René Kaldenhovens Ziel: gemäß Kundenanforderungen die wirtschaftlichste Lösung für eine funktionierende, nachhaltige Halle finden.

Bild: privat

„Der Fokus muss auf Dekarbonisierung liegen“

26.10.2023

Der Bau und die Finanzierung von Logistikimmobilien sind teurer geworden. Welche Konsequenzen sich daraus für das inhabergeführte Bauunternehmen Goldbeck mit Sitz in Bielefeld ergeben und welche Rolle Nachhaltigkeit, ESG-Kriterien und Zertifizierungen spielen, erklärt René Kaldenhoven, Geschäftsführer Goldbeck Nord, im DVZ-Gespräch.

DVZ: Herr Kaldenhoven, der Bestand wird eine neue Relevanz bekommen. Wie beeinflusst das Ihre Arbeit?

René Kaldenhoven: Wir haben bei Goldbeck schon sehr früh verstanden, dass Bauen im Bestand ein interessantes Geschäftsfeld darstellt und ein sehr großer Hebel zur Erreichung der Klimaschutzziele ist. Damit Immobilien ihr maximales Lebensalter effizient erreichen können, haben wir schon 2006 die Einheit Bauen im Bestand gegründet. Die Kolleginnen und Kollegen in regionalen Unternehmenseinheiten analysieren Bestandsgebäude, planen und übernehmen Um- wie Ausbauten oder Teil- und Kernsanierungen. Damit wir Ressourcen bestmöglich schonen, finden wir dabei immer Lösungen, die möglichst viel Bausubstanz erhalten oder recyceln. Seit Mitte letzten Jahres berät das Goldbeck Sustainability Consulting außerdem Bestandshalter der Real-Estate-Branche bei der nachhaltigen Transformation ihrer Immobilien. Gemeinsam identifizieren sie Nachhaltigkeitsziele und schärfen regelmäßig mit Blick auf neue Anforderungen nach. Auch mit Umsetzungsstrategien und Maßnahmen unterstützen unsere Fachleute auf Wunsch.

Wir werden dieses Jahr weniger Neubauten sehen. Was bedeutet das für ein Unternehmen wie Goldbeck?

Für die gesamte Immobilienbranche gilt: Finanzströme haben sich verschoben. Die Errichtung und Finanzierung von Immobilien sind teurer und damit herausfordernder geworden. Dadurch, so meine Beobachtung, halten sich Investoren momentan bei Kapitalanlagen in neue Gewerbeimmobilien mehr zurück. Die Folge: Vertragsunterschriften verzögern sich oder Projekte werden gänzlich gestoppt. Ein anderer Aspekt ist die Voraussetzung für die Finanzierung einer Projektentwicklung. Rein spekulative Entwicklungen ohne ausreichende Vorvermietungsquoten sind zurzeit schwer zu finanzieren. Dazu kommt der Aspekt, dass es zunehmend herausfordernder wird, geeignete Grundstücke zu finden. Die gute Botschaft ist aber: Der Bedarf an innovativen, nachhaltigen Immobilien, auch und insbesondere in der Logistik, ist weiter da. Besonders herausfordernd in der aktuellen Zeit: Flächenmangel, Nachhaltigkeitsanforderungen sowie die Energie- und Mobilitätswende stellen neue Ansprüche an Immobilien. Und Grundstücke sind immer häufiger Brownfields, die teils herausfordernd sind, Logistikimmobilien müssen flächenbedingt öfter in die Höhe gebaut werden, Taxonomie- sowie ESG-Kriterien erfüllen und zunehmend batterielagerfähig werden. Diese Tendenzen bieten neue Potenziale für die Branche. Wir reagieren darauf mit Innovation und internen Entwicklungsprozessen. Zum Beispiel wollen wir der Immobilienexperte für Elek-tromobilität werden.

Hat die Kreislaufwirtschaft eine Chance, sich am Bau durchzusetzen?

Das Ziel der Baubranche muss es sein, Gebäude zu entwickeln, bei denen Nachhaltigkeit, Funktionalität und Wirtschaftlichkeit in Einklang stehen. Aus unserer Sicht geht es gar nicht ohne die Berücksichtigung des gesamten Lebenszyklus’ einer Immobilie und damit der Integration der Kreislaufwirtschaft in den Bauprozess. Unsere Erfahrung bei Goldbeck zeigt: Wir müssen bereits in der Planungsphase den Betrieb sowie einen möglichen Rückbau und das Materialrecycling bei Immobilien mitdenken. Unsere Beobachtung ist, dass viele Kunden dieses Vorgehen befürworten. Unser Hallen-Bausystem zum Beispiel umfasst ein wirtschaftliches Stützenraster: Damit sind größere stützenfreie Hallenflächen möglich und wir können auf wandelnde Anforderungen im Lebenszyklus einer Halle reagieren, weil wir Produktionsflächen und Verkehrswege flexibel umstrukturieren können – bei möglichst geringem Materialeinsatz. Auch das Entfernen oder nachträgliche Einbauen von Zwischenwänden ebenso wie die Erweiterung der Flächen ist in unserem Bausystem vorgedacht und dank der vorgefertigten Systemelemente und der modularen Gebäudetechnik problemlos möglich. Wenn ein Rückbau bevorsteht, lassen sich unsere Hallen in ihre Einzelteile zerlegen und zu großen Teilen recyceln. Denn wo immer möglich arbeiten wir mit mechanischen Verbindungen, die sich gut lösen lassen. Dieses Prinzip gilt für alle unsere Produkte.

Inwiefern setzen Sie bereits ESG-relevante Kriterien um, sowohl im Bestand als auch bei Neubauten?

Nachhaltigkeit ist bei Goldbeck ein Querschnittsthema, das alle in unterschiedlicher Ausprägung betrifft. Unser Vorteil: Im Vergleich zur konventionellen Bauweise ist unsere systematisierte Bauweise per se ressourcenschonender und spart einen erheblichen Teil der üblicherweise anfallenden CO2-Emissionen ein. Wir haben eine Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt, die wir in skalierbare Maßnahmen übersetzen. Unsere Kunden beraten wir mithilfe eines eigens dafür entwickelten Nachhaltigkeitskompasses auf ihrer Reise zu einer nachhaltigeren Immobilie – egal ob Neubau oder Bestand. Er hilft uns, mit Kunden Maßnahmen für ESG zu identifizieren und zu priorisieren – von Biodiversität über Energiekonzepte zu Themen, welche die Sicherheit und das Wohlbefinden im Gebäude betreffen, und zur Wirtschaftlichkeit. Ein enormes Potenzial sehen wir in der „Smartisierung“ von Hallen: Allein mit einer intelligenten und optimal auf die Anforderungen des Gebäudes abgestimmten Beleuchtungs- und Temperatursteuerung können Betreiber und Nutzer den Energieverbrauch erheblich reduzieren. Im Bereich der smarten Hallen setzen wir aktuell verschiedene Entwicklungs- und Pilotprojekte um. Die Basis bildet ein ganzheitliches Monitoring über Sensorik. Der konsequente nächste Schritt ist die Ableitung weiterer Optimierungspotenziale und entsprechender Maßnahmen.

Wer Nachhaltigkeit will, muss mehr zahlen. Sind die Investoren und Eigennutzer dazu bereit?

Ich würde die Aussage relativieren und gerne erweitern: Wer Nachhaltigkeit will, muss unter Umständen erst investieren – und profitiert langfristig davon. Einige nachhaltige Technologien und Maßnahmen sind teuer in der Investition, bringen aber wirtschaftliche Vorteile in der Nutzungsphase. Ein Großteil der Energie wird im Betrieb verbraucht, nicht im Bau. Angesichts steigender regulatorischer Anforderungen kommen Investoren und Eigennutzer nicht mehr um das Thema Nachhaltigkeit herum. Unsere Kunden kommen aktiv auf uns zu, um über Nachhaltigkeit zu sprechen. Wir stehen beratend zur Seite und zeigen den Weg zu einer Immobilie auf, die wirtschaftlich und nachhaltig ist und funktioniert – über den gesamten Lebenszyklus.

Welche Ideen verfolgen Sie bei Goldbeck, um Ihren Kunden beim Thema Nachhaltigkeit weitere Unterstützung zu bieten?

Es gibt Technologien und Materialien, deren Entwicklung wir aufmerksam verfolgen: Ultraleicht-Beton hat eine hohe Dämmwirkung. Er ist aktuell noch nicht überall einsatzfähig, aber ein äußerst interessanter Baustoff für uns. Außerdem beschäftigen wir uns mit der Ultrabeschallung von Beton im Betonierprozess. Durch den Ultraschall wird der Beton schneller hart, so ist weniger Zement nötig – im Ergebnis mit 20 bis 30 Prozent weniger CO2-Emission. Dieses Verfahren wenden wir heute pilotweise schon an. Außerdem investieren wir in ein Unternehmen, das ein Carbon Capturing Verfahren bei der Herstellung von Beton erarbeitet. Darüber hinaus muss der Fokus auf der Dekarbonisierung des notwendigen Neumaterials liegen, zum Beispiel Green Steel. Normalerweise wird Stahl im Hochofen Kohlenstoff eingeblasen. Das soll zukünftig mit grünem Wasserstoff passieren. Da ist noch Geduld notwendig, weil diese Alternative erst in den nächsten Jahren umfassender verfügbar sein wird. Greifbarer sind neue Betonarten. Durch den Einsatz klinkerarmer Zemente werden die CO2-Emissionen des Betons enorm reduziert. Wir installieren entsprechend neue Technologien in unseren Werken, welche die Herstellung von klinkerreduzierten Betonen ermöglichen werden. Unser Ziel bei diesen Aktivitäten ist immer: Auf Basis von Kundenanforderungen möchten wir die wirtschaftlichste Lösung für eine funktionierende, nachhaltige Halle finden.

Wie schätzen Sie die Zertifizierungen der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) im Vergleich zu internationalen Zertifizierungen wie LEED oder BREEAM ein?

Unsere Systeme für Hallen, also Logistik- und Produktionsgebäude sowie Gewerbeparks und Bürogebäude sind von der DGNB mit dem Mehrfachzertifikat in Gold vorzertifiziert. Wir planen, bauen und betreiben zukunftsweisende Gebäude – schnell und ressourcen-effizient. Mit Elementen wie energie-optimierten Gebäudehüllen, effizienter Gebäudetechnik, optimierten Energiekonzepten oder naturnahen Außenanlagen schonen wir systematisch Ressourcen. Wir haben uns schon 2010 für die Mehrfachzertifizierung unserer Produkte entschieden, um für jedes individuelle Projekt – nach der Fertigstellung und je nach Kundenwunsch – die Voraussetzung für eine Mindest-Zertifizierung in Gold zu schaffen. Zertifikate dienen dabei der Transparenz und Vergleichbarkeit, damit haben sie eine Berechtigung. Im Zuge der aktuellen EU-Verordnungen sind sie ein Hinweisgeber in Sachen Nachhaltigkeitsperformance. Ob DGNB, LEED und BREEAM, alle haben ihre Berechtigung, sie spiegeln die Präferenzen unserer Kunden wider.

An welcher Innovation am Bau arbeitet Goldbeck zurzeit?

Perspektivisch werden wir mit einem vollständigen digitalen As-built-Zwilling einer Immobilie arbeiten. Auch hier liegen enorme Nachhaltigkeitshebel. Hintergrund: Die Anforderungen an Immobilien werden immer komplexer. Sie sollen aktuelle Bedürfnisse erfüllen und flexibel umnutzbar sein. Sie sollen nicht nur schützende Hülle sein, sondern intelligent auf innere und äußere Umstände reagieren. Und sie müssen Ressourcen schonen – im Bau und Betrieb. Mit Building Information Modeling (BIM) können wir diese Anforderungen heute schon umsetzen.

René Kaldenhoven

Nach Abschluss seines Studiums zum Bauingenieur arbeitete René Kaldenhoven ab 2003 als Bauleiter und später als Projektleiter im schlüsselfertigen Hochbau bei einem in Stuttgart ansässigen Generalunternehmen. 2009 wechselte er zu Goldbeck. Nach Stationen im Vertrieb und in der Niederlassungsleitung in Hamburg wurde er Anfang 2018 in die Geschäftsführung der Goldbeck Nord GmbH in Bielefeld berufen. Neben der Leitung der Regionalgesellschaft, die er sich mit zwei Kollegen teilt, ist er auch für das Produkt Hallen innerhalb der Goldbeck-Gruppe verantwortlich. Für ihn ist Bauen Leidenschaft. Dabei ist er davon überzeugt, dass es immer noch ein bisschen besser geht – vor allem in der Bauindustrie. Und so versteht sich der Manager nicht nur als ehrbarer Kaufmann, sondern immer auch als kreativer Innovator. Privat lebt der gebürtige Niederrheiner seit mehr als 20 Jahren mit seiner Frau im schönen Hamburg, wo er es besonders genießt, morgens eine Runde mit dem Hund um die Alster zu joggen.

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