Zwei gehen, einer kommt: Für den Neubau eines 80.000-KubikmeterAmmoniaktanks werden zwei alte Behälter abgerissen.

Bild: Sebastian Engels Fotografie

Hamburg auf dem Weg zum Energiehafen

11.11.2024

Mit dem Bau eines Importterminals für Ammoniak übernimmt das Unternehmen Mabanaft eine Schlüsselrolle bei der Energiewende. Es ist nicht das einzige Großprojekt, mit dem der Hafen eine neue Ära als Energiehafen einläutet.

Als im Mai 1968 mit der „American Lancer“ das erste Vollcontainerschiff am Burchardkai in Hamburg abgefertigt wurde, begann in Deutschlands größtem Seehafen ein neues Zeitalter – verbunden mit einer millionenschweren Wette auf die Zukunft.

Jetzt beginnt wenige Kilometer elbabwärts wieder ein neues Zeitalter: Auf dem bestehenden Tanklager Blumensand setzen zwei Unternehmen auf die Zukunft – mit dem New Energy Gate Hamburg, einem der ersten deutschen Importterminal für grünen Ammoniak. Dahinter stehen das in Hamburg ansässige Energieunternehmen Mabanaft und seine Tochtergesellschaft Oiltanking Deutschland. Mabanaft, vor über 75 Jahren in der Hansestadt gegründet, will dazu einen dreistelligen Millionenbetrag investieren. Unter anderem sollen zwei große Tanks mit einem Fassungsvermögen von jeweils 50.000 Kubikmetern abgerissen und durch einen neuen Spezialtank (80.000 Kubikmeter) für grünen Ammoniak ersetzt werden.

Zum Hintergrund: Experten erwarten, dass Ammoniak (NH3) künftig eine große Rolle in der Energiewirtschaft spielen wird. Als Gas riecht es stechend und kommt in geringen Mengen in der Natur, beispielsweise beim Zersetzen von Exkrementen oder Pflanzen, vor. Industriell hergestelltes Ammoniak ist eine wichtige Grundchemikalie, vor allem für die Düngemittelherstellung. Als Energieträger kann es aber auch als Kraftstoff, beispielsweise für Schiffe, eingesetzt werden.

Doch Ammoniak kann noch mehr, nämlich als Transportmittel für klimafreundlich hergestellten Wasserstoff fungieren, damit ein wirtschaftlicher Transport der „grünen“ Energie über große Strecken überhaupt erst möglich wird.

Da Ammoniak bei natürlichem Luftdruck und bei Temperaturen über minus 33 Grad Celsius gasförmig ist, muss es für ein kompaktes Transportvolumen verflüssigt werden. So werden 1.000 Liter Gas (im entspannten Zustand bei 0 Grad Celsius und 1,013 bar) auf 1,13 Liter Flüssigkeit reduziert. Die Ammoniakproduktion und -verflüssigung kosten zwar Energie, vereinfachen aber den Wasserstofftransport erheblich, denn: Das gasförmige Ammoniak lässt sich zur Volumenreduktion leichter und bei deutlich geringerem Energieeinsatz verflüssigen als reiner Wasserstoff.

Zudem sind Kryotankanlagen für flüssiges Ammoniak einfacher zu fertigen, weil die Temperatur zum Lagern bei niedrigem Druck nur unter den schon erwähnten minus 33 Grad Celsius gehalten werden muss. Zum Vergleich: Bei flüssigem Wasserstoff sind es minus 253 Grad Celsius. Ein weiterer wichtiger Faktor, gerade bei Transport, Umschlag und Lagerung von Ammoniak, ist die geringere Entflammbarkeit als Wasserstoff, somit ist die Explosionsgefahr deutlich niedriger.

Energiegehalt des Tanks entspricht rund 4 Millionen E-Autos

Zurück zum neuen Ammoniak-Tank in Hamburg: Seine Kapazität von 80.000 Kubikmetern entspricht nach Angaben des in die Planung involvierten Ingenieur- und Beratungsunternehmens Fichtner Connected mit Hauptsitz in Stuttgart einem Energiegehalt von rund 325.000 Megawattstunden. Das ist umgerechnet in etwa die Energiemenge, die 4 Millionen Elektroautos speichern können. Das Tanksystem und die mit ihm verbundene Schiffsanlegestelle müssen höchste Sicherheitsanforderungen erfüllen. So sollen die Tankwandungen auch stärkeren mechanischen Einwirkungen widerstehen können. Doppelwandiger Stahlbeton ermöglicht es laut Fichtner Connected, dass bei Undichtigkeiten der inneren Hülle die Außenhülle das austretende Ammoniak komplett aufnimmt.

Eine weitere Herausforderung: Die gesamte Anlage des geplanten Ammoniak-Terminals ist kein Bau auf der „grünen Wiese“, sondern muss auf einem vorgegebenen Grundstück zwischen bestehenden Anlagen Platz finden. Das seeseitig bereits vorhandene Terminal wird ausgebaut und ist dann für 100.000-Tonnen-Seeschiffe sowie kleinere Bunker- und Binnenschiffe mit einem maximalen Tiefgang von 12,7 Metern erreichbar. Die Inbetriebnahme ist für 2027 geplant.

Einen Kunden – und Partner – für das Ammoniak-Importterminal hat Mabanaft bereits gewonnen. Der internationale Industriegasehersteller Air Products plant in unmittelbarer Nähe eine Wasserstoff-Produktionsanlage, mit der das Ammoniak in Wasserstoff und Stickstoff geteilt und für den Vertrieb vorbereitet werden soll. Der Investitionsbedarf wird ebenfalls im dreistelligen Millionenbereich liegen.

Ziel für Mabanaft ist es, das Ammoniak nicht nur an Air Products, sondern auch an verschiedenste Abnehmer in ganz Norddeutschland zu verteilen. „Unser Terminal ist auf den Import von jährlich 1 Million Tonnen Ammoniak ausgelegt. Damit haben wir im Hamburger Hafen die Möglichkeit, ein weiteres Stück der Energiewende umzusetzen und nach Hamburg zu holen“, sagt Philipp Kroepels, Director New Energy bei Mabanaft.

Doch bevor es überhaupt mit den Baumaßnahmen losgehen kann, benötigt das Unternehmen eine Genehmigung durch die Hamburger Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (BUKEA). Gleichzeitig sind daran auch noch weitere Dienststellen und Behörden beteiligt: So werden die Hamburg Port Authority (HPA), die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung (WSV), das Bauamt, das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG), die Feuerwehr sowie die Umweltschutzverbände angehört. „Wir haben den Antrag Anfang Juli eingereicht und wünschen uns, dass das Verfahren zügig und positiv abgeschlossen werden kann“, hofft Kroepels.

Kohlekraftwerk Moorburg weicht Elektrolyseur für Wasserstoff

Der Aufbau des Ammoniak-Importterminals ist nicht das einzige große Projekt, mit dem der künftige Energiehafen Hamburg sichtbar Gestalt annimmt. So reißen die Hamburger Energiewerke derzeit das stillgelegte Kohlekraftwerk Moorburg ab – nach nur rund sechs Jahren Laufzeit bis Ende 2020 unter der Regie des früheren Eigners und Betreibers Vattenfall. Auf dem Gelände wollen die Hamburger Energiewerke von 2027 an in einer Elektrolyseanlage mit Hilfe von Ökostrom zunächst 10.000 Tonnen grünen Wasserstoff jährlich erzeugen, vor allem für den Eigenbedarf im städtischen Fernwärmenetz. Investitionsbedarf in der ersten Ausbaustufe mit einem Siemens-Elektrolyseur: rund 400 Millionen Euro.

Auch bei diesem Projekt spielt Ammoniak eine wichtige Rolle: Für den parallel zur Eigenerzeugung geplanten umfangreichen Import von Wasserstoff und dessen Trägermedien Ammoniak und Methanol baut das Unternehmen Energienetze Hamburg derzeit die ersten 40 Kilometer eines Wasserstoff-Industrienetzes, das zeitnah mit dem geplanten bundesweiten Wasserstoff-Kernnetz verbunden werden soll.

So, wie die Ankunft der „American Lancer“ vor über 50 Jahren eine neue Ära in Hamburg einläutete, spricht vieles dafür, dass auch der jetzt eingeleitete Wandel zum Energiehafen die Wette auf die Zukunft gewinnen wird. (alb)

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  • Der Anleger Blumensand besteht bereits, er wird jetzt für den Umschlag von Ammoniaktankern mit einer Tragfähigkeit von bis zu 100.000 Tonnen umgebaut.

    Der Anleger Blumensand besteht bereits, er wird jetzt für den Umschlag von Ammoniaktankern mit einer Tragfähigkeit von bis zu 100.000 Tonnen umgebaut.

    Bild: Sebastian Engels Fotografie

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