Kein Aufschlag für grüne Logistikleistungen.

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Grüne Services ja – aber bitte inklusive

24.07.2024

Die DVZ hat Logistiker gefragt, wie sie die Bereitschaft 
ihrer Kunden einschätzen, für grüne Dienstleistungen einen Aufpreis zu zahlen. Ergebnis: Einigen Auftraggebern scheint das Thema Nachhaltigkeit zwar durchaus wichtig zu sein, dafür mehr bezahlen wollen sie jedoch nur selten.

In Bayerns Transport und Logistikbranche ist zuletzt die Bedeutung des Themas Nachhaltigkeit merklich gesunken. Das zeigen die monatlichen Umfragen für das Logistikbarometer im Auftrag der Logistik-Initiative Bayern. Demnach überwiegen seit April die Antworten, die für eine abnehmende Bedeutung sprechen. Auch die Nachhaltigkeitsbudgets der Kunden werden den bayerischen Logistikern zufolge eher kleiner.

Diesen Trend hat eine nicht repräsentative Umfrage der DVZ auf der Social-Media-Plattform LinkedIn im Juni durchaus bestätigt. Demnach stimmten 36 Prozent der etwa 300 Teilnehmer für eine tendenziell abnehmende Zahlungsbereitschaft. Die Antwort „Nimmt zu“ klickten dagegen nur 21 Prozent. Rund ein Viertel antwortete zudem, dass überhaupt gar keine Bereitschaft bestehe, einen Aufpreis für grüne Logistikservices zu zahlen.

Die DVZ hat direkt bei diversen Logistikern in Bayern nachgefragt, wie sie die Bereitschaft ihrer Kunden einschätzen, für grüne Dienstleistungen einen Preisaufschlag zu zahlen. Ergebnis: Die Antworten bestätigen den Barometertrend. Die allermeisten Kunden seien leider nicht bereit, deswegen höhere Preise zu bezahlen, sagt zum Beispiel Roman-Mayer-Geschäftsführer Gianluca Crestani. Das gelte vor allem im Transportumfeld. Hans-Wolfgang und Jochen Geis, geschäftsführende Gesellschafter der Geis Gruppe aus dem fränkischen Bad Neustadt, führen die „noch nicht sehr große“ Bereitschaft der Kunden, sich finanziell an nachhaltigeren Dienstleistungen zu beteiligen, auch auf das aktuell schwierige Marktumfeld zurück. Bei schwachen Erlösen und ständigem Preisdruck könne die Logistikbranche das Thema allerdings nicht allein angehen.

Group7-Vorstand Günther Jocher stellt fest: „Wir haben bereits einige langjährige Kunden, die sehr viel Wert auf Nachhaltigkeit legen.“ Allerdings wird das Thema offenbar durchaus unterschiedlich gewichtet. Darauf versucht sich der Logistiker aus Schwaig bei München einzustellen. „Je nachdem wie wichtig der Stellenwert beim jeweiligen Kunden angesetzt wird, finden wir passende Ansätze und Lösungen“, fügt Jocher hinzu.

Matthias Schellenberger, Geschäftsführer der Spedition Pflaum, beobachtet einen klaren Trend, dass immer mehr Kunden großes Interesse und Bereitschaft für ökologisch nachhaltige Dienstleistungen zeigen. „Besonders große Unternehmen und solche mit starkem Umweltbewusstsein legen vermehrt Wert auf nachhaltige Logistiklösungen“, sagt er. Diese Entwicklung zeige, dass Nachhaltigkeit nicht nur ein ethischer, sondern künftig auch ein wirtschaftlicher Vorteil sein kann, fügt er hinzu.

Investitionen zahlen sich spät aus

Alexander Reichhart, Geschäftsführer von Reichhart Logistik, macht darauf aufmerksam, dass sich viele Investitionen im Nachhaltigkeitsbereich erst nach einigen Jahren auszahlen. Auf Kundenseite müsse entsprechend die Bereitschaft bestehen, lange zu investieren. „Alternativ könnten Vereinbarungen getroffen werden, dass der Standortnachfolger in die Investition einsteigt und diese fortführt“, sagt er und fügt hinzu: „Gelingt das, sind ökologisch nachhaltige Dienstleistungen auch preisneutral umsetzbar.“

Alessandro Cacciola berichtet von „einzelnen Kunden“, die explizit nachhaltige Lösungen anfragen. „Jedoch entscheidet am Ende nach wie vor häufig der Preis“, sagt der CEO der Andreas Schmid Group.

Beim Unternehmen Finsterwalder mit Sitz in Türkheim im Unterallgäu sei das Thema Nachhaltigkeit mittlerweile bei nahezu allen Kundengesprächen und -ausschreibungen präsent. Allerdings: „Leider sehen wir noch keine große Bereitschaft – abgesehen von ein paar wenigen Ausnahmen –, hierfür auch die entstehenden Zusatzkosten zu tragen“, sagt der geschäftsführende Gesellschafter Michael Finsterwalder.

Jürgen Behr, Prokurist beim Automotive- und Fulfillment-Dienstleister Mader aus Ansbach, sieht bei Transporten eine hohe Nachfrage nach nachhaltigen Lösungen. In der Regel würden diese jedoch nicht umgesetzt, sei es aufgrund der nicht vorhandenen Infrastruktur wie zum Beispiel der Ladetechnik oder eben aufgrund des Preises, „da die höheren Mehrkosten nicht an den Markt weitergegeben werden können und in der Regel auch nicht vom Markt getragen werden wollen“, sagt er.

Im speziellen Geschäft der Betriebsverlagerungen, in dem Harder Logistics aus Neu-Ulm tätig ist, sei kein Kunde bereit, eine nachhaltige Ausrichtung monetär zu vergüten, berichtet schließlich Marcello Danieli. Im Gegenteil, sagt der geschäftsführende Gesellschafter: „Es bekommen in unserem Wettbewerbsumfeld Dienstleister den Vorzug, die keine Nachhaltigkeitsstrategie nachweisen können.“ Er ist aber überzeugt, dass mit zunehmender Regulierung – zum Beispiel durch die EU-Richtlinie Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) – Nachhaltigkeitsberichterstattung auch bei Tendern berücksichtigt werden wird.

Nachhaltigkeitsberichterstattung: Indirekte Betroffenheit der KMU

Die neue EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD) gilt zunächst für einen eingeschränkten Kreis von Unternehmen, der schrittweise erweitert wird. Aktuell wird die Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt. Laut Deutscher Industrie- und Handelskammer (DIHK) wirft sie bereits ihre Schatten voraus. „Mit der Pflicht zu einem ausführlicheren Nachhaltigkeitsbericht für kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften mit mehr als 500 Mitarbeitern erhöhen sich ab dem Geschäftsjahr 2024 schrittweise auch die Anfragen bei kleinen und mittleren nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen (KMU), Nachhaltigkeitsinformationen an ihre Geschäftspartner zu liefern“, teilt die DIHK mit und weiter: „Derzeit flattern bereits unterschiedlichste Fragebögen von Kunden, Lieferanten und Banken in die Unternehmen.“ Diese indirekte Betroffenheit der KMU und der damit verbundene Aufwand lasse die Rufe nach einem europaweit akzeptierten freiwilligen Berichtsstandard lauter werden.

Die Zahl der direkt von der Richtlinie betroffenen Unternehmen in Deutschland steigt in den kommenden Jahren von bisher 500 auf circa 15.000. Diese müssen Strategien erstellen sowie anhand der verbindlichen EU-Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (European Sustainability Reporting Standards, ESRS) diverse Daten erheben, Berichte erstellen, prüfen lassen und diese offenlegen. Zur Anfertigung der Berichte benötigen sie eine Fülle von Informationen aus ihrer Wertschöpfungskette, beispielsweise zum CO2-Ausstoß. Damit kommt es laut DIHK zum Kaskadeneffekt: „Obwohl nicht kapitalmarktorientierte KMU nach der europäischen Richtlinie formal von der Berichtspflicht ausgenommen sind, müssen in der Praxis faktisch auch Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern viele Nachhaltigkeitsinformationen erheben.“

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