Für eine lebenswerte Stadt setzt Hermes auf Lastenräder, E-Transporter, E-Lkw und Paketshops.

Bild: Hermes

Keine One-size-fits-all-Lösung für grüne Zustellung

05.05.2023

Für eine lebenswerte Stadt setzt Hermes auf Lastenräder, E-Transporter, E-Lkw und Paketshops. Das Konzept muss aber jeweils an die äußeren Umstände angepasst werden.

Als „extrem dynamisch“ beschreibt Florian Abel, Sustainability Officer bei Hermes Germany, das Thema Klimaschutz in der KEP-Branche. „Immer mehr Stakeholder wirken auf die Ausgestaltung der Klimaschutzaktivitäten von Unternehmen ein“, beobachtet er. Das inkludiere „immer ambitioniertere Ziele und Maßnahmen sowie eine stetig steigende Transparenz im KEP-Bereich“. Nicht ohne Grund stehe beispielsweise die Novellierung eines „sehr veralteten Postgesetzes“ an, in die „ökologische Standards aufgenommen werden“ sollen, „was wir prinzipiell absolut begrüßen“. Über die EU kommt die Corporate Sustainability Reporting Directive, also eine Berichtspflicht zum Thema Nachhaltigkeit, hinzu (DVZ 01.02.2023, Seite 14).

Nicht wenig überraschend ist der Klimaschutz bei Hermes Germany ein Unternehmensziel und integraler Bestandteil der Strategie. „Unser aktueller Fokus liegt auf der emissionsfreien Zustellung auf der letzten Meile“, sagt Abel und kündigt an: „Bis 2025 wollen wir die Innenstadtbereiche der 80 größten Städte in Deutschland mittels E-Transporter und Lastenräder beliefern.“ Zusätzlich seien alternative Antriebe für den schweren Verteiler- und Zubringerverkehr ein wichtiges Thema. „Mit Blick darauf ist der Einsatz von E- und auch Wasserstoff-Lkw für uns sehr interessant, weshalb wir hier gemeinsam mit den Herstellern die Erprobung entsprechender Modelle vorantreiben“, führt Abel weiter aus. Weitere Alternativen seien der Transport mit der Bahn oder auch per Lang-Lkw, der allein durch Kapazitätssteigerungen Verkehrswege und Umwelt schone. „Beide Lösungen pilotieren wir ebenfalls.“ Energieeffiziente Standorte, die Elektromobilität in Form von Ladeinfrastruktur berücksichtigen, seien ein weiterer wichtiger Punkt, mit dem sich Hermes beschäftige, so der Experte.

Mobilitätsmix in Berlin

Die Tochter der Otto Group setzt bei der emissionsfreien Zustellung auf bedarfsorientierte Konzepte, die einen Mobilitätsmix verfolgen. „Denn eins ist klar“, sagt Abel, „eine One-size-fits-all-Lösung für eine grüne Zustellung gibt es nicht.“

Beispiel Berlin: In der Hauptstadt setzt der Dienstleister verstärkt auf Lastenräder, „da sie nicht nur CO2 vermeiden, sondern auch eine Antwort auf innerstädtische Herausforderungen wie den dichten Autoverkehr, den Mangel an Halteflächen oder Einfuhrbeschränkungen darstellen und so produktiv bei der Paketzustellung sind“, beschreibt Abel. Die 28 Lastenräder starten von drei Mikrodepots im Zustellgebiet. Ergänzt wird die Flotte um 14 E-Transporter, die vornehmlich größere Sendungen zustellen. „Es klappt nur im Zusammenspiel“, betont Abel. Auf dieses Weise deckt Hermes eine Fläche von 40 Quadratkilometern ab, auf der mehr als 300.000 Berliner leben – ohne den lokalen Ausstoß von CO2-Emissionen.

Ladeparks in Hamburg

In Hamburg geht die Otto-Tochter einen Schritt weiter. Das Unternehmen will im gesamten Stadtgebiet bis Ende 2023 emissionsfrei zustellen. Dies soll hauptsächlich über mehr als 200 E-Transporter möglich werden. „Da bisher keine ausreichenden Lademöglichkeiten bestehen, bauen wir aktuell einen eigenen Ladepark mit 130 Ladepunkten in Ergänzung zur Ladeinfrastruktur an unserem innenstadtnahen Logistikcenter in Hamburg“, gewährt Abel einen Schulterblick. Über das Gesamtkonzept, das auch ein Mikrodepot in Altona und mehr als 300 Paketshops in der Hansestadt beinhaltet, die ebenfalls elektrisch angefahren werden, „wollen wir in allen Postleitzahlengebieten in Hamburg lokal emissionsfrei zustellen“.
Chancen für den Rollout einer emissionsfreien Zustellung sieht Abel besonders in der zeitlichen Dimension: „Nicht irgendwann in der Zukunft, sondern bereits heute trägt die KEP-Branche mit Lösungen zu der Transformation von immer mehr Städten bei und kann so Partner der Kommunen sein, damit diese ihre Klimaschutzziele erreichen.“ Geschwindigkeit sei dabei besonders wichtig, „da sich die Emissionsreduktion im Verkehrssektor weiterhin schwierig gestalten und die dahingehenden Ziele für 2022 verfehlt wurden“. Die gemeinsame Nutzung von Ladeparks sei eine weitere Chance für mehr Klimaschutz. „Hier können Kommunen durch eigene Ladeparks oder beispielsweise das Reservieren von Flächen für diese Zwecke einen entscheidenden Beitrag leisten“, ist Abel überzeugt.

Darüber hinaus könnten im Bereich der Flächennutzung multidimensionale Konzepte eine interessante Möglichkeit sein. Abel: „In Hamburg-Altona sind wir zum Beispiel an einem Quartiershub beteiligt. Hierbei handelt es sich um ein Mikrodepot für Logistiker, Suppenküche und soziale Beratungsstelle zugleich. Durch entsprechende Vernetzung der Stakeholder sind wunderbare Lösungen möglich, die weit über den Klimaschutz hinausgehen.“ Und: Die emissionsfreie Zustellung ermögliche nicht nur die Einsparung von CO2, sondern auch von Feinstaub und Lärm. „So wird die Stadt insgesamt lebenswerter.“

Logistiker nicht auf Wunschliste

Eine große Herausforderung sind für Hermes derweil die Kostenunterschiede zwischen der emissionsfreien Zustellung und der Zustellung mit konventionell angetriebenen Fahrzeugen. Hier spielen neben den Fahrzeugkosten die Ladeinfrastruktur und Flächen eine wichtige Rolle. „Ein Punkt ist dabei die Verfügbarkeit von geeigneten Flächen mit geeigneten Netzanschlüssen für Logistiker in Gewerbegebieten beziehungsweise die Erschließung von Ladeparks, um dort die Flotte zu elektrifizieren“, erklärt Abel. „Die Konkurrenz um Flächen ist groß, und Logistiker stehen nicht immer ganz oben auf der Wunschliste der Kommunen“, stellt er fest.

Und auch der regulatorische Rahmen muss laut Abel „weiter angepasst werden“. Beispielsweise bräuchten Lastenräder Sondergenehmigungen, da sie „teilweise eigentlich nicht in Innenstadtbereichen fahren dürfen“. Problematisch sei in diesem Zusammenhang auch, „dass viele Kommunen unter einer lebenswerten Stadt ganz unterschiedliche Dinge verstehen, so dass wir unsere Lösungen immer wieder neu anpassen müssen. Dies erhöht für uns den Aufwand, da wir einmal konzipierte Lösungen nicht immer wieder anwenden, sondern stets adaptieren müssen“, merkt Abel an.

Nachhaltigkeitsreporting Im April 2021 hat die Europäische Kommission eine Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) veröffentlicht, die die bisher geltende Nonfinancial Reporting Directive (NFRD) ersetzt. Der Europäische Rat und das Europäische Parlament haben 2022 eine verzögerte Einführung durchgesetzt und setzen ein Stufenmodell um:
am 1. Januar 2024 für Unternehmen, die bereits der NFRD unterliegen (erste Berichterstattung 2025);
am 1. Januar 2025 für große Unternehmen, die derzeit nicht der NFRD unterliegen (erster Bericht 2026);
am 1. Januar 2026 für börsennotierte KMU sowie für kleine und nicht komplexe Kreditinstitute und firmeneigene Versicherungsunternehmen (erster Bericht 2027) mit einer Opt-out-Möglichkeit bis 2028.
Hermes muss 2026 berichten. Als Teil der Otto Group verpflichtet sich das Unternehmen zudem zu der Science Based Targets Initiative, heißt, es konzentriert sich auf die Menge an Emissionen, die reduziert werden muss, um die Ziele des Pariser Abkommens – die Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius – zu erreichen.

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