Nachdem die Karlsruher Verfassungsrichter den Bundeshaushalt gekippt hatten, musste die Ampelkoalition den Rotstift ansetzen – und das bekommt auch der Transportsektor deutlich zu spüren. Mit auf der Streichliste steht das KsNI-Programm, mit dem der Umstieg auf lokal emissionslose Lkw gefördert werden sollte. Zwar fließen die bisher von den Fuhrunternehmen und Speditionen beantragten und genehmigten Mittel noch, aber dann ist vorläufig Schluss mit der Förderung. In der Konsequenz heißt das, dass E-Lkw und Brennstoffzellen-Trucks nun bis auf weiteres zu ihren tatsächlichen Preisen angeschafft werden müssen. Diese Kosten können aber die wenigsten Unternehmen stemmen.
CO₂-arme Alternativen
Das Auslaufen des KsNI-Programms stellt das Transportgewerbe vor eine Herausforderung: Die Akteure müssen nun darüber nachdenken, wie sie die mittlerweile in vielen Ausschreibungen geforderten emissionsarmen Transporte bewerkstelligen können. Eine mögliche (Teil-)Lösung ist die Betankung der konventionellen Diesel-Lkw mit biogenen Kraftstoffen wie HVO100 (Hydrotreated Vegetable Oil), Bio-LNG oder in näherer Zukunft CVO (Cracked Vegetable Oil) oder mit E-Fuels, bei denen CO₂ zusammen mit Wasserstoff zu Diesel umgewandelt wird.
All diesen Kraftstoffalternativen ist gemein, dass sie kaum oder sogar kein zusätzliches CO₂ freisetzen, sondern einen Kreislauf bilden: Das CO₂, das dem Auspuff entweicht, wurde zuvor entweder in der Biomasse gespeichert oder aus der Atmosphäre herausgefiltert.
Problematisch ist jedoch die Tatsache, dass die möglichen Produktionsmengen selbst im günstigsten Fall bei weitem nicht ausreichen, um den Bedarf der Verkehrsträger zu decken. Besonders dramatisch sieht es bei den E-Fuels aus: Hier fehlt es noch an den notwendigen Produktionskapazitäten, also an den Abscheideanlagen für CO₂ und dem für die Herstellung der Kraftstoffe benötigten grünen Wasserstoff. Laut einer Einschätzung der Agora Verkehrswende aus dem August 2023 dürfte die Prdouktion von E-Kerosin mittelfristig gerade mal 2 Prozent des deutschen Bedarfs decken. Nur wenig besser sieht es beim E-Methanol für den Betrieb von Schiffen aus: Hier könnte 2030 weltweit gerade so viel Treibstoff erzeugt werden, dass knapp 3 Prozent des europäischen Verbrauchs von Schiffkraftstoffen substituiert werden könnten.
E-Fuels reichen nicht
Vor diesem Hintergrund sind die politischen Ziele der EU-Kommission auch zurückhaltend formuliert. So soll die E-Kerosin-Quote des europäischen Luftverkehrs bis 2032 bei 3 Prozent liegen, und die Quote für den Schiffsverkehr soll im Jahr 2034 bei diesem Wert landen.
Für den Straßengüterverkehr scheinen E-Fuels auf Sicht aus zwei Gründen keine Alternative zu sein: Auf der einen Seite argumentieren sowohl Reeder- als auch Luftverkehrsverbände, dass ihre Verkehrsträger mangels anderer Antriebsalternativen auf die E-Fuels angewiesen sind, um die Transporte zu dekarbonisieren. Auf der anderen Seite heißt es, der Straßengüterverkehr könne weiter elektrifiziert werden und wäre daher nicht primär auf E-Fuels angewiesen.
Diese Sicht der Dinge stößt beim Verband der Automobilindustrie (VDA) auf Kritik. Laut der Interessenvertretung wird es trotz der begonnenen Elektrifizierung im Segment der schweren Nutzfahrzeuge auch in den Jahren ab 2030 noch eine große Bestandsflotte an Lkw mit Verbrennungsmotor geben. Daher sei es notwendig, die Möglichkeiten der Dekarbonisierung dieser Fahrzeuge durch den Einsatz von Kraftstoffen aus erneuerbaren Quellen stärker als bisher zu berücksichtigen.
HVO-Diesel hat Potenzial
Besonders die fortschrittlichen Biokraftstoffe aus Rest- und Abfallstoffen haben laut dem VDA ein hohes Potenzial, den Netto-Ausstoß an Treibhausgasen zu reduzieren. Zudem werden sie derzeit in einem deutlich höheren Umfang produziert als E-Fuels.
Die wichtigste Alternative zum Dieselkraftstoff ist der HVO-Diesel (Hydrotreated Vegetable Oil), der meist aus Altspeisefetten, Tallöl, einem Nebenprodukt der Zellstoffproduktion, oder Schlachtabfällen gewonnen wird. Dieser Treibstoff kann in beliebiger Zusammensetzung mit konventionellem Diesel gemischt werden, ist aber auch in seiner reinen Form (HVO100) für Lkw-Motoren geeignet, die von den Herstellern dafür freigegeben wurden. In älteren Fahrzeugen, die lediglich für Diesel gemäß der EN 590 freigegeben sind, ist eine HVO-Beimischung von höchstens bis zu 35 Prozent möglich.
Ab dem Frühjahr 2024 soll HVO100 auch an Tankstellen in Deutschland erhältlich sein. Allerdings hat die Praxis in anderen europäischen Ländern gezeigt, dass der Biokraftstoff bisher etwa 18 Cent pro Liter teurer war als der Normaldiesel. Da aber für zertifizierte biogene Kraftstoffe die CO₂-Abgabe in Höhe von 45 Euro pro Tonne entfällt, wird sich die Differenz zum mineralölbasierten Diesel vermutlich um 3 Cent pro Liter verringern.
Allerdings decken die derzeit in Europa produzierten 3,5 Millionen Tonnen HVO den Bedarf im Straßengüterverkehr nicht annähernd. Selbst bei einer Verdopplung oder Verdreifachung der Produktionskapazitäten könnte nur ein Teil der Lkw-Flotten auf den Biokraftstoff umgestellt werden – zumal HVO auch in anderen Segmenten nachgefragt wird.
Neues Produktionsverfahren
Einen deutlichen Fortschritt in der Produktion des Biodiesels dürfte ein Verfahren bringen, das an der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) von Prof. Thomas Willner entwickelt wurde: Bei dem CVO-Verfahren (Cracked Vegetable Oil) werden dieselben Rohstoffe wie bei HVO in einem einfacheren und weniger wartungsintensiven Verfahren wieder zu neuen Kraftstoffen aufbereitet. Der Vorteil dabei ist, dass für das „Cracken“, also das Aufspalten der Molekülketten in einem Reaktor, nur die Hälfte des grünen Wasserstoffs eingesetzt werden muss wie beim HVO-Verfahren. Zudem können über diesen Weg aus einem Rohstoff mehrere Kraftstoffe in einem Prozess erzeugt werden. Neben Biodiesel ist also auch die Produktion von Biokerosin und Biobenzin möglich.
Ob sich diese Vereinfachung auch im Endpreis niederschlagen wird, muss sich zeigen. Derzeit wird die erste größere Anlage mit einer Jahreskapazität von 5.000 Tonnen oder 3,7 Millionen Liter Diesel geplant. Projektpartner ist der Entsorger KBS, der die Anlage mit den vor Ort vorhandenen Abfällen betreiben will. Ist das Projekt erfolgreich, würde Willner über sein Start-up Nexxoil gern weitere, dezentrale Anlagen mit Kapazitäten von bis zu 15.000 Tonnen für andere Partner aufbauen.