EU-Taxonomie, die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz – für viele Unternehmen nehmen die Pflichten in der Nachhaltigkeitsberichtspflicht in den kommenden Jahren massiv zu. Auch mittelständische Logistikdienstleister müssen sich spätestens jetzt mit dem Thema befassen und ihre Emissionsdaten sauber erfassen.
Der Express-Logistikdienstleister Sovereign Speed arbeitet bereits seit einigen Jahren an einem eigenen CO2-Reporting. Die zentrale Figur dafür bei dem Unternehmen ist Moritz Tölke, für den Anfang 2022 die Stelle Strategic Customer Projects & Environmental Sustainability neu geschaffen wurde. In dieser Funktion treibt Tölke seitdem Business-Unit-übergreifend das Thema Nachhaltigkeit bei Sovereign Speed voran. Der Hauptfokus seiner Arbeit liegt dabei aufgrund der großen eigenen Flotte mit mehr als 200 Lkw und Transportern auf der Dekarbonisierung. Tölke arbeitete bereits von 2012 bis 2019 in unterschiedlichen Rollen im Business Development von Sovereign Speed, war dann zwischenzeitlich zwei Jahre lang am Smart Freight Centre (SFC) in Amsterdam tätig, kehrte aber vor einem Jahr zum Express-Logistikdienstleister zurück. „Wir haben das Thema Dekarbonisierung im Bereich Business Development aufgehängt, weil wir der Meinung sind, dass wir als Lösungsanbieter das nur nach vorne tragen können, wenn wir da direkt mit den Kunden zusammenarbeiten“, erklärt Tölke im Gespräch mit der DVZ.
Das 2018 gegründete Start-up Shipzero hat sich in den vergangenen Jahren auf das Nachhaltigkeitsreporting in der Logistik spezialisiert. Aufgrund der erhöhten regulatorischen Anforderungen melden sich mittlerweile immer mehr Logistiker bei Tobias Bohnhoff und seinem Team, um Unterstützung zu bekommen. Laut dem Shipzero-Gründer laufen viele Mittelständler gerade auf die Regulatorik wie auf eine Glasscheibe zu: „Sie können zwar weiterschauen, aber sie prallen ab, wenn sie im Bereich Reporting gar nichts machen.“ Auch wenn viele Unternehmen von der Regulatorik getrieben sind, bringen viele auch ein hohes Maß an eigener Motivation zu mehr Nachhaltigkeit mit, stellt Bohnhoff gegenüber der DVZ klar.
Noch immer haben sich viele Logistikdienstleister aber nicht ausreichend mit den eigenen Daten auseinandergesetzt. „Am Anfang müssen die relevanten Systeme benannt werden, die die Daten für das Reporting liefern sollen“, erklärt Bohnhoff. Bei den meisten Logistikern handelt es sich dabei um das Transportmanagementsystem und die Flotteninformationen aus der Telematik und den Tankkarten. Die wichtigsten Daten für ein CO2-Reporting liegen in der Regel also immer bereits vor. Bei dem Aufbau eines eigenen Reportings stoßen die meisten Unternehmen aber schnell an ihre Grenzen. „Man braucht eine gewisse Manpower und Expertise in den Bereichen IT, Data Management, Controlling und Sustainability“, fasst Sovereign-Manager Tölke zusammen.
Auch bei Sovereign Speed wurde ab 2020 zunächst ein eigenes Nachhaltigkeitsreporting aufgesetzt. „Damals gab es noch keinen passenden Lösungsanbieter am Markt“, stellt Tölke fest. Seit dem Sommer 2022 ist diese Aufgabe aber an Shipzero ausgelagert. „Wir haben festgestellt, dass es deutlich aufwendiger wäre, weiter in die eigene Lösung zu investieren, anstatt es an einen spezialisierten Partner zu übergeben“, erklärt Tölke die Beweggründe.
Automatisiertes Reporting
In seiner Zeit am Smart Freight Centre hatte Tölke diverse Lösungsanbieter aus dem Bereich CO2-Reporting kennengelernt. Als er sich Anfang 2022 dann auf die Suche nach dem passenden Partner machte, konnte er diese Erfahrungen nutzen und den Kandidatenkreis schnell eingrenzen. „Wir haben uns drei Anbieter angeschaut und uns dann ziemlich schnell für Shipzero entschieden, da ihre Reporting-Methoden sehr auf Asset-heavy-Logistikunternehmen spezialisiert sind“, erklärt Tölke. Die Zusammenarbeit besteht für den Sustainability-Experten aus drei Elementen: ein automatisiertes Nachhaltigkeitsreporting auf Sendungsbasis für die eigenen Kunden, ein sauberes internes Reporting und die partnerschaftliche Weiterentwicklung des Themas. „Unsere Kunden können ihre eigenen Reduktionsziele nur erreichen, wenn wir sie unterstützen“, weiß Tölke. Für Sovereign ist aber der interne Blick genauso wichtig. Auf welchen Linien sind Verbräuche ungewöhnlich hoch? Erzielen Maßnahmen wie Fahrertrainings zum kraftstoffsparenden Fahren die gezielte Wirkung? Auf Fragen wie diese bietet Shipzero Antworten. Neben dem Fokus auf dem Status quo ist für Tölke aber auch der Blick in die Zukunft wichtig. Deshalb setzt er auf einen engen Austausch mit dem Partner zu Themen wie neuen Treibstoffarten oder Carbon Insetting über das Tagesgeschäft hinaus.
Standardisierte Datenprotokolle
Bohnhoff und Tölke, die aus zwei unterschiedlichen Perspektiven auf das Thema blicken, sind sich einig, dass ein stärkerer Austausch zwischen allen Beteiligten in der Logistikkette dringend notwendig ist. Fallbeispiele und Best-Practice-Cases seien nötig, damit sich die Logistikbranche schneller nachhaltig aufstellen kann. Ein großes Problem sieht Bohnhoff aktuell zudem in der fehlenden Einheitlichkeit: „Wichtig ist, dass wir uns zeitnah als gesamte Industrie darauf verständigen, was der Standard ist.“ Aktuell führen Unterschiede bei der Datenerhebung und -übertragung dazu, dass Zahlen nicht miteinander verglichen werden könnten. Die Reduzierung auf zwei oder drei standardisierte Datenprotokolle für die gesamte Branche ist für den Shipzero-Gründer eine essenzielle Voraussetzung, um auch als Gesamtbranche schneller Fortschritte in der Nachhaltigkeit machen zu können. Moritz Tölke ergänzt: „Technologien wie Biodiesel und E-Fahrzeuge müssen für alle verfügbar sein, und dann müssen auch alle Unternehmen die Investitionsbereitschaft für diese grünen Technologien haben. Ohne diese beiden Grundpfeiler bringen uns die besten Daten nichts.“
Tölke und Bohnhoff wünschen sich idealerweise einen runden Tisch mit allen Stakeholdern der Logistikbranche, um zeitnah eine Standardisierung im Nachhaltigkeitsreporting sowie mehr Datentransparenz in der Branche zu erreichen. Große, mittelständische und auch kleine Unternehmen müssten dabei ihre Anforderungen einbringen können. „Ich denke, dass das Smart Freight Centre einen sehr guten Rahmen bietet und länderübergreifend und auch transportmodiübergreifend eine geeignete Plattform dafür sein kann“, hat Tölke direkt einen konkreten Vorschlag parat. In der Pflicht stehen nach Meinung der beiden heute insbesondere die großen Logistikunternehmen, um diese Entwicklung voranzutreiben. Kleine Unternehmen, die selbst keine Investitionen in diesem Bereich tätigen können, müssten sich an größeren Wettbewerbern und Partnern orientieren können.
Shipzero
Shipzero ist eine Datenplattform, die eine effektive Emissionserfassung und -reduzierung im globalen Güterverkehr ermöglicht. Verlader, Logistikdienstleister und Spediteure können mit Hilfe von Shipzero Transportemissionen managen und ihren Weg zu Netto-Null-Emissionen ebnen. Die verantwortliche Appanion Labs GmbH wurde Ende 2018 in Hamburg gegründet. Die Emissionsdatenplattform Shipzero wurde 2021 ins Leben gerufen. Sie verfolgt über 30 Millionen Transporte in mehr als 70 Ländern und generiert Daten aus Tausenden von verbundenen Fahrzeugen.
Sovereign Speed
Die Sovereign Speed Group ist ein neutraler und unabhängiger Transport- und Handling-Spezialist für Kurier-, Transport- und Logistikunternehmen. Mit über 750 Mitarbeitern aus 35 Nationalitäten in 17 Ländern wickelt das Logistikunternehmen mehr als 1,5 Millionen Aufträge pro Jahr ab und nutzt 350 eigene Fahrzeugeinheiten. Sovereign bietet Straßen-, E-Commerce-, Luft-, Kontrakt- und Aircargo Handlingdienste in fünf Geschäftsbereichen an.