Max Reih beschreibt sich als risikoaffinen seriösen Rechner. Seit Dezember verfügt der Chef der Neuburger Brummer Logistik über zwölf batterieelektrische Sattelzugmaschinen mit 500 Kilometern Reichweite. Die Dachser-Tochter, die seit vergangenem Sommer zum Allgäuer Familienkonzern gehört, hatte die Fahrzeuge samt zugehöriger Ladeinfrastruktur mit elf festen und zwei mobilen Ladepunkten noch vor der Übernahme bestellt und dafür einen Zuschuss von fast 4,7 Millionen Euro aus dem Förderprogramm für Klimaschonende Nutzfahrzeuge und Infrastruktur des Bundesverkehrsministeriums erhalten. Nun sammelt der Betrieb mit den Fahrzeugen Daten, die Dachser zur Bewertung der E-Mobilität als Element seiner Klimaschutzstrategie nutzen kann; die Lkw machen derzeit 10 Prozent der weltweiten Elektro-Flotte des Konzerns aus.
Aufgrund seiner Erfahrung der ersten drei Monate mit den E-Lkw prüft Reih in Abstimmung mit der Kemptener Konzernzentrale nun bereits die Beschaffung einer deutlich größeren Anzahl weiterer Sattelzugmaschinen mit Elektroantrieb für den Lebensmittellogistiker. Wie viele es genau werden sollen, diskutierten die Verantwortlichen derzeit noch anhand der Zahlen, lässt er durchblicken. Die Praxisdaten aus über 600 Einsatztagen haben den Brummer-Chef bereits überzeugt. „Ich halte es durchaus für denkbar, dass schon in wenigen Jahren rund die Hälfte unserer 310 Lkw umfassenden Flotte batterieelektrisch fährt“, zeigt er sich zufrieden.
Was sich für viele Fuhrparkbetreiber wie kühner Übermut anhören kann, begründet Reih neben seiner spürbaren Begeisterung auch mit nüchternen Berechnungen. „Der E-Lkw wird in den nächsten fünf Jahren sicher einen Kostenvorteil einfahren – ich kann nur nicht vorhersagen, wie viel die Politik davon übrig lassen wird“, betont Reih im Gespräch mit der DVZ. Derzeit profitieren die Fahrzeuge in Deutschland und Österreich von 30 bis 40 Cent weniger Maut pro Kilometer. Unklar sei momentan allerdings, ob die Befreiung von der Infrastrukturkomponente zum 26. März 2026 in eine 75-prozentige Reduktion verwandelt werde oder doch noch längerfristig gelte.
Kostenvorteile in der Schweiz
Der Geschäftsführer lobt in diesem Zusammenhang die Schweiz, die Lkw ohne CO2-Emissionen bis 2030 von der Leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA) befreit habe. Dort betrage der Kostenvorteil von E-Lkw rund 1 Euro pro Kilometer. „Hier lohnt sich der Einsatz von E-Lkw“, freut er sich. Hinderlich für Brummer sei aber, dass im Grenzgebiet zwischen Österreich und der Schweiz, wo der Dienstleister gerne ein batterieelektrisches Fahrzeug stationieren würde, die Lkw-taugliche Ladeinfrastruktur noch fehle.
In Deutschland und Österreich sei das dagegen mit Lademöglichkeit am eigenen Depot gar kein Problem mehr: „Wir legen aktuell unsere Touren so, dass wir entweder nur auf unserem Gelände laden müssen oder die noch geringen Lademöglichkeiten auf der Route nutzen können.“ Die Akkukapazität der Mercedes-Benz eActros 600 sei für den Einschichtbetrieb in jedem Fall groß genug, und Strom für eine Strecke von 200 Kilometern könne selbst bei einer Ladeleistung von nur 350 Kilowatt in einer Dreiviertelstunde aufgenommen werden.
Allerdings benötigten die Fahrer dafür zusätzliche Zeit, weil sie nach Ladestellen ohne Stromquelle noch einen Umweg in den Ladepark einlegen müssen. „Dadurch sind sie eine Stunde später zurück“, räumt Reih ein – und das gefalle nicht jedem. Zudem müssten die Fahrer unterwegs immer darauf achten, dass die Akkuladung noch genügend Restreichweite erlaube, um die Strecke bis zur E-Tankstelle zu schaffen. Deshalb sei Mitdenken gefragt.
Überzeugende Fahreigenschaften
Die Fahreigenschaften der Stromer überzeugten dagegen vollends. „Unsere elektrischen Sattelzugmaschinen verfügen über ein deutlich höheres Drehmoment als typische Diesel-Lkw“, erklärt der Brummer-Chef. Vor allem starke Steigungen seien so wesentlich leichter zu bewältigen. „Außerdem sind die Fahrzeuge deutlich laufruhiger und verfügen über sehr ansprechend gestaltete Kabinen“, so Reih weiter, deshalb seien sie bei fast allen sehr beliebt. Lediglich ein für den Elektro-Lkw geschulter Fahrer sei wegen der Wartezeit wieder abgesprungen, die ihm eine vorserienbedingte technische Störung beschert hatte.
Die Tücken der Technik sind auch der Hauptgrund dafür, weshalb Reih vorerst lieber noch vorsichtig kalkuliert. „Momentan haben wir bei den zwölf Sattelzugmaschinen noch rund 10 Prozent Ausfallzeiten, und die Werkstattkosten liegen trotz geringerer technischer Komplexität über denen der Diesel-Lkw“, verrät er. Die technischen Störungen seien aber durch Updates zu beheben und wären ohnehin nur aufgetreten, weil die geförderten Fahrzeuge unbedingt noch vor Jahresende ausgeliefert werden mussten. „In der Serienproduktion ist der Fehler bereits beseitigt“, weiß er und räumt ein: „Auf Dauer könnten wir uns eine so hohe Standquote auch nicht leisten.“
Ansonsten geht die Wirtschaftlichkeitsrechnung auf, auch weil Brummer über Photovoltaikanlagen mit einer Spitzenleistung von 2,9 Megawatt verfüge, ergänzt durch Stromspeicher, die bis zu 3,6 Megawattstunden Energie aufnehmen können. Bei Stromkosten knapp unter 40 Cent je Kilowattstunde lägen die Betriebskosten der batterieelektrischen Lkw bereits auf dem Niveau der Diesel-Lkw. „Wenn der CO2-Preis 2027 deutlich steigt und fossiler Diesel um knapp 40 Cent pro Liter teurer wird, rechnen sich die E-Fahrzeuge auf jeden Fall“, meint Reih deshalb.
Aktuell müsse er noch den gesamten Mautvorteil einbringen, um über die geplante Laufzeit keinen Kostennachteil mehr zu haben. Perspektivisch lohnten sich die Stromer deshalb erst, wenn der Anschaffungspreis höchstens doppelt so hoch wie für einen Diesel-Lkw sei – „aber dahin geht der Trend ja allmählich“, hat er beobachtet.