Ein nebliger Wintertag in Cuxhaven. Der Blick reicht kaum weiter als 100 Meter. An der Kaikante des Blue-Water-BREB-Terminals liegt die „Yangze 8“ vertäut und hat Dutzende Rotorblätter aus chinesischer Produktion für Onshore-Windenergieanlagen geladen. Sie werden am Elbehafen entladen und anschließend über die Straße zum Aufbau der Kraftwerke innerhalb Deutschlands transportiert.
Wenige Hundert Meter daneben warten Generatorhäuser in der Größe eines Mehrfamilienhauses für Offshore-Anlagen auf ihre Verladung. Sie werden mit Errichterschiffen zum Aufbau der „grünen Kraftwerke“ in der Nordsee gebracht. Gebaut wurden sie in der Fabrik von Siemens Gamesa, die seit 2018 im Hafengebiet angesiedelt ist.
Ebenso viel Platz benötigen die Fundamente der Windräder, die hier von Titan Wind Energy hergestellt werden. Die sogenannten Monopiles sind mittlerweile bis zu 140 Meter lang und bis zu 2.500 Tonnen schwer.
Die immer größer werdenden Dimensionen der Komponenten – und vor allem die Ausbauziele der Bundesregierung für Windenergie – geben den wachsenden Flächenbedarf in den Häfen vor. „Die Ziele sind sehr ambitioniert“, sagt Marc Itgen, Geschäftsführer der Agentur für Wirtschaftsförderung in Cuxhaven. Bis Ende dieses Jahrzehnts will die Bundesregierung die Offshore-Kapazität von derzeit gut 8 auf 30 Gigawatt (GW) steigern, bis 2045 auf 70 GW. Zum Vergleich: Die bisherigen 8 GW Kapazität, die zurzeit installiert sind, wurden in 13 Jahren aufgebaut – 2010 ging mit Alpha Ventus der erste Hochseewindpark in Betrieb. Sprich: In nur noch knapp 7 Jahren verbleibender Zeit muss fast dreimal so viel Leistung ans Netz gebracht werden.
Hinzu kommen die Ausbauziele der Anrainerstaaten und etliche Anlagen, die in Deutschland an Land entstehen sollen (115 GW bis 2030; Ende 2022 waren 58 GW installiert). Zudem beginnt ab nächstem Jahrzehnt parallel der Rückbau der ersten Hochseewindparks, die nach 20 Jahren Betrieb ihre Lebensdauer erreicht haben. „Das ist eine enorme Herausforderung und braucht viel mentale Fantasie. Im Moment sind die Häfen dafür nicht leistungsfähig genug“, konstatiert der Wirtschaftsingenieur Itgen, der einige Jahre den Bau der „grünen“ Kraftwerke für RWE und Vattenfall koordiniert hat. Dennoch hält er die Ziele für erreichbar, „wenn alle an einem Strang ziehen“. Dafür müsse noch mehr Geld aus der Hauptstadt kommen, denn „die Kapazität der Häfen muss dafür massiv ausgebaut werden, um diese Bedarfe überhaupt bedienen zu können“.
Eine kürzlich veröffentlichte Studie der Deutschen Windguard im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft Niedersächsische Seehäfen bestätigt den Bedarf für eine Verdreifachung der Flächen – nur in den niedersächsischen Häfen; von heute rund 70 Hektar auf circa 200 Hektar bis 2030.
Cuxhaven – das einst maßgeblich von der Fischindustrie lebte – hat dafür sehr gute Voraussetzungen. Seit 2020 liegt die Genehmigung für den Bau der Liegeplätze 5 bis 7 vor. Für 300 Millionen Euro sollen gut 1,2 Kilometer zusätzliche Kaianlagen für die schweren Lasten entstehen. Der Bau hätte also längst beginnen können, doch es mangelt – wie so häufig – am Geld.
„Wir haben schon wieder drei Jahre verloren“, klagt Itgen und erklärt, dass es lediglich für ein Drittel der Summe bislang keinen Geldgeber gibt. 100 Millionen Euro hat das Land Niedersachsen für das Projekt zugesagt, die gleiche Summe kommt aus der Hafenwirtschaft.
Und das letzte Drittel? Dafür sehen die Cuxhavener Akteure den Bund in der Pflicht. „In Relation zu der Wertschöpfung, die daraus resultiert, und dem Beitrag zur Energiewende, die wir mit unserem Hafen leisten, sind die 100 Millionen Euro ein überschaubarer Beitrag“, ist er überzeugt und wirbt für den Standort: „Wir haben in den vergangenen Jahren schon selbst Millionen in die Infrastruktur investiert und damit bewiesen, dass das Geld hier gut angelegt wäre.“
Vor knapp zwei Jahren haben die Cuxhavener zum ersten Mal den Wunsch nach finanzieller Unterstützung in Berlin angemeldet. Bislang ohne Erfolg. Und in der Stadt sind sich die Verantwortlichen durchaus bewusst, dass es durch die aktuellen Diskussionen um den Bundeshaushalt nicht einfacher wird. Daher denken sie bereits darüber nach, eine Projektgesellschaft zu gründen, die finanziell unabhängig vom kommunalen Haushalt ist und die verbleibenden 100 Millionen Euro aufwenden könnte, um bei dem Vorhaben voranzukommen.
Lösung zur Hafenfinanzierung
Derweil schlagen verschiedene Lobbyverbände eine Lösung vor, wie der Bund bei der Finanzierung des Hafenausbaus unterstützen könnte. Demnach solle ein Teil der Erlöse, die durch die Ausschreibungen von Offshore-Flächen eingenommen werden, zum Ausbau der Infrastruktur in den Häfen genutzt werden. Im vergangenen Jahr nahm der Bund damit 12,7 Milliarden Euro ein, von denen bislang 90 Prozent zur Senkung der Strompreise genutzt werden und jeweils 5 Prozent (also je 670 Millionen Euro) der Fischerei und dem Naturschutz zugutekommen.
„Sollten 2024 ähnliche Summen erzielt werden, würden bereits 5 Prozent den zusätzlichen Flächenbedarf bis 2027 gegenfinanzieren können, 10 Prozent gar die ganzen 120 Hektar“, rechnet die Stiftung Offshore Windenergie vor, die sich ebenso für eine Änderung des Windenergie-auf-See-Gesetzes einsetzt.
Ob es zu so einer Gesetzesänderung tatsächlich kommt, bleibt fraglich. Aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz heißt es auf Anfrage der DVZ lediglich, dass „diese Aufteilung im parlamentarischen Verfahren zum Windenergie-auf-See-Gesetz entschieden und vom Bundestag beschlossen worden (ist)“. Kein Wort zu einer möglichen Novellierung.
Zurück nach Cuxhaven: Bis spätestens Anfang 2025 müsste der Bau für die Liegeplätze 5 bis 7 beginnen, ansonsten erlischt die Genehmigung. „Es wäre eine Katastrophe, wenn das nicht gelingt“, mahnt Itgen. Mit dem Ausbau des Hafens seien Erwartungen und Perspektiven für die ganze Region verknüpft. Trotz der Gefahr des Scheiterns ist bei ihm keine Frustration zu spüren. „Ich bin ein hoffnungsvoller Mensch.“ Sein Wunsch für 2024: „ein klares Bekenntnis und entsprechende Taten der Bundesregierung.“
Cuxhaven
Die niedersächsische Küstenstadt hat sich in den vergangenen Jahren zum Zentrum der Windenergiebranche in Deutschland entwickelt. 2022 schlug der Hafen gut 4.500 Komponenten für Windanlagen um – das entspricht etwa 245.000 Tonnen. Um international noch mehr Zulieferbetriebe anzusiedeln, vermarktet sich der Standort seit 2016 als Deutsches Offshore Industrie Zentrum (DOIZ)