Der Verkehr hat im Jahr 2022 rund 150 Millionen Tonnen CO₂ ausgestoßen. Erlaubt waren im vergangenen Jahr laut Klimaschutzgesetz nur 139 Millionen Tonnen. Diese vorläufigen Zahlen haben die Thinktanks Agora Energie- und Verkehrswende berechnet und am Mittwoch in Berlin vorgestellt. Schon im Jahr zuvor hatte der Verkehrssektor seine Klimaziele nicht erreicht. 2021 lag er um rund 3 Millionen Tonnen über dem gesetzten Ziel von 145 Millionen Tonnen CO₂.
„Die Klimabilanz im Verkehrssektor war in den Jahren 2021 und 2020 von Corona-Auswirkungen geprägt, da die Mobilität teils stark eingeschränkt war“, schreiben die Autoren der Agora Energie- und Verkehrswende in ihrer gute 100 Seiten langen Studie. Der nun erneute Anstieg sei einerseits auf ein normalisiertes Verkehrsaufkommen auf Straßen und Schienen und andererseits auf unzureichende politische Maßnahmen zurückzuführen.
Geringere Verkehrsnachfrage wegen Ukraine-Krieg
„Mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und den in der Folge steigenden Preisen für Energie flachte der Emissionsanstieg im Verkehr aufgrund einer leicht gedämpften Verkehrsnachfrage ab dem zweiten Quartal etwas ab“, zitieren die Autoren Berechnungen des Umweltbundesamtes (UBA). Emissionsmindernde Faktoren seien darüber hinaus ein im Vergleich zum Vor-Corona-Niveau weiterhin reduzierter innerdeutscher Flugverkehr und der Anstieg der Elektromobilität gewesen. Der innerdeutsche Flugverkehr habe sich jedoch nur geringfügig auf die Emissionsbilanz des Verkehrssektors insgesamt ausgewirkt.
Als weitere Faktoren nennt Agora den Ausbau der Elektromobilität und das 9-Euro-Ticket für den öffentlichen Personennahverkehr, das im Sommer für drei Monate eingeführt worden war. Eine nachhaltige Verlagerung von privaten Pkw hin zum öffentlichen Verkehr sei aber ausgeblieben.
Das Bundesverkehrsministerium (BMDV) teilte am Mittwoch mit, dass sich die Regierungskoalition auf eine Reihe wirksamer Maßnahmen zur Erreichung der Klimaziele verständigt habe. Es hob hervor, dass ein allgemeines Tempolimit nicht dazuzähle. „Wir sind uns innerhalb der Bundesregierung einig, dass wir beim Klimaschutz in allen Bereichen vorankommen müssen“, so das BMDV. Auch im Verkehrsbereich bestehe, wie aus dem Projektionsbericht der Bundesregierung hervorgehe, Handlungsbedarf. Nötig sei eine übergreifende Strategie.
BMDV: Klimaschutz gesamtgesellschaftliche Aufgabe
„Klimaschutz ist eine große gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die alle Bereiche betrifft und fordert“, teilte es weiter mit. Darum haben sehe die Ampel in ihrem Koalitionsvertrag vor, die Einhaltung der Klimaziele anhand einer sektorübergreifenden und analog zum Pariser Klimaschutzabkommen mehrjährigen Gesamtrechnung zu überprüfen. Zur konkreten Ausgestaltung von Klimaschutz-Sofortprogramm und Klimaschutzgesetz laufe derzeit die Abstimmung innerhalb der Bundesregierung.
Bundesklimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) mahnte nach der Veröffentlichung der Studie Fortschritte beim Klimaschutz im Verkehr an. „Unser Sorgenkind ist der Verkehrsbereich, in dem die CO₂-Emissionen erneut gestiegen sind“, erklärte er am Mittwoch in Berlin. „Alle bisher vorgesehen Maßnahmen reichen nicht, um hier die große CO₂-Lücke zu schließen. Und anders als beim Gebäudebereich ist es bisher nicht gelungen, eine Perspektive zu entwickeln, die das ändert. Hier besteht dringender Handlungsbedarf.“ Habeck hob hervor, dass diese Zahlen noch nicht endgültig seien. Federführend bei der Berechnung und Vorstellung der offiziellen Treibhausgasbilanz für 2022 ist das Umweltbundesamt.