Bild: Imago/ Hanno Bode

Parteien wollen auf verschiedenen Wegen zur Lkw-Dekarbonisierung

19.05.2024

Der Branchenverband BGL hat die vier deutschen Vollmitglieder im Verkehrsausschuss des Europäischen Parlaments vor den Europawahlen zu einer Onlinediskussion eingeladen. Unter anderem wurde über Fahrermangel, die Kontrolle des EU-Mobilitätspakets, Probleme mit endlosen Baustellen und Bürokratieabbau gesprochen. Am längsten aber über den Klimaschutz im Straßengüterverkehr.

Die politischen Vorgaben entscheiden nach Ansicht der Europaabgeordneten Anna Deparnay-Grunenberg (Grüne) darüber, ob Hersteller von Nutzfahrzeugen und Kraftstoffen „in eine Richtung Vollgas geben oder sich verzetteln zwischen verschiedenen Antriebsarten“. So verteidigte sie bei der Onlinediskussion „Wahl zum Europaparlament: BGL im Dialog mit EU-Verkehrspolitikern“ des Bundesverbandes Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung die Entscheidung der EU, dass die neuen CO₂-Grenzwerte für schwere Nutzfahrzeuge durch eine massive Umstellung der Flotten auf E-Lkw mit Batterie oder auf Wasserstoffantriebe erreicht werden müssen.

Auch der SPD-Europaabgeordnete Thomas Rudner sagte, er halte den eingeschlagenen Weg grundsätzlich für richtig. Jan-Christoph Oetjen (FDP) plädierte dagegen dafür, auch den Einsatz alternativer klimafreundlicher Treibstoffe in Verbrennungsmotoren als Option einzuräumen, weil die Transportunternehmen ihre Lkw unter ganz unterschiedlichen Bedingungen einsetzen müssten. Jens Gieseke (CDU), der in Diskussionen im Europaparlament ebenfalls immer wieder gefordert hat, den Einsatz von E-Fuels und Biotreibstoffen bei der Erfüllung der CO₂-Grenzwerte anzurechnen, konnte sich wegen technischer Probleme nicht zur Onlinediskussion zuschalten. Der BGL hatte dazu die vier deutschen Vollmitglieder im EP-Verkehrsausschuss eingeladen. Über den Klimaschutz im Straßengüterverkehr wurde am längsten gesprochen.

Technologieoffenheit versus Transformationstempo

Auch Rudner möchte alle möglichen technischen Optionen offenhalten, ist aber dafür, hauptsächlich auf die energieeffiziente Elektromobilität zu setzen. „Wir müssen auch schon eine Transformation anschieben“, sagte er. E-Fuels sieht er eher als Möglichkeit, Schiffs- und Flugverkehr zu dekarbonisieren. Deparnay-Grunenberg wies darauf hin, dass beim Weg über E-Fuels fünfmal mehr klimafreundlicher Strom für den Lkw-Betrieb benötigt werde als bei dessen direktem Einsatz. „Wenn wir alle Möglichkeiten für den Einsatz von Verbrennungsmotoren offenlassen, wird die Hoffnung entstehen, dass E-Fuels irgendwann in Masse und sehr billig zur Verfügung stehen. Das verlangsamt den Übergang zu klimafreundlichen Antrieben“, sagte sie.

Oetjen entgegnete, er denke bei alternativen Treibstoffen in Verbrennungsmotoren nicht nur an E-Fuels, die derzeit für Transportunternehmen ohnehin viel zu teuer wären, sondern etwa auch an fortschrittliche Biokraftstoffe wie hydriertes Pflanzenöl (HVO). Die Grünen-Abgeordnete sagte, der Einsatz aller dieser Kraftstoffe sei ja zulässig, die Gesetzgeber sollten sich bei der Förderung aber auf einige Optionen konzentrieren, da es nicht genug Mittel gebe, um alles zu fördern. Ein Diskussionsteilnehmer plädierte dafür, zum Beispiel Bio-Methan durch eine ermäßigte Lkw-Maut attraktiver zu machen, dann könne auch das „langfristig ein Teil der Lösung sein“.

Strommix beeinflusst CO₂-Bilanz stark

BGL-Vorstandssprecher Dirk Engelhardt konfrontierte die Europaabgeordneten mit Daten, wonach beim aktuellen Strommix in Deutschland der Einsatz von E-Lkw nicht klimafreundlicher sei als der von Diesel-Lkw. Rudner sagte, dass am sonnigen 14. Mai 85,7 Prozent des deutschen Stroms aus erneuerbaren Quellen erzeugt worden sei. „Beim Strommix müssen wir auch in die Zukunft denken“, forderte er. Deparnay-Grunenberg wies darauf hin, dass die EU gesetzlich festgelegt hat, den EU-Energiebedarf 2030 zu mindestens 42,5 Prozent aus erneuerbaren Quellen zu decken. Oetjen sagte, er verspreche sich ein umfassendes Bild der CO₂-Bilanz von Transporten - von der Energiequelle bis zum Einsatz im Motor – durch das geplante EU-Gesetz „Count Emissions EU“. Der FDP-Abgeordnete sieht noch viele offene Fragen beim Aufbau der Ladeinfrastruktur. So müssten etwa die Stromnetze ertüchtigt werden.

EU-Fonds für Transportgewerbe gefordert

Dem Transportgewerbe mit seinen geringen Gewinnmargen muss nach Ansicht von Rudner bei der Transformation geholfen werden, etwa durch „einen EU-Fonds zur Erreichung der Klimaneutralität“. Auch Deparnay-Grunenberg sieht Bedarf für solche Förderinstrumente. Sie plädierte aber auch dafür, an „kleineren Wirtschaftkreisläufen“ zu arbeiten und etwa zu hinterfragen, ob Maultaschen aus Schwaben zur Verarbeitung nach Köln und dann wieder nach Stuttgart gefahren werden müssten. Für solche Transporte müssten angemessene Preise fällig werden. Oetjen sagte, in der EU-Verkehrspolitik komme es darauf an, „praxisgerechte Lösungen“ für die Branche zu entwickeln. „Verkehr und Logistik sind eine Grundlage unseres Wohlstands“, betonte er, genauso wie Deparnay-Grunenberg.

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