Rahmenbedingungen wie in den Nachbarstaaten schaffen und die Gesetze auch ähnlich ausgelegen wie diese, würden in der maritimen Wirtschaft viele unterschreiben.

Ein Unternehmen, das sich trotz aller Herausforderungen schon auf den Weg gemacht hat, ist EWD Benli Recycling. Als erste deutsche Werft hat sie eine Zertifizierung für den Rückbau von Schiffen beantragt. Die notwendigen Anlagen sind vorhanden, schließlich repariert die Emder Werft und Dock GmbH (EWD), zu der der geplante Recyclingbetrieb gehört, schon seit mehr als 120 Jahren Schiffe an dem Standort im Nordwesten von Niedersachsen.

Der Genehmigungsprozess zieht sich zwar auch hier in die Länge, aber Politik und Behörden strengen sich sehr an. Ab März 2025, so hofft Geschäftsführer Sebastian Jeanvré, werden die ersten Schiffe zerlegt. Es werden eher kleinere Einheiten zwischen 500 und 1.500 Tonnen sein, die künftig recycelt werden.

Im Austausch mit Ministerium

Das Schiffsrecycling als neuen Wirtschaftszweig in Deutschland zu etablieren, wird nur in einem intensiven Dialog von Politik, Unternehmen und weiteren Stakeholdern gelingen. Die Vorzeichen dafür stehen nicht schlecht.

So ist das Kompetenzzentrum Greenshipping Niedersachsen etwa in einem engagierten fachlichen Austausch mit dem niedersächsischen Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz. Die Anstrengung sollte es allen wert sein, denn klar ist: Ambitionierte Klimaziele und Ressourcensicherheit gibt es nicht zum Nulltarif. (fw)


Susanne Neumann leitet die Geschäftsstelle Niedersachsen des Maritimen Clusters Norddeutschland. Zudem ist sie Projektleiterin bei Greenshipping Niedersachsen.

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