8,3 Gigawatt Windenergie-Leistung sind aktuell in deutschen Gewässern installiert. Bis 2050 sollen es 70 Gigawatt werden.

Bild: Ørsted

Emden macht die Offshore-Logistik einfacher

01.09.2023

Das Energieunternehmen Ørsted steuert von
Deutschlands westlichstem
Hafen die Baumaßnahmen
für zwei neue Offshore-Windparks. Deutschland-Chef Malte Hippe hält die Ausbauziele der Bunderegierung für realistisch und anspruchsvoll zugleich. Dennoch beklagt er, dass in Deutschland ein klares politisches Bekenntnis und eine Strategie fehle.

In der deutschen Nord- und Ostsee waren zuletzt 1.563 Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von rund 8,3 Gigawatt in Betrieb. Nach dem Willen der Bundesregierung soll das allerdings nur der Anfang sein. Geplant ist, dass in den kommenden sieben Jahren, allein in Deutschland weitere 22 Gigawatt an Windenergie auf See installiert werden sollen. Dies entspricht mehr als dem Zweieinhalbfachen der derzeitigen Leistung. Bis 2035 sollen es mindestens 40 Gigawatt und 2050 sogar 70 Gigawatt sein.

Von besonderer Bedeutung für den Markt ist dabei Ørsted. Schließlich betreibt das dänische Energieunternehmen mit den Windparks „Borkum Riffgrund 1“ und „Borkum Riffgrund 2“ sowie „Gode Wind 1“ und „Gode Wind 2“ bereits vier Windparks mit aktuell 231 Turbinen in der deutschen Bucht. Und in den kommenden zwei Jahren sollen zwei weitere Offshore-Windparks hinzukommen: „Borkum Riffgrund 3“ mit einer Leistung von 900 Megawatt und „Gode Wind 3“ mit einer Leistung von 242 Megawatt.

Die vollständige Inbetriebnahme ist für „Gode Wind 3“ im Jahr 2024 und für „Borkum Riffgrund 3“ im übernächsten Jahr geplant. Alle Windparks zusammen werden dann mit Hilfe von 337 Turbinen genügend grünen Strom produzieren, um umgerechnet jährlich rund 2,5 Millionen deutsche Haushalte zu versorgen. Das sind insgesamt zwar „nur“ 106 Turbinen mehr, aber mit ihnen wird fast eine Verdopplung der Leistung erreicht.

Erst kürzlich, und zwar Anfang August, hat der dänische Energieversorger mit dem Bau von „Gode Wind 3“ rund 32 Kilometer vor der Insel Norderney begonnen und ein erstes Fundament gesetzt. Nach dem Bau der Fundamente sollen im kommenden Jahr in dem Windpark insgesamt 23 Turbinen mit einer Leistung von erstmals jeweils 11 Megawatt installiert werden. Zudem sollen in den kommenden Monaten auch die ersten Fundamente für „Borkum Riffgrund 3“, rund 53 Kilometer vor der Insel Borkum, gesetzt werden.

Neben der Betriebsführungszentrale in Norddeich mit rund 178 Mitarbeitern haben Ørsted und die Ems Port Agency & Stevedoring Beteiligungsgesellschaft (kurz Epas) hierfür im März dieses Jahres in Emden ein Projektbüro für die Bauorganisation eröffnet. Emden ermögliche es, die Logistik zusammen mit Epas effektiv zu gestalten und möglichst kurze Wege zu den Anlagen zu haben. Für Epas führt die Kooperation im Rahmen der Errichtungsarbeiten zu einer Erweiterung der Hafendienstleistungen, die bisher vor allem Unterstützung beim Betrieb und bei der Wartung von Windparks umfassten.

Modernste Technik im Einsatz

Ebenfalls von Emden aus startet auch das hochseetaugliche Serviceschiff (Service Operation Vessel, kurz SOV) „Wind of Change“ mit Diesel-Elektrik-Antrieb mit Hybrid-Unterstützung, das Platz für die 30-köpfige Besatzung sowie 60 Servicetechniker bietet und seit 2019 für Ørsted im Einsatz ist. Mit ihm werden die Techniker zu den Anlagen gebracht. Dort werden etwa für den Jahresservice alle Turbinen gewartet, was in der Regel jeweils zwischen einem und drei Tagen dauert.

Nach Unternehmensangaben ist es als weltweit erstes Schiff mit einem Kolibri-Kran mit 3D-Bewegungsstabilisierung ausgestattet: Bei Wellengang können damit Bewegungen in alle Richtungen ausgeglichen werden. Der Kran kann maximal 1.000 Kilogramm anheben und hat 30 Meter Reichweite. Dank Dynamic Positioning (DP2) kann das Schiff mit einer Abweichung von maximal einem Meter auf der Stelle stehen bleiben, und das bei einer signifikanten Wellenhöhe von 3 Metern. Um die Sicherheit für das Personal bei der Wartung der Windkraftanlagen weiter zu erhöhen, verfügt auch die Gangway über eine Bewegungskompensation.

um Setzen des ersten Fundaments für das Projekt „Gode Wind 3“ kam Anfang August das Errichterschiff „Lez Alizés“ des belgisch-luxemburgischen Unternehmens Jan De Nul Group erstmals zum Einsatz. Das Anfang 2023 ausgelieferte Schiff war Ende Juni im niederländischen Eemshaven eingetroffen, von wo es nach dem Laden der ersten Monopiles zum Installationsort in der deutschen Nordsee aufbrach. (alb)

„Es fehlt ein politisches Bekenntnis“

Malte Hippe, Geschäftsführer von Ørsted in Deutschland und verantwortlich für den Betrieb

DVZ: Für wie realistisch halten Sie die Ausbauziele der Bundesregierung?

Malte Hippe: Die Ziele sind realistisch, aber auch sehr anspruchsvoll und nur zu erreichen, wenn alle in der Wertschöpfungskette zusammenarbeiten. Hinzu kommen die rechtlichen Rahmenbedingungen.

Wie ist es mit der Hardware?

Für uns sind das vor allem Netzanbindung und die Aufbaulogistik für die Turbinen mit einer Leistung von 14 und mehr Megawatt. Mit einem Rotordurchmesser von über 200 Metern werden sie die größten in der Nordsee sein. Hierfür gibt es bisher kaum Errichterschiffe.

Welche Bedeutung werden künftig schwimmende Windkraftanlagen haben, wie Sie bereits in anderen europäischen Ländern gebaut werden?

Das ist ein großes Thema. Besonders attraktiv sind solche Anlagen für Windgebiete in großer Tiefe, etwa am Mittelmeer mit steil abfallender Küste und Wassertiefen von etwa 1.000 Meter. Im Zuge unserer strategischen Partnerschaft mit Acciona, einem global tätigen Ingenieur- und Bauunternehmen, das ein führender Entwickler für schwimmende Windfundamente ist, arbeiten wir an der Pilotierung solcher Fundamente.

Wie sieht es mit der hafenseitigen Infrastruktur für die Errichtung und Wartung der Windparks aus?

Die Turbinen und Flügel werden so groß, dass die Fabrik am Hafen liegen muss, da sie nur noch per Schiff transportiert werden können. Für die Regionen ist das interessant, wie das Siemens-Werk in Cuxhaven zeigt. Hier braucht es also viel technische Weitsicht, wie man sie beispielsweise vor zehn Jahren in Eemshaven hatte, so dass der Hafen entsprechend ausgebaut wurde mit Platz für große und kleine Schiffe, Helikopter-Startplatz und Lagerflächen.

Und in Deutschland?

Hier fehlen derzeit ein klares politisches Bekenntnis und eine Strategie, die die gesamte Wertschöpfungskette mit einbezieht, also auch die Infrastruktur. Insofern setzen wir auf die Nationale Hafenstrategie. (alb)

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