Gebr. Heinemann ist ein Gigant im Reiseeinzelhandel. Das Hamburger Familienunternehmen betreibt oder beliefert Shops an 123 Flughäfen und 228 Grenzübergängen rund um den Globus sowie auf 240 Fähren und Kreuzfahrtschiffen. Außerdem erhalten 51 Fluggesellschaften Waren. Dahinter steht ein umfangreiches Logistiknetz: Bis zu 700.000 Verkaufseinheiten werden pro Tag in den beiden konzerneigenen Logistikzentren in Hamburg Allermöhe und Erlensee bei Frankfurt kommissioniert und auf die Reise geschickt. Ein Gigant, wie gesagt, der aber auch hohe CO2-Emissionen verursacht. Pro Jahr 8.257 Tonnen, um genau zu sein.
Dabei ist es im Flugverkehr besonders schwierig, die Emissionen zu senken. Schließlich verursacht dieser bezogen auf den einzelnen Reisenden mit Abstand die höchsten Emissionen. Und gerade der Flugverkehr ist das Kerngeschäft des 7.350 Mitarbeiter starken Unternehmens. Dabei fliegt Gebr. Heinemann selbst seine Waren nur in Ausnahmefällen durch die Welt. „Alles andere wäre auch viel zu teuer“, sagt Erik Petruschke, Teamleiter im Projektmanagement für die Lieferkette. Und dennoch hat die Supply Chain für die Emissionsbilanz des Unternehmens mit 62 Prozent Anteil eine überragende Bedeutung. 80 Prozent davon wiederum entfallen auf den Transport – vor allem per Lkw.
Vor diesem Hintergrund hat sich Gebr. Heinemann vorgenommen, seinen Kohlendioxidausstoß in diesem Jahr gegenüber 2019 – als das Geschäft und damit auch die Emissionen boomten – um 15 Prozent zu reduzieren. Im kommenden Jahr sollen es 30 Prozent weniger sein. Und für 2030 lautet der Plan, so nahe wie möglich an die Klimaneutralität heranzukommen, erläutert Inken Callsen, die als Vice President Global Supply Chain die Logistik verantwortet. Um diese Ziele zu erreichen, müssen folglich die Emissionen in diesem Bereich stark reduziert werden.
Scope 2 und 3 sind entscheidend
Das Team rund um Callsen und Petruschke hat daher bereits in den vergangenen beiden Jahren damit begonnen, entsprechende Reduktionsmaßnahmen umzusetzen. „Unsere Logistikzentren werden beispielsweise schon seit 2021 komplett mit grünem Strom versorgt“, sagt Petruschke. Doch das allein werde nicht reichen, um auch nur in die Nähe von Netto Null zu kommen. Schließlich stehen diese direkten (Scope 1) konzernweit nur für rund ein Viertel aller Emissionen, alle anderen sind indirekte und externe (Scope 2 und 3). Und in der Logistik beträgt das Verhältnis sogar 20 zu 80. Gebr. Heinemann muss daher auch die vom Unternehmen beauftragten Logistikdienstleister mit ins Boot holen.
Den Auftakt für eine gemeinsame Nachhaltigkeitsreise mit seinen Spediteuren hat das Logistikteam im April bei einem Workshop gemacht, bei dem auch Nutzfahrzeughersteller und Start-ups mit von der Partie waren. Eingeladen waren die 13 größten Lkw-Spediteure, die wiederum mit einer deutlich im dreistelligen Bereich liegenden Anzahl an Subunternehmern zusammenarbeiten. Ziel war es, die Dienstleister auf den gemeinsamen Weg einzuschwören, den Austausch zu fördern und Kooperations- sowie Reduktionsmöglichkeiten aufzuzeigen. Dazu kann beispielsweise auch die gemeinsame Beschaffung von sauberen Lkw gehören. „Auch der Trailer mit E-Achse stieß auf großes Interesse“, sagt Petruschke.
Zugleich ging es darum, den Partnern reinen Wein einzuschenken. Wer mitzieht, kann beispielsweise auf längere Vertragslaufzeiten oder relationsbezogen auch mal auf eine höhere Rate hoffen. „Wir haben ihnen aber auch klar kommuniziert, welche Anstrengungen wir von ihnen erwarten, wenn sie künftig für uns arbeiten möchten“, unterstreicht Callsen. „Und wir haben deutlich gemacht, dass wir weiterhin stark auf die Kosten achten müssen.“ Nachhaltigkeit hin oder her, die Bäume wachsen nach zwei desaströsen Corona-Jahren und trotz eines deutlich verbesserten Geschäftsjahres 2022 bei Gebr. Heinemann nicht in den Himmel.
Basierend auf diesen Parametern hat das Supply-Chain-Team mit jedem der geladenen Logistikdienstleister jährliche Roadmaps festgelegt. Sie beinhalten konkrete Maßnahmen und Pilotvorhaben mit Zielterminen, um die Effekte auf die CO2-Bilanz sowie das Gesamtreduktionsziel bis 2030 transparent nachhalten zu können. Am 30. Juni müssen die Unternehmen eine erste Roadmap präsentieren.
Logistiknetz wird eventuell umgebaut
Doch auch dies wird aller Voraussicht nach nicht reichen, damit Gebr. Heinemann möglichst nah an die Klimaneutralität herankommt. Deshalb erwägt das Unternehmen, sein bisher auf den beiden genannten Zentrallägern basierendes Logistiknetz umzustellen. „Eine Überlegung ist, künftig stärker auf regionale Hubs zu setzen, beispielsweise an großen Flughäfen“, sagt Callsen. So ließen sich die Transportdistanzen verkürzen und folglich die Emissionen senken.
Einen ersten entsprechenden Versuch gibt es bereits in Norwegen. Dort hat das Unternehmen im vergangenen November nahe Oslo ein Regionallager eröffnet, wodurch pro Jahr 300.000 Transportkilometer zwischen Deutschland und Norwegen und damit 570 Tonnen CO2-Ausstoß wegfallen werden. Eigentlich ermutigende Zahlen und dennoch sei längst nicht ausgemacht, dass weitere Regionalhubs folgen, denn so Callsen: „Dies ist eine komplexe Entscheidung, wäre es doch eine neue und mutige Neuausrichtung unserer Supply-Chain-Strategie gegenüber unserem bisherigen Ansatz, die Sendungen möglichst stark an unseren beiden Zentral-Hubs zu konsolidieren.“ Sollte es allerdings so kommen, ergäbe dies wiederum Chancen für Logistikdienstleister – dann nicht im Transport, sondern in der Lagerhaltung.