Die EU-Kommission hat zur Diskussion gestellt, dass Unternehmen wie Amazon einen Anteil emissionsfreier Lieferwagen haben sollen.

Bild: Imago / Jürgen Schwarz

EU-Kommission erwägt Mindestquoten für Null-Emissions-Fahrzeuge

14.08.2024

Die EU-Kommission denkt darüber nach, ob ein verpflichtender Anteil von klimafreundlichen Lkw, Lieferwagen und Pkw in Unternehmensflotten die Verkehrswende entscheidend voranbringen könnte. Bis zum nächsten Frühsommer will sie sich dazu eine Meinung bilden.

Es könnte die nächste Verpflichtung werden, die in der EU beschlossen wird, um den Straßenverkehr klimaverträglicher zu machen: Nach Verabschiedung der CO2-Flottengrenzwerte, die von den Kfz-Herstellern einzuhalten sind, denkt die EU-Kommission darüber nach, ob sie vorschlagen soll, einen Mindestanteil von Null-Emissions-Fahrzeugen in den Flotten von Unternehmen vorzuschreiben. Betroffen wären Betreiber von Lkw-, Bus- und Lieferwagenflotten ebenso wie Autovermieter und Leasingunternehmen.

Noch sind die Überlegungen in einem frühen Stadium. Bis zum 8. Juli hat die EU-Kommission in einer öffentlichen Konsultation Meinungen eingeholt. 268 Teilnehmer haben den Fragebogen ausgefüllt. Die Auswertung der Antworten läuft und soll im Herbst abgeschlossen sein.

Wissen wollte die Kommission unter anderem, ob ein Mindestanteil von Null-Emissions-Fahrzeugen in kommerziellen Flotten dazu beitragen kann, dass sich Elektro- und Wasserstofffahrzeuge schneller am Markt durchsetzen. Auch die möglichen Auswirkungen auf die Treibhausgasbilanz, die Fahrzeugpreise, die Entstehung eines Gebrauchtwagenmarktes und die öffentliche Akzeptanz wurden abgefragt.

Als Varianten zu einem generellen verpflichtenden Mindestanteil von Null-Emissions-Fahrzeugen bringt die Kommission einen Mindestanteil bei Neukäufen oder die Kopplung einer Mindestquote an finanzielle Vorteile oder an die Zulassung zum Transportmarkt ins Spiel.

Fahrzeuge in Unternehmensbesitz legten viele Kilometer zurück und würden häufig ausgetauscht, lautet die Begründung für die Überlegungen. Vorgaben für die Flotten könnten daher den Übergang zu emissionsloser Mobilität eventuell beschleunigen. Geplant ist derzeit, dass die Kommission den EU-Mitgliedsstaaten im zweiten Quartal 2025 Empfehlungen zu dem Thema gibt. Von einem Gesetzesvorschlag ist derzeit nicht die Rede.

Der Weltverband der Straßentransporteure IRU und der europäische Spediteursverband CLECAT sind dennoch alarmiert. Sie warnen vor der Einführung verbindlicher Mindestquoten. Das verletze die Grundrechte auf Eigentum und freie unternehmerische Entscheidung, argumentiert die International Road Transport Union (IRU). Müssten Unternehmen Lkw kaufen, die nicht zu ihnen passen und deutlich teurer sind als konventionelle Lkw, könne sie das in wirtschaftliche Schwierigkeiten bringen, schreibt der Verband und verweist auf „rasiermesserdünne“ Margen in der Branche.

„Firmen könnten versucht sein, weniger Fahrzeuge auszutauschen oder Neuanschaffungen aufzuschieben.“ – CLECAT, europäischer Spediteursverband

Im Januar hat die IRU die EU-Staaten in einem Brief aufgefordert, sich gegen Quotenvorgaben zu stellen. Das Europäische Parlament wollte damals in der CO2-Grenzwerteverordnung für schwere Nutzfahrzeuge die Aufforderung an die Kommission verankern, einen entsprechenden Gesetzesvorschlag zu machen. Damit setzte sich das EP aber gegen die Mitgliedsstaaten nicht durch.

Die CLECAT verweist wie die IRU auf die schmalen Margen in der Branche und fordert die Entwicklung „innovativer Fördermechanismen wie Zuschüsse, Kreditgarantien, gemeinschaftliche Einkäufe oder neue Leasingmodelle“. Auf diesem Weg müssten die Probleme der „deutlich höheren“ Kosten von Null-Emissions-Fahrzeugen und der „erheblichen Investitionskosten für den Bau privater Ladesäulen“ angepackt werden.

Mindestquoten für Null-Emissions-Fahrzeuge könnten die Dekarbonisierung im Straßengüterverkehr sogar bremsen. „Die Fahrzeugpreise sinken vielleicht nicht wegen einer künstlich überhöhten Nachfrage, und Unternehmen könnten versucht sein, weniger Fahrzeuge ihrer Flotte auszutauschen oder Neuanschaffungen aufzuschieben“, argumentiert der europäische Spediteursverband. Er empfiehlt, Null-Emissions-Fahrzeuge durch die Befreiung von der Lkw-Maut oder zumindest durch Mautrabatte attraktiver zu machen. Der Staat dürfe dieses Geld aber nicht durch Mautaufschläge für andere Fahrzeugklassen wieder hereinholen, fordert die CLECAT.

Leaseurope, ein Verband von Autovermietern und Leasingfirmen, spricht sich ebenfalls dafür aus, die Dekarbonisierung auf der Straße durch Förderprogramme statt durch Mindestquoten voranzutreiben, und warnt vor „ideologiegetriebener“ Regulierung.

Die europäische Umweltorganisation Transport & Environment (T&E) dagegen plädiert für einen EU-Gesetzesvorschlag zur Einführung von Mindestquoten. Dieser solle die Betreiber der „größten Fahrzeugflotten“ verpflichten, zum Beispiel bis 2040 ihren Anteil an Null-Emissions-Lkw auf 90 Prozent zu steigern. T&E möchte zudem Spediteure und Verlader mit Jahresumsätzen von über 50 Millionen Euro in die Pflicht genommen sehen, die Transportunternehmen bei der Flottenerneuerung zu unterstützen.

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