Ein Wechsel der Batterien am Lkw ist technisch möglich, aber wenig praktikabel.

Bild: TU Berlin

Batteriewechsel ist keine Option

28.10.2024

Beim Einsatz von Batteriewechselsystemen für Elektro-Lkw sind China und die USA Europa weit voraus. Bei den europäischen Lkw-Herstellern hat sich dieser Ansatz noch nicht durchgesetzt. Die Gründe dafür sind vielfältig.

Während Europa bei E-Antrieben hauptsächlich auf Schnellladestationen setzt, verfolgt China eine andere Strategie. Parallel zu der öffentlichen und privaten Ladeinfrastruktur setzen viele einheimische E-Lkw-Hersteller dort auch auf Batteriewechselstationen – nicht nur bei Pkw, sondern auch bei Lkw. Wie viele dieser Stationen aktuell in Betrieb sind, ist jedoch unklar.

Bis 2050 sollen allein in Yibin in der Inneren Mongolei rund 60 Batteriewechselstationen für Lkw entstehen, berichtet die Tageszeitung „China Daily“. Bereits 2022 wurden in dem Land nach Angaben der Internationalen Energieagentur (IEA) über 12.000 Elektro-Lkw mit Wechselbatterien verkauft. Damit lag deren Anteil an der insgesamt verkauften E-Lkw-Flotte bei knapp 50 Prozent.

Ein Bericht der chinesischen Investmentbank Citic Securities prognostiziert, dass der Absatz solcher Fahrzeuge in diesem Jahr auf 160.000 Einheiten steigt. Treiber ist dort der weltgrößte Batteriehersteller Contemporary Amperex Technology (CATL), der sowohl strategischer Kooperationspartner des chinesischen Automobil-Konzerns Nio ist als auch Elektrofahrzeuge von OEMs wie Volkswagen, BMW und Tesla ausstattet.

Zeitsparende Lösung

Auch in den USA ist das Interesse an Batteriewechselsystemen groß. Dort betreibt der Energielösungsanbieter Ample bereits zwölf Stationen für Pkw und Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 4,5 bis 6,4 Tonnen. „Es ist viel effizienter, geladene Batterien auszutauschen, als zu warten, bis sie aufgeladen sind“, behauptet John de Souza, Unternehmenspräsident und Mitgründer von Ample. Und er übt Kritik an dem System, das sich in Europa durchsetzen dürfte: „Der Bau von Schnellladestationen ist sehr teuer, und selbst dann dauert es lange, bis die Batterien aufgeladen sind. Sie werden überdies nur zu 80 Prozent aufgeladen.”

Und in Europa? Vertreter von OEMs nennen viele Gründe, warum in der EU und hierzulande nicht am Aufbau von Batteriewechselstationen gearbeitet wird. „Als globales Unternehmen sieht Daimler Truck derzeit kein substanzielles Geschäftspotenzial für diese Technologie“, heißt es von einem Unternehmenssprecher des Lkw-Herstellers. „Sie könnte beispielsweise in asiatischen Märkten eine Rolle spielen“, räumt er ein. Aber es sei noch zu früh, um einschätzen zu können, in welchem Maß diese technische Lösung an Bedeutung gewinnen könnte. Zumal der Aufbau der Anlagen kapitalintensiv sei. „Es bleibt zu klären, wer innerhalb der Wertschöpfungskette solche Batteriewechselanlagen betreiben würde und ob sich damit signifikante Gewinne und Margen erzielen lassen“, so der Sprecher weiter.

Skepsis bei den OEMs

Auch bei MAN stehen die Verantwortlichen dem Batteriewechselkonzept als Alternative für das Megawatt-Charging kritisch gegenüber. „Aus heutiger Sicht wird es kurz- und mittelfristig in Europa keinen Batteriewechsel für typische Nutzfahrzeugsegmente geben“, sagt Dominik Renner, Produktstratege für neue Antriebsarten bei MAN Truck & Bus.

Für den Tankstelleninteressenverband (TIV) hingegen ist es keine Frage der Machbarkeit, sondern der technischen Weichenstellung, dass Batteriewechselsysteme in Europa weitgehend chancenlos sind. „Das Thema ‚wechseln statt laden‘ hat der TIV strategisch als echte Alternative gesehen, jedoch sind die Entwicklungen anders verlaufen“, sagt Pressesprecher Herbert Rabl. „Wenn es europäische Batterienormen gegeben hätte, hätte das Thema vielleicht eine Chance gehabt.“ Vor circa 20 Jahren habe es ähnliche Anläufe gegeben, die sich nicht durchgesetzt hätten. „Heute geht der Trend eindeutig in Richtung ‚laden statt wechseln‘, und nach Einschätzung des TIV wird das auch die Zukunft sein“, so Rabl.

Kein Batterienstandard

Eike Gernant, Partner New Mobility bei Porsche Consulting, bescheinigt den Batteriewechsellösungen einige Vorteile, zum Beispiel hinsichtlich Lebenszyklusmanagement, Updates und Recycling. Dennoch glaubt er ebenfalls nicht, dass sich die Idee auf dem europäischen Markt durchsetzen wird. „Ökologisch und volkswirtschaftlich ist Batteriewechsel für Lkw nur dann sinnvoll, wenn es einheitliche Standards gibt“, so Gernant. Und genau diese Standardisierung sei auch der Knackpunkt, da die Batterien für die OEMs als Differenzierungs- und Wettbewerbsmerkmal von großer Bedeutung seien.

„So hat jeder Konzern sein eigenes Konzept, und es gibt große Unterschiede etwa in Bezug auf Zellchemie, Dimensionierung und Zusammensetzung. Das wiederum wirkt sich auf Faktoren wie Reichweite, Ladezeiten, Leistung, Sicherheit und Lebensdauer aus“, sagt Gernant. Hinzu komme, dass die Kosten für Wechselstationen sowohl in Bezug auf Capex, also Investitionsausgaben, als auch Opex, also Betriebsausgaben, unter anderem aufgrund hoher Anforderungen an Brandschutz und Sicherheit deutlich höher sind als für Schnellladestationen. Die Investitionen in den Aufbau einer Wechselstation liegen um den Faktor zehn höher als für eineen Schnelllader.

Die Gesamtbetriebskosten (TCO) des Batteriewechsels könnten jedoch deutlich niedriger sein als bei Schnellladesystemen. So lautet eines der ersten Ergebnisse einer noch unveröffentlichten Studie des von der EU unterstützten Cleantech-Investors EIT Inno Energy und eines führenden Strategieberatungsunternehmens, die der DVZ vorab vorliegen. Nach den vorläufigen Ergebnissen der Untersuchung sind die TCO – je nach Auslastung – zwischen 2,5 und 10 Prozent niedriger.

„Dabei handelt es sich aber um einen sehr speziellen Anwendungsfall auf deutschen Straßen“, räumt Jennifer Dungs, Themenbereichsleiterin Energie für Transport und Mobilität bei EIT Inno Energy, ein. „Das Fahrverhalten und die Nutzung des Lkw beeinflussen die Ergebnisse.“

Laden ohne Spitzenlast möglich


Allerdings könnte der Zugang zu Batterien aus einer Wechselstation etwa zur Reduzierung von Spitzenlasten und zum Ausgleich von Netzstörungen für die Flottenbesitzer sogar einen noch größeren Wert darstellen als die TCO-Einsparungen. Hinzu komme: „Wir haben andere noch nicht veröffentlichte Daten gesehen, die dies stützen, aber da die Systeme in der EU noch nicht eingesetzt werden, beruhen sie immer noch stark auf Annahmen“, berichtet Dungs. „Fest steht, dass China dies tut – und wenn sie es machen, dann kann man sicher sein, dass ein finanzieller Vorteil dahintersteckt.“ (ben)

Firmen zu diesem Artikel
Verwandte Artikel