Die gute Nachricht hatte sich Tobias Bohnhoff für die vorletzte Folie seines Vortrages zur Nachhaltigkeitsrichtlinie CSRD beim 4. Sustainability Day der DVZ aufgehoben. „Spezialrolle für Forwarder: Scope 3 als neues Geschäftsfeld“, postulierte der Mitgründer und Geschäftsführer des Emissionsdatenanbieters Shipzero vergangenen Mittwoch in Frankfurt. Die Botschaft dahinter: Der Aufwand, den viele Logistikunternehmen betreiben müssen, um die Anforderungen der Corporate Sustainability Reporting Directive zu erfüllen, kann sich auszahlen. Im wahrsten Sinne des Wortes.
„Wer künftig über den eigenen Tellerrand hinausschaut und sich einen guten Datenpool aufbaut, hat die Chance, darauf basierende Mehrwertleistungen anzubieten“, sagte er. Soll heißen: Logistiker, die nicht nur die eigenen Emissionen, sondern auch jene entlang der Lieferkette im Blick haben und erfassen, können daraus ein Geschäft machen. Ähnlich könnte es sich auch mit den umfangreichen Informationen verhalten, die im Rahmen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG)von Logistikern beigebracht werden müssen, denn: „Es gibt erste Anfragen von Kunden, die bestimmte Erkenntnisse aus unseren Daten ziehen möchten“, sagte Yvonne Bonventre. Die Nachhaltigkeitschefin von BLG Logistics referierte gemeinsam mit der KPMG-Beraterin Katharina Ley zu den Anforderungen aus dem LkSG.
Zwar handelt es sich noch um Einzelfälle. In der Regel ist eher zu hören, dass die Zahlungsbereitschaft der Verladerschaft für eine nachhaltige Logistik wenig ausgeprägt sei. Aber der Tenor des Sustainability Days ging durchaus in die Richtung, die Regulatorik aus Brüssel und Berlin nicht nur als Bürde, sondern auch als Chance zu sehen. Und sei es, um das eigene Unternehmen in Summe leistungsfähiger zu machen.
Neue Faktoren für die Investitionsrechnung
So unterstrichen Lutz Fricke, Nachhaltigkeitschef bei Mosolf, und Helen Tacke, Gründerin und Geschäftsführerin von Cozero, die große Bedeutung, die eine CO₂-Bilanzierung künftig aus ihrer Sicht für die Unternehmenssteuerung haben wird. Tacke zufolge wird es mit der ROCI künftig sogar eine neue Erfolgskennzahl geben. Dieser Return on Climate Investment werde den ROI, also den Return on Investment, als zentrale Steuerungsgröße bei Investitionsentscheidungen zumindest ergänzen. Emissionsdaten würden künftig herangezogen, um immer komplexere Managemententscheidungen zu stützen, fasste es Stephanie Hackenholt, Business Manager Environment bei Lufthansa Industry Solutions, etwas allgemeiner zusammen.
Wichtig sei ferner die Kundenseite, so Tacke. So sei eine gute CO₂-Bilanz in Zukunft ein wichtiges Asset, mit dem ein Dienstleister bei Ausschreibungen von Kunden punkten könne. Und auf der anderen Seite würden Logistiker Geschäft verlieren, „wenn sie ihre CO₂-Performance nicht nachweisen können“.
Ähnlich sieht es auch Frank Huster. Die entsprechenden Nachweise nach LkSG, CSRD und Co. beibringen zu können, werde zur „Licence to operate“, so der Hauptgeschäftsführer des Speditionsverbandes DSLV. Betroffen sind demnach auch kleinere Anbieter, die nicht direkt in den Geltungsbereich der Regularien fallen. „Auch sie müssen Daten an ihre Aufraggeber liefern.“ Hinderlich sei dabei, dass es kein zentrales Register gebe, auf das Behörden wie das beim LkSG federführende Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) zugreifen können.
Doch welche Strukturen und Prozesse braucht es in den Unternehmen, um CSRD- und LkSG-konform zu sein und die Emissionen sauber nachweisen zu können? In größeren gebe es häufig und idealerweise eine Stabsstelle für Nachhaltigkeitsthemen, die direkt an der Geschäftsführung aufgehängt ist. So wie bei BLG Logistics, wo Yvonne Bonventre mit ihrem sechsköpfigen Team direkt an den Finanzvorstand berichtet. Bei den Bremern ist dabei noch ein Sustainability Board als Entscheidungsvorbereitungsgremium für den Vorstand zwischengeschaltet.
Vom LkSG, für das BLG Logistics gemeinsam mit KPMG ein Risikomanagement aufgesetzt hat, sind viele Unternehmensbereiche betroffen – etwa der Einkauf, das Personalwesen sowie diverse operative Abteilungen. „Es war wichtig, die Verantwortlichkeiten genau zu klären, da ein solches Projekt viele Ressourcen bindet“, betonte KPMG-Beraterin Ley. „Unsere Aufgabe als Fachabteilung war es dabei nicht zuletzt, immer wieder den Mehrwert für das Unternehmen herauszustellen. Sonst hätten wir die anderen Bereiche womöglich irgendwann verloren“, so Bonventre.
Eine weitere Herausforderung sei es gewesen, die Lieferanten dazu zu bewegen, die notwendigen Informationen bezüglich der Wahrung der Menschenrechte entlang der Supply Chain beizusteuern. Die BLG hat sich dabei zunächst auf die Lieferanten konzentriert, die das Unternehmen selbst steuert. Zudem wurde der eigene Code of Conduct verpflichtend gemacht. Wichtig sei es ferner gewesen, sich den Umgang mit Leiharbeitern genau anzusehen. In der Branche kommen diese häufig in der Kontraktlogistik auf Basis von Werkverträgen zum Einsatz.
15.000 Unternehmen sind hierzulande von CSRD direkt betroffen, indirekt 150.000.
(Quelle: Stephanie Hackenholt, Lufthansa Industry Solutions)
Daten müssen zentral erfasst werden
Den Aufbau eines CSRD-Managements wiederum skizzierte Shipzero-Manager Bohnhoff. Zunächst gehe es darum zu entscheiden, ob man dies selbst übernehme oder die Aufgabe auslagere. Seine Einschätzung: Unternehmen könnten sich nicht komplett rausziehen. Es sei aber sinnvoll, sich bei der Kalkulation der Emissionen helfen zu lassen. Ferner stelle sich die Frage, ob die entsprechende Organisationsstruktur zentral oder dezentral sein solle. Bei der Datenerfassung gibt es laut Bohnhoff keine zwei Meinungen: „Diese muss man zentralisieren, um deren Erfassung standardisieren und global steuern zu können.“ Schwierig sei es allerdings, Nachhaltigkeitsinitiativen zur Reduktion von Emissionen aus der Unternehmenszentrale vorzugeben. „Das braucht es eher eine Graswurzelbewegung“, so Bohnhoff.