Kay Simon gibt der Politik in seinem Essay eine klare Richtung vor.

Bild: privat

Was die Politik jetzt liefern muss

02.01.2025

Es muss klar sein, dass in der heutigen Zeit von der Verkehrs- und Wirtschaftspolitik keine klaren Zehnjahresstrategien zu erwarten sind. Aber derzeit kann die Branche nicht einmal auf Sicht fahren.

Nachhaltigkeit ist eindeutig einer der wichtigsten Megatrends der Logistik. Die Tatsache, dass die Branche erheblich unter dem Druck einer andauernden Wirtschaftskrise leidet, ist aber mindestens genauso eindeutig. In genau diesen wirtschaftlich und politisch angespannten Zeiten müssen Logistikunternehmen nun aber ihre eigenen Nachhaltigkeitstrategien planen und die ersten Schritte bereits umsetzten. Dabei fehlt derzeit in Gänze die dringend erforderliche Planungssicherheit seitens der Politik.

Wegfall des KsNI-Förderprogramms

Der Plan für Nachhaltigkeitsprogramme seitens der Politik war in der Vergangenheit vorhanden. Leider hat es bei der Umsetzung in die Praxis erheblich gemangelt. Ein Beispiel dafür ist das Förderprogramm für Klimaschonende Nutzfahrzeuge und Infrastruktur (KsNI), in das die Transport- und Logistikbranche in den vergangenen Jahren große Hoffnungen gesetzt hatte. Bei einer Übernahme von 80 Prozent der Mehrkosten von klimaschonenden Antriebstechnologien konnten Unternehmen die Umstellung des Fuhrparks und die damit verbundenen Mehrkosten seriös planen. Die Umsetzung stellte sich dann jedoch anders dar.

Zunächst kamen die Förderaufrufe nicht entsprechend den Ankündigungen und aus vier angekündigten Aufrufen im Jahr wurden in der Realität einer im Jahr. Nach dem entsprechenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist das Förderprogramm nun ausgesetzt oder eingestellt. Was jetzt gebraucht wird sind verlässliche politische Rahmenbedingungen, an denen alle Beteiligten ihre jeweilige Nachhaltigkeitsstrategie ausrichten und entwickeln können. Die Zeiten von politischen Heftpflastern, welche geklebt wurden, um idealerweise eine Legislaturperiode zu halten, müssen vorbei sein. Der Weg in die Zukunft muss durch stabile und verlässliche politische Leitplanken flankiert werden und darf nicht mehr durch eine Verbotskultur geprägt werden.

Keine Mehrkosten bei den Nutzern

Der Transport von Gütern ist der größte Verursacher von CO2-Emissionen in der Transport- und Logistik-Branche und somit auch der wichtigste Stellhebel bei der Reduktion. Seitens der EU gibt es mit der sogenannten „Clean Vehicle Directive“ die Vorgaben an die Nutzfahrzeughersteller, wie sich die Flottenemissionen ab dem Jahr 2025 entwickeln soll. In der ersten Fassung der EU-Verordnung war vorgeschrieben, dass Lkw-OEMs (Orginial Equipment Manufacturers) ihre CO2-Emissionen ab dem Jahr 2025 um 15 Prozent unter das Niveau von 2019 senken müssen und ab dem Jahr 2030 um 30 Prozent. Mit der Neufassung aus Anfang 2024 wurde das Ziel für 2030 auf 45 Prozent angehoben, ab 2035 müssen es dann 65 Prozent sein.

Für die Nutzfahrzeughersteller führt der Weg zur Zielerreichung eindeutig über die Nullemissionsfahrzeuge. Diese sind laut der neusten Fassung der Verordnung alle, die maximal drei Gramm Kohlendioxid pro Tonnenkilometer emittieren. Die Hersteller können diesen Wert mit Elektromotoren erreichen, die über Batterien oder Brennstoffzellen betrieben werden. Aber auch Wasserstoff-Verbrennungsmotoren könnten in diesen Bereich fallen. Die wichtigste Frage der Anwender von Nutzfahrzeugen wird erst in den kommenden Jahren beantwortet werden. Wie werden sich die Malus-Zahlungen bei Nichterreichung der EU-Ziele auf die Nutzer auswirken? Eine zusätzliche Kostenbelastung kann die Branche absolut nicht mehr verkraften.

Die vergangene Fachmesse IAA Transportation in Hannover hat eindeutig gezeigt, dass die Entwicklung batterieelektrischer Nutzfahrzeuge die Serienreife erreicht hat. Es gibt bereits eine Vielzahl von Praxisanwendungen, in denen batterieelektrische Lkw täglich im Einsatz sind. Der Proof of Concept ist somit im täglichen Einsatz in den ersten Pilotanwendungen gelungen. Neben sehr erfolgreichen Einsatzgebieten im Nah-, Regional- und End-to-End-Verkehr hat die Anwendung im schweren Langstreckenverkehr erstmals mit dem eActros 600 begonnen.

Bei den ersten Erfolgen der batterieelektrischen Anwendungen zeigt sich aber auch, dass es noch deutlichen Verbesserungsbedarf in der Infrastruktur gibt. Die Tatsache, dass es in Deutschland seit Jahren nicht genügend Lkw-Parkplätze gibt, unterstreicht die Herausforderungen beim Errichten öffentlicher Ladeinfrastruktur für Lkw an den Autobahnen. Hinzu kommt die Situation, dass die vorhandenen Parkplätze nicht gerade in den Bereichen von perfekt ausgebauter Stromnetzwerk-Infrastruktur liegen. Der Blick von diesen Parkplätzen auf die oftmals in mehreren Kilometern entfernten Hochspannungsmasten verdeutlicht die bevorstehende Mammutaufgabe bei der Erschließung entlang der Autobahnen.

Auf allen IAA-Ständen der europäischen OEMs von schweren Nutzfahrzeugen spielte daher auch der Einsatz von Wasserstoff eine Rolle. Ob der Use-Case für Wasserstoff in der Brennstoffzelle, dem Wasserstoffverbrennungsmotor oder einem Range Extender für batterieelektrische Fahrzeugkonzepte liegt, unterscheidet sich von Hersteller zu Hersteller. Allerdings sind sich alle Hersteller darüber einig, dass in den nächsten Jahren ausschließlich Fahrzeugkonzepte weiterentwickelt werden, wenn diese eindeutig in die Clean Vehicle Directive der EU fallen und somit Malus-Zahlungen der Flotten-Emissionsziele verhindert werden können.

Rückkehr zur Technologieoffenheit

Die oftmals kontrovers diskutierte Technologieoffenheit muss den negativen Touch in der politischen Diskussion verlieren. Es ist ein Irrglaube, dass wie in der Vergangenheit mit nur einer einzigen Technologieform sämtliche Formen der Mobilität auf der Straße dargestellt werden können. Für eine Vielzahl von unterschiedlichen logistischen Anwendungen wird es zukünfig unterschiedliche alternative Antriebskonzepte geben müssen. Welche Technologie für welchen Anwendungsfall die beste Lösung sein wird, wird die ideale Kombination aus hoher Praxistauglichkeit bei optimalen Kosten zeigen.

Der Wegfall des KsNI-Förderprogrammes ist ein erheblicher Rückschlag bei der Bemühung um nachhaltige Supply Chains gewesen. Die Planungssicherheit von einer staatlichen Kompensation von 80 Prozent der Mehrkosten für alternative Antriebe ermöglichte es in den vergangenen Jahren den Strategieabteilungen der Logistik-Unternehmen, die ersten Schritte in die Nachhaltigkeit zu gehen.

Planungssicherheit für die nächsten fünf Jahre

Der Weg aus dem derzeitigen Dilemma kann nur ein Maßnahmen-Paket sein, welches für fünf Jahre wieder Planungssicherheit für alle Beteiligten bietet. Aufgrund der gesamtpolitischen Situation kann nur ein kompakter, aber verlässlicher Fünf-Punkte-Plan der erste Schritt in die Planungssicherheit sein. Dabei müssen zunächst grundlegende Fragen beantwortet und neue Grundlagen geschaffen werden.

  1. Planungssicherheit für alle Beteiligten. Wie sieht die Verkehrspolitik in den nächsten fünf Jahren aus? Dabei ist zwingend erforderlich, dass die zukünftig festgelegten Meilensteine auch in der kommenden Legislaturperiode weiter umsetzbar sein müssen. Die offenen Themen dürfen nicht bis zur Wahl ausgesessen werden.

  2. Schaffung von Preisstabilität für die Logistikbranche. Es geht primär nicht um einen Ruf nach neuen Förderungen, sondern um Preisstabilität und vor allem eine Kostendegression für alternative Antriebe. Die Branche hat in der vergangenen Zeit erhebliche Mehrkosten der Mauterhöhung getragen, eine Art der Kompensation ist dringend erforderlich.

  3. Kleine Schritte statt zum Scheitern verurteilte Mammutprojekte. Die Branche braucht kurzfristige, schnell umsetzbare Maßnahmen. Neue über Jahre entwickelte Programme verlangsamen den Weg in die Nachhaltigkeit. Kurzfristige, aufeinander folgende und abgestimmte Programme helfen bei der Umsetzungsgeschwindigkeit.

  4. Politische Rückkehr zur Technologie-Offenheit: Bei der künftigen Diskussion müssen mehrere Technologien betrachtet und die Praxisvorteile von Wasserstoff berücksichtigt werden. Andere Länder in Europa machen es gerade vor.

  5. Errichtung einer aus der Praxis geprägten Nachhaltigkeitskommission im Bundesverkehrsministerium. Die wichtigen Zukunftsfragen müssen gemeinsam mit allen Beteiligten diskutiert werden. Praxiserfahrung wird bei der Umsetzbarkeit der Planungsschritte helfen. Alle Gruppen müssen vertreten sein: Logistiker, Verlader, OEMs, aber auch Infrastrukturbetreiber für verschiedene Technologien.

Kay Simon ist selbstständiger Consultant und Gründer von Createyourfuture

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