Bild: Bentheimer Eisenbahn AG

„Wir brauchen mehr Vernetzungspunkte zwischen Schiene und Straße“

16.04.2025

Die DVZ hat in einer Umfrage untersucht, wie sich die Dokumentation von Treibhausgasemissionen auf die Geschäftsprozesse von Transport- und Logistikunternehmen auswirkt. Joachim Berends, Vorstand der Bentheimer Eisenbahn AG, sieht ein wachsendes Marktinteresse an Nachhaltigkeitsbestrebungen im Schienenverkehr.

Herr Berends, In welchem Maß sind Kunden bereit, Mehrkosten für klimafreundliche Transportoptionen zu tragen?

Joachim Berends: Gerade in der heutigen Zeit, in der die gesamte deutsche Wirtschaft unter einem enormen Kostendruck steht, sind Mehrkosten im Transport für klimafreundliche Transportoptionen nur schwer vermittelbar.

Welche Rolle spielen klimafreundliche Transporte bei Ausschreibungen?

Im Rahmen von Ausschreibungen spielen klimafreundliche Transporte dann eine Rolle, wenn sie preislich keine Mehrkosten verursachen, dem Auftraggeber aber im Rahmen seiner Nachhaltigkeitsverpflichtungen entsprechende Zusatznutzen bieten.

Inwiefern profitiert Ihr Geschäft von der Pflicht, Treibhausgasemissionen zu dokumentieren?

Das Thema Nachhaltigkeit und Nachhaltigkeitsbilanzierung sowie die Einbeziehung des Verkehrssektors in den CO₂-Zertifikatehandel üben einen zunehmenden Druck auf den gesamten Wirtschaftssektor aus. Daher ist es wichtig, dass sich die Unternehmen Gedanken darüber machen, wie sie ihre Nachhaltigkeit weiter verbessern können, aber die Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit des jeweiligen Unternehmens darf dadurch nicht nachhaltig beeinträchtigt werden. Es stellt sich also immer die Frage, inwieweit die gesamte Branche gleichermaßen betroffen ist und wie ich heute und in Zukunft eine mindestens gleichwertige Wettbewerbsposition schaffe. Ein Beispiel sind die Futtermitteltransporte. Hier geht es im Wettbewerb um Centbeträge pro Kilo Futtermittel. Wenn durch die CO₂-Abgabe auf fossile Kraftstoffe ein Wettbewerber einen Vorteil dadurch erlangt, dass er die in diesem Zusammenhang günstigere Schiene nutzt und damit seinen Wettbewerbspreis pro Kilo niedriger halten kann als sein Wettbewerber, der weiterhin alle Lieferungen über die Straße laufen lässt und damit zunehmend durch den CO₂-Aufschlag belastet wird.

Bekommen Sie die Kosten für die Dokumentation der Treibhausgasemissionen, also etwa Personalaufwand und Software, ersetzt? Falls ja: In welchem Umfang?

Es ist eine Investition in die Zukunft. Wir gehen aber davon aus, dass mit zunehmendem Wettbewerbsdruck die heute hier getätigten Investitionen in der Zukunft wieder erwirtschaftet werden können.

Wie groß ist der personelle und finanzielle Mehraufwand in Euro oder in Mitarbeitern pro Jahr für die Nachhaltigkeitsberichterstattung in Ihrem Unternehmen?

Wir rechnen in unseren Unternehmen mit einer Bilanzsumme von 75 Millionen Euro mit einem finanziellen Mehraufwand in Höhe von insgesamt 100.000 Euro.

Haben Sie bereits Aufträge aufgrund ihrer Nachhaltigkeitsbemühungen gewonnen?

Es konnten Aufträge im Bereich der Futtermitteltransporte, aber auch im Bereich der Lebensmitteltransporte für den Endverbraucher gewonnen werden. Noch sind es nur vereinzelt zusätzliche Aufträge, die aufgrund unserer Nachhaltigkeitsbemühungen gewonnen werden können, aber wir spüren im Markt ein größeres Interesse an Nachhaltigkeitsbemühungen im Zusammenhang mit Transporten auf dem Verkehrsträger Schiene.

Wie relevant ist die Nachhaltigkeit bei der Auftragsvergabe?

Die Nachhaltigkeit im Rahmen der Auftragsvergabe ist in der Form relevant, da sie von den Auftraggebern auch im Rahmen ihrer Öffentlichkeitsstrategie stark genutzt wird.

Für welche Branche stiften nachhaltige Angebote einen Mehrwert?

Gerade im Bereich des Consumer-Transports, also dem direkten Weg des Produktes über den Einzelhandel zum Kunden, bringen nachhaltige Angebote hier einen Mehrwert, weil die Endverbraucher spürbar mehr Verantwortung für nachhaltiges Wirtschaften auch im privaten Haushalt übernehmen. Des Weiteren betrifft es die Vorprodukte, hier insbesondere den gesamten Bereich der Nahrungs- und Futtermittelindustrie, sowie den Bereich der verarbeitenden Industrie, hier insbesondere den Bereich der Stahlindustrie. Auch im Bereich der chemischen Industrie spüren wir ein starkes Wachstum durch die gestiegenen Nachhaltigkeitsanforderungen.

Wo können Sie mit nachhaltigen Angeboten einen Wettbewerbsvorteil erzielen?

Wir könnten mit nachhaltigen Angeboten einen Wettbewerbsvorteil erzielen, wenn die Schieneninfrastruktur nicht durch immer höhere Kostenbelastungen durch Maßnahmen Dritter künstlich verteuert würde. Zudem könnten wir mit nachhaltigen Angeboten einen Wettbewerbsvorteil erzielen, wenn auch die Qualität der Schieneninfrastruktur deutlich besser wäre. Die ausbleibenden Zuwächse im nachhaltigen Schienenverkehr sind fast ausschließlich auf die explosionsartige Preisentwicklung bei gleichzeitiger Verschlechterung der Infrastrukturqualität zurückzuführen.

Welche grundlegenden Erkenntnisse haben Sie bei der doppelten Wesentlichkeitsanalyse gewonnen?

Mit der doppelten Wesentlichkeitsanalyse können wir relativ einfach aufzeigen, welche zentralen Nachhaltigkeitsaspekte bei uns relativ einfach zu steuern und umzusetzen sind. Die doppelte Wesentlichkeitsanalyse hat in unseren Bereichen aufgezeigt, welche Themen und Handlungsfelder sowohl für unser Unternehmen als auch für unsere Kunden am relevantesten sind und hilft uns im Tagesgeschäft, Lösungen für besonders drängende Probleme in den Fokus zu rücken. So stellt sich für uns die Frage, wie wir durch den Einsatz alternativer, umweltfreundlicherer Kraftstoffe eine schnellere und nachhaltigere Umweltbilanz erreichen können, wie wir in diesem Zusammenhang die gesellschaftliche Akzeptanz unserer Unternehmensgruppe weiter erhöhen können, wie wir die Verhaltensmuster unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Sinne einer positiven Umweltpolitik positiv beeinflussen können, was das Unternehmen dafür relativ schnell tun kann. Die vollständige Umstellung des Strombezugs auf 100 Prozent Ökostrom, die Erzeugung von Strom durch den Einsatz von Photovoltaikanlagen zur Deckung des wesentlichen Strombedarfs unserer Unternehmensgruppe, aber auch der Einsatz klimafreundlicher Fahrzeuge sowohl im öffentlichen Personennahverkehr als auch im Speditionsbereich sind weitere kurzfristig umsetzbare Maßnahmen, da die Bentheimer Eisenbahn die dafür notwendige Versorgungsinfrastruktur zur Betankung von E-Fahrzeugen bereits vollständig aufgebaut und investiert hat.

Welche Impulse zur Entwicklung neuer Geschäftsmodelle haben Sie durch die CSRD und die doppelte Wesentlichkeitsanalyse erhalten?

Wir brauchen mehr Verknüpfungspunkte zwischen Schiene und Straße. Diese müssen regional so angelegt sein, dass sowohl der Vor- als auch der Nachlauf auf der Straße heute und in Zukunft klimaneutral etwa mit E-Lkw erfolgen kann und in diesem Zusammenhang auch der Schienentransport durchgängig klimaneutral erfolgen kann. Dann haben wir einen weiteren großen Wettbewerbsvorteil, indem wir nicht mit Aufschlägen für den Einsatz klimaschädlicher Kraftstoffe belastet werden. Dazu gehören im Übrigen auch die eingesetzten Umschlaggeräte und in diesem Zusammenhang die gesamte Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens, die so weit geht, dass auch der Arbeitsweg des jeweiligen Mitarbeiters im Rahmen der Nachhaltigkeitsbilanz bewertet wird. Hier ist unser Verständnis, alle Prozesse im Unternehmen so zu beeinflussen, dass klimaschädliches Verhalten weiter minimiert wird und damit das Unternehmen insgesamt nachhaltiger wirtschaften kann, als es der Wettbewerb derzeit vielleicht kann.

Was würden Sie an der aktuellen Klimaschutzgesetzgebung für Ihren Geschäftsbereich verändern und warum?

Ich persönlich würde im Rahmen des zertifizierten Energiemanagementsystems die Verpflichtung für den Verkehrssektor herausnehmen und es politisch den Unternehmen überlassen, ob sie ein Energiemanagement anwenden und hier über den Marktpreis entsprechend wirken, so dass alle Unternehmen gezwungen sind, sich immer intensiver mit ihrem Energieverbrauch zu beschäftigen, weil die Preisbelastung der fossilen Brennstoffe damit weiter steigt und ein unternehmerisches Eigeninteresse besteht, hier eigenverantwortlich zu handeln. Hierzu bedarf es aus meiner Sicht keiner weiteren Zertifizierung oder Gängelung von außen, die Kostenreduktion im Unternehmen ist eine unternehmerische Selbstverständlichkeit im Rahmen seines marktwirtschaftlichen Handelns.

Die Nachhaltigkeitsberichterstattung entwickelt sich für viele Transport und Logistikunternehmen personell und finanziell zu einer großen Belastung. Andererseits entsteht dadurch auch die Chance, neue, klimafreundliche Geschäftsmodelle zu entwickeln und sich gegenüber Kunden sowie Partnern als grüner Dienstleister zu positionieren. Insbesondere für mittelständische Logistiker bedeuten die Anforderungen der Nachhaltigkeit neben Chancen aber auch Risiken. Ihre Herangehensweisen unterscheiden sich teilweise deutlich voneinander. In einer Umfrage hat die DVZ deshalb untersucht, wie sich die Dokumentation von Treibhausgasemissionen auf die Geschäftsprozesse von Transport und Logistikunternehmen auswirkt und welche Wettbewerbsvorteile nachhaltige Angebote bieten können. Hier geht's zu den Umfrage-Ergebnissen

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