Wir alle kennen das: Das online bestellte Smartphone-Ladekabel kommt in einer viel zu großen Schachtel. Aber auch Container und andere Ladeeinheiten sind oft nicht komplett gefüllt. Millionen von Unternehmen auf der ganzen Welt verpacken und versenden ihre Produkte ineffizient und die Logistikbranche transportiert wegen schlechter Beladung und zu großer Verpackungen
mitunter sehr viel Luft. Das Start-up Alpha Augmented Services aus der Schweiz hat daher eine Softwarelösung entwickelt, die den Verpackungs- und Versandprozess mittels Algorithmen und künstlicher Intelligenz berechnet. „Bis zu 90 Prozent aller Sendungen sind mit ‚verpackter Luft‘ nicht ausgelastet – versendet wird leerer Raum, der bereits bezahlt wurde und ohne zusätzliche Kosten genutzt werden könnt“,
sagt Massimo Rossetti, CEO und einer der Gründer von Alpha. Jede dritte Ladeeinheit könnte demnach eingespart werden und Containerknappheit entgegenwirken.
Das Start-up hat sich darauf spezialisiert, Unternehmen bei der Optimierung ihrer Produktbestellungen, Artikel- und Versandverpackungen zu unterstützen, um deren Versand- und Bearbeitungskosten sowie den ökologischen Fußabdruck um rund ein Fünftel zu senken. Gleichzeitig hilft die IT-Anwendung, Produktsicherheit und -schutz zu erhöhen wie auch Abfallmenge der Unternehmen und Empfänger zu reduzieren. „Die Kosten für Verpackung und Versand können bis zur Hälfte der gesamten Logistikausgaben eines Unternehmens ausmachen und werden häufig als Möglichkeit übersehen, Einsparungen zu erzielen“, fügt er hinzu. Den meisten gehe es darum, ihre Lieferanten zu managen und Sendungen schnellstmöglich zu verschicken. „Das ist nicht effizient und hat riesige Auswirkungen auf ihre CO2-Bilanz.“
Daten ineffizient
Im Gegensatz dazu würden viele erkennen, dass die Kompensation von CO2-Emissionen oder die Verwendung alternativer Treibstoffe nicht viel bringe, außer Extrakosten. Viele wüssten zwar, dass sie in der Logistik ineffizient agieren, nicht aber, dass auch ihre Daten ineffizient sind. Und hier komme die Lösung von Alpha ins Spiel. Anhand eines
selbst entwickelten auf AI basierenden Algorithmus lässt sich die bestmögliche Beladung von Kartons, Paletten oder Standardcontainern für alle Transportmittel berechnen.
„Kunden laden hierzu die Abmessungen ihrer Versandaufträge inklusive der Daten der zu verwendenden Verpackungen bei Alpha hoch“, erläutert IT-Chef und Mitgründer Laurin Paech. Die Software spielt in Sekundenschnelle zig Möglichkeiten durch und erstellt anhand dieser Berechnung eine leicht verständliche Packanleitung für die Lagermitarbeiter. Schöner Nebeneffekt: Mit der Alpha-ITLösung lässt sich gleichzeitig die Produktivität der Mitarbeiter um bis zu 30 Prozent erhöhen, weil diese weniger verpacken müssen, und auch Empfänger profitieren, da sie weniger auspacken und Verpackungsmüll entsorgen müssen.
„Wir stellen fest, dass die Logistikunternehmen sehr offen sind und sehr viel Interesse daran haben, sowohl Kosten als auch CO2 einzusparen, Dinge zu bewegen, mitzumachen und auszuprobieren“, sagt Mitgründer Joachim Paech, bei Alpha für Administratives verantwortlich. So habe man beispielsweise bereits Partnerschaften mit dem US-amerikanischen Paketdienstleister UPS und dem dänischen Logistiker Scan Global Logistics (SGL) geschlossen. „Die Lösung von Alpha ist schnell und reibungslos in bestehende Prozesse integrierbar und bedarf – weil sie ein SaaS-Modell ist – keiner hohen Anfangsinvestitionen“, lobt Mads Drejer, COO und CCO von SGL. Die Optimierung von Transport und Verpackung sei ein Bereich, der dem SGL-Chef zufolge deutlich mehr Aufmerksamkeit von allen Beteiligten der Lieferkette verdiene. Für die Lösung bezahlt der Kunde lediglich einen Prozentsatz im Verhältnis zur Einsparung. „Er muss kein Geld für das Reduzieren seiner CO2-Emissionen budgetieren, weil dies bei uns auch gleich greift“, erläutert Rossetti. Ziel von Alpha sei vielmehr, dass Kunden einsparen und effektive Verbesserungen sehen.
Keine Kontrolle
Alpha spreche mit Konzernen ebenso wie mit börsennotierten Firmen, „denn alle haben zwei Probleme“, betont Rossetti. „Sie haben weder die Kontrolle über ihre Lieferanten und das Verpacken ihrer Bestellung noch über das Bestellverhalten ihrer Kunden.“ Sie wüssten in der Regel nicht, wann, wo, wie, was verpackt wird, obwohl sie letztendlich alles bezahlen. Alpha hat seine Lösung einem großen Sportartikelhersteller anhand eines Rechenbeispiels demonstriert. Es ging darum, so viele Schuhkartons wie möglich in einen Standardcontainer zu stapeln. Bei der herkömmlichen, intuitiven Packmethode gingen 275 Schachteln hinein, die Software errechnete eine Variante, bei der 314 Boxen in den Container passten.
„Was der Mensch intuitiv macht, berechnet unsere Anwendung in Sekundenschnelle und mit einem viel besseren Ergebnis“, sagt Laurin Paech. Auf das Jahr gerechnet könnte der Konzern seiner Einschätzung nach mehr als 140 Millionen Euro einsparen. Außerdem sei der Algorithmus bei komplexeren Sendungen unterschiedlicher Größen der menschlichen Intuition weit überlegen. Alpha geht grundsätzlich davon aus, dass Unternehmen durch die Optimierung ihrer Verpackungen und Verpackungsprozesse zwischen 10 und 30 Prozent weniger für Versand berappen müssten.
„In Phasen, in denen auch der Arbeitsmarkt abkühlt, ist es für viele Unternehmen interessanter, 20 Prozent in der Lieferkette einzusparen – was bei verschiedenen Unternehmen ganz schnell mal einige Millionen Euro sein können –, als Mitarbeiter zu entlassen, was ansonsten die Alternative wäre“, erläutert Joachim Paech. Der Druck, CO2 einzusparen komme mitunter sogar von den Kindern der CEOs, die diese auffordern, ihnen einen lebenswerten Planeten zu überlassen. Druck üben aber auch Regierungen, multinationale Organisationen und Medien aus, wenn es um das Thema Klimawandel geht. „Am Ende des Tages bewegen sich Unternehmen per se jedoch nur, wenn sie gleichzeitig ihre Kosten senken.“
Die meisten Start-ups fokussieren sich zunächst auf den regionalen Markt, Alpha hingegen ist sofort auch in die USA und nach Asien gegangen. „Wir sind der Auffassung, mit lokalen Ansprechpartnern, die die jeweilige Landessprache sprechen, vor Ort sein zu müssen, um Bedenken und Ängste abzubauen“, ist Rossetti überzeugt. Andererseits seien auch die Kunden und deren Sendungen weltweit ohne Ländergrenzen unterwegs – genau das mache die Lieferkette ja aus. Alpha mit Sitz in Baar im schweizerischen Kanton Zug unterhält inzwischen auch Büros in den USA, in Berlin, Rumänien und Vietnam. Das Unternehmen beschäftigt derzeit 20 Mitarbeiter, die von überall auf der Welt stammen und in jeder Zeitzone sitzen.