Gleich zu Beginn des Gesprächs sagt es Stig Martin Fiskå frei heraus: das größte Hindernis in der Logistik und Seefracht ist, dass die Unternehmen nicht freiwillig ihre Daten teilen. Man könne sich diesbezüglich einiges von anderen Branchen, wie dem Finanzsektor, abgucken. Fiskå möchte die Dekarbonisierung der Weltmeere und der Schutz des Ökosystems weiter vorantreiben – verbunden mit der Digitalen Transformation. Doch warum sollten Speditionen oder Häfen ihre Datensätze in Echtzeit füreinander verfügbar machen?
Visibility, Traceability und Dekarbonisierung
Es dauert nicht mehr lange, dann werden neue Lieferkettengesetze und Berichtspflichten für immer mehr Unternehmen verpflichtend. Auch das Erfassen und Berechnen von Emissionen bedarf genauer Kennzahlen. „Visibility und Traceability“ wird also künftig die Logistik-Branche auf Trab halten.
Außerdem ist es aufwändig per Hand alle Warenstücke zu scannen und deren Daten, beispielsweise ihren Standort, zu prüfen. An dieser Stelle kommt die digitale Technologie von Cognizant Ocean zum Einsatz: Es ist bereits möglich, gesamte Ladungen digital zu simulieren, also sie digital abzubilden. Mit Hilfe dieser Simulation können dann in unvorhergesehenen Situationen mögliche Szenarien mittels KI berechnet werden.
Wenn etwa plötzlich der Suezkanal blockiert ist oder eine Pandemie die Chinesische Industrie lahmlegt, kann ein KI-basiertes Programm mögliche Outcomes inklusive ihrer Kettenreaktionen berechnen und anhand dessen Handlungsempfehlungen geben. Es kann eine Lösung gefunden werden, die nicht bloß im Sinne eines bestimmten Akteurs ist, sondern alle Abläufe und das Endprodukt berücksichtigt.
Auf Nachfrage erklärt der Global Head of Cognizant Ocean, dass diese Technologie nicht das gleiche wie ein Digitaler Zwilling sei. Cognizant Ocean hat die Vision, nicht nur einzelne Objekte, wie ein Schiff, sondern ganze Operationen – vom Umschlag bis in den Zielhafen – digital nachzustellen. Die Technologie hierfür sei bereits da.
Viele Häfen sind bereits dabei, die Daten von Schiffen zu erfassen, die in Kürze einlaufen werden. Doch laut Cognizant Ocean sei es effektiver, schon vorher aus der Distanz in Daten-Austausch zu treten. Denn je mehr und je früher Daten verfügbar sind, desto besser kann die KI Ereignisse vorhersagen und Engpässe oder Störungen verhindern.
Der neuen Cognizant Business Unit ist es wichtig, so viele Akteure wie möglich in ihre KI-Simulationen einzubinden, um deren Genauigkeit zu steigern und auch ein größeres Ökosystem an Kunden zu beraten. Mögliche Kunden von Cognizant Ocean reichen von Logistikunternehmen, Speditionen, Reedereien bis hin zu ganzen Hafenanlagen. Das Unternehmen arbeitet an Technologien, welche den gesamten Vorgang im Hafen vom Hafenarbeiter bis hin zum eigentlichen Transport mittels KI zu steuern.
Kooperation mit Alphabet-Tochter
Im Juni gab Cognizant Ocean die Partnerschaft mit dem kalifornischen Unternehmen Tidal bekannt. Letzteres ist eine Tochter des multinationalen Großkonzerns Alphabet, der mit Gesellschaften wie Google weltweit führend ist. Tidal forscht an Aqua Parks, in denen Fische gezüchtet werden. Auch für die Schifffahrt sind die dort erprobten Technologien von Bedeutung, beispielsweise Unterwasser-Sensorik in Echtzeit, Machine Learning, ein Unterwasser-Kamerasystem und vor allem eine Hard- und Software, die Umwelt-Parameter messen kann – alle diese Technologien können dabei helfen, den Seefrachtverkehr resilienter gegenüber Störungen und verträglicher für die Umwelt zu machen.
In der Kooperation mit Tidal übernimmt Cognizant Ocean vor allem zwei Aufgaben: Zum einen die Kommunikation mit und Beratung von Unternehmen, die zur Blue Economy zählen und vom neuartigen Ansatz profitieren. Zum anderen hilft Cognizant Ocean durch die langjährige und globale Erfahrung als Daten- und Integrationsspezialist bei der Implementierung und Umsetzung von konkreten Projekten.
Momentan ist Cognizant Ocean auf den Bereich Software und Data spezialisiert, aber es müsse in naher Zukunft eine Konvergenz mit der physikalischen Welt geben, erklärt Fiskå. Deshalb ist die Kooperation mit Tidal für ihn so interessant: Hardware und Software werden von Beginn an füreinander gebaut. Stig Martin Fiskå meint, das werde in der Seefracht- und Logistik-Industrie auch schnell so kommen, „Es könnte dann so etwas wie Apple Shipping oder Tesla Shipping geben.“
Der Wandel in der Branche wird kommen
Der Plan für die nächsten Monate bei Cognizant Ocean sieht vor, weitere Partner und Kunden zu akquirieren. Für diese wird es wichtig sein, eine standardisierte Datenerfassung zu erhalten. „Operational Data“ zu teilen ist das Kernthema der Zusammenarbeit und dafür unverzichtbar. Kunden müssen keine sensiblen Finanz- oder Vertragsdaten teilen, aber alles, was Arbeitsabläufe angeht, wird weitestgehend von Cognizant Ocean analysiert. Daten entfalten erst ihren Mehrwert, wenn sie mit anderen Leuten geteilt und mit größeren Datensets gemixt werden. Die Arbeit von Cognizant Ocean fokussiert sich nicht auf einzelne Kunden, sondern darauf, dass gesamte Netzwerk an Logistik und Produktion soweit es geht einzubinden.
Es bleibt abzuwarten, welche Firmen die ersten Schritte mit KI-basierten Operationen gehen werden. Viele werden unter dem Druck von Dekarbonisierung und Lieferkettentransparenz aber keine andere Wahl haben.
Cognizant Ocean
Cognizant ist ein internationales IT-Beratungs- und Dienstleistungsunternehmen, welches in diesem Jahr sein 25-jähriges Jubiläum an der NASDAQ-Börse feiert. Im Juni ging die Business Unit Cognizant Ocean an den Start. Sie fokussiert sich darauf, die „Blue Economy“ mithilfe digitaler Technologien neu zu gestalten. Unternehmen aus den Bereichen Seeschifffahrt und Seetransport, Offshore-Öl und -Gas, erneuerbare Meeresenergien sowie der Aquakultur erhalten die Möglichkeit, ihren Kohlenstoffausstoß zu reduzieren, ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen sowie ihre Geschäftsergebnisse zu verbessern. Weltweit beschäftigt Cognizant rund 350.000 Mitarbeitende.