Betriebe im ländlichen Raum sind oft benachteiligt, denn eine Anbindung an einen verlässlichen Schienenverkehr ist dort nicht selbstverständlich. Die Bahn ist zwar auch in Metropolregionen nicht immer verlässlich, doch in der Eifel müht sich die Lok momentan noch auf meist eingleisigen Strecken ab. Der dort ansässige Mineralbrunnen Gerolsteiner sieht die eigenen Ambitionen im Bereich Nachhaltigkeit durch die fehlende Infrastruktur massiv eingeschränkt: „Wir könnten durch die Verlagerung des Transports auf die Schiene eine Emissionsreduktion von 70 Prozent erreichen. Ein großer Hebel. Aber momentan haben wir nicht einmal eine Anbindung für den Güterverkehr in Gerolstein“, sagt Ulrich Rust, Geschäftsführer Technik und Logistik bei Gerolsteiner.
Die Flut von 2021 hat die Eifelstrecke zwischen Trier und Hürth bei Köln stark beschädigt – ihr Wiederaufbau dauert noch an. Schon zuvor war die Bahnstrecke größtenteils eingleisig und nicht elektrifiziert. Dabei würde der Güterverkehr mit seinen schweren Lasten bei der bergigen Topografie der Eifel im Besonderen von einer Elektrifizierung profitieren. Im Oktober hat die Deutsche Bahn schließlich mit der Elektrifizierung der rund 160 Kilometer langen Strecke begonnen. Das Projekt kostet etwa 500 Millionen Euro, die der Bund sowie die Länder Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen tragen.
Gerolsteiner
Standort: Gerolstein in der Vulkaneifel
Gründungsjahr: 1888
Produkte: Mineralwasser, Erfrischungsgetränke
Verpackungen: 2/3 Mehrweg-, 1/3 Einwegflaschen
Abgefertigte Lkw: 55.000/ Jahr
Netto-Warenumsatz: 339,5 Mio. Euro, mehr als 850 Mitarbeiter, darunter mehr als 45 Auszubildende
Emissionsminderung
Gerolsteiner will am Standort Gerolstein in der Eifel seine Emissionen in den Bereichen Scope-1 und Scope-2 bis 2030 um 59 Prozent gegenüber dem Referenzjahr 2016 reduzieren. Davon wurden bereits mehr als 50 Prozent erreicht. Laut eigenen Berechnungen wird das Unternehmen das Ziel schon ab 2027 übererfüllen. Vorangebracht wurde die Minderung durch das Umstellen auf Ökostrom und eine Reduktion des Brennstoffverbrauchs im eigenen Fuhrpark sowie bei den Gabelstaplern im Lager.
Bei Gerolsteiner, einem Hersteller von Mineralwasserprodukten und alkoholfreien Erfrischungsgetränken, wurden in den vergangenen Jahren diverse Investitionen im Bereich Klimaschutz getätigt. So wird die interne Staplerflotte voraussichtlich bis 2027 komplett elektrifiziert sein. Von 38 Großstaplern laufen 25 bereits elektrisch. Ende dieses Jahres wird zudem eine neue Photovoltaikanlage in Betrieb genommen.
Die größte Herausforderung sind allerdings die Scope-3-Emissionen. Auf sie entfallen ungefähr 90 Prozent der gesamten Emissionen. Scope 3 umfasst alle indirekten Emissionen. Hierbei lassen sich bei Gerolsteiner rund 35 Prozent auf die Logistik zurückführen – hier würde das Unternehmen gerne noch mehr reduzieren, ist aber auf die Mithilfe der Dienstleister, Lieferanten und vor allem die Infrastruktur angewiesen. Rund die Hälfte der Scope-3-Emissionen des Unternehmens entstehen durch die Verpackungen wie Flaschen und Etiketten.
Kraftstoffe und Kombinierter Verkehr
Mit seinen drei Vertragsspediteuren, die unterschiedliche Regionen in Deutschland bedienen, hat Gerolsteiner eine Bio-LNG-Strategie vereinbart, ein Drittel der Lkw nutzt den alternativen Kraftstoff. Außerdem werden die sechs eigenen Lkw – ehemals dieselbetrieben – nun alle mit HVO100 betankt. Im Frühjahr löst der erste LNG-LKW einen dieser Lkw ab, ein zweiter wird im Herbst geliefert. Die Effizienz der Gerolsteiner Lkw wird außerdem durch eine möglichst hohe Auslastung und Schulungen der Fahrer für Eco-Drive verbessert. Das Unternehmen hat zusätzlich die Dachspoiler der eigenen Lkw aerodynamisch anpassen lassen, wodurch nach Firmenangaben rund 0,7 Liter Kraftstoff pro 100 Kilometer eingespart werden. Das ergibt pro Lkw über eine Gesamtlaufzeit von vier Jahren 27 Tonnen an CO2-Einsparung.
Für den Kombinierten Verkehr (KV) stehen dem Unternehmen also genügend umgerüstete Lkw zur Verfügung. Nur gibt es derzeit keinen Schienengüterverkehr ab Gerolstein. Dabei ist der Plan eigentlich, mehr Transporte zu verlagern: „Mit Pendelverkehr per E-Lkw zur Verladung, dann mittels Schienengüterverkehr in Metropolen und Kerngebiete und zuletzt die Feindistribution wieder per E-Lkw“, so beschreibt Logistik-Geschäftsführer Rust die Vision, mit der ein Großteil der Transportemissionen eingespart werden könnten. Dafür ist allerdings der Ausbau der Infrastruktur nötig. Dieser sollte die Elektrifizierung der Schienenstrecke sowie einen Umbau zur Zweigleisigkeit beinhalten. Zumindest Ausweichgleise an kritischen Streckenabschnitten könnten ein entspannteres Nebeneinander von Güterverkehr und Personenverkehr ermöglichen. Bislang kann Gerolsteiner nur auf der Strecke Köln–Hamburg die Bahn nutzen und muss bis Köln 100 Kilometer per Lkw transportieren.
Politische Forderungen
Als Unternehmen müssen alle ökologischen Maßnahmen mit den ökonomischen Bilanzen in Einklang zu bringen sein. Politische Rahmenbedingungen wie die Förderung bestimmter Antriebe spielen dabei eine große Rolle. Die von Gerolsteiner und seinen Spediteuren vereinbarte Umstellung auf Bio-LNG ist nach eigenen Angaben eine Investition, die durch die Mautbefreiung erst finanziell möglich wurde. Die Abschaffung dieser hat das Unternehmen und seine Spediteure umso härter getroffen.
Die Flut von 2021 hat die Eifelstrecke zwischen Trier und Hürth bei Köln stark beschädigt – ihr Wiederaufbau dauert noch an.
Im vergangenen Jahr wurde Gerolsteiner schließlich politisch in diesem Themenfeld aktiv. Zusammen mit 25 Unternehmen aus der Region hat der Hersteller das „Bündnis zum Ausbau der Eifelstrecke“ gegründet. Im Fokus stehen der zweigleisige Ausbau und die zügige Elektrifizierung der Strecke. Darüber hinaus hat Gerolsteiner eigene politische Forderungen formuliert. Dazu gehören eine verlässliche und frühzeitige Festlegung, welche Kraftstoffe und Antriebe in Deutschland als klimaneutral eingestuft werden, die langfristige Förderung von Brückentechnologien wie Bio-LNG und HVO sowie ein stärkerer Ausbau von Bahn-Nebenstrecken wie der Eifelstrecke.
Außerdem fordert das Unternehmen die Schaffung eines Ministeriums für den ländlichen Raum. Es gebe keine politische Programmatik, die nichtstädtische Regionen als Lebens- und Wirtschaftsstandort adressiert. Rust: „Dabei stammen fast 50 Prozent der deutschen Wirtschaftskraft aus dem ländlichen Raum und rund 50 Prozent der Bevölkerung leben dort.“
Laut der Deutschen Bahn soll die Elektrifizierung der Eifelstrecke 2028 fertiggestellt werden – allerdings noch ohne Zweigleisigkeit oder stellenweise Ausweichgleise. Ein paralleler Bau von Elektrifizierung und Zweigleisigkeit wurde bereits direkt nach der Flut gefordert. Mittlerweile steht fest, dass dies nicht mehr möglich ist, da die Zweigleisigkeit vor Baubeginn noch einer mehrjährigen Planungsphase unterzogen werden muss. Das Land Rheinland-Pfalz müsste zunächst einmal den zweigleisigen Ausbau finanziell freigeben. Das Bündnis drängt darauf, dass dies schnellstmöglich passiert.
Gerolsteiner versucht nun, so gut es geht, die Klimaschutzmaßnahmen umzusetzen, die sie selbst realisieren können. Von der Politik erwartet das Unternehmen mehr Aufmerksamkeit für den ländlichen Raum und die dort ansässigen Unternehmen. Eine weitreichende Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene – theoretisch ein großer Hebel für Emissionsreduzierungen – bleibt in der Eifel wohl vorerst eine Zukunftsvision. (fw)