Am Alsterfleet nahe des Neuen Walls soll die Barge anlegen können, um die Pakete an ein Mikrodepot zu übergeben. Die Zustellung auf der letzten Meile soll dann mit dem E-Lastenrad erfolgen.

Bild: Logistik-Initiative Hamburg
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Alte Lösung für neue Welt

20.11.2023

Hamburgs Wasserwege könnten als Zukunftspfade für eine emissionsfreie Logistik dienen. Der Testbetrieb mit einer elektrisch betriebenen Barge soll 2025 starten.

Dienten Hamburgs Wasserstraßen früher als Verkehrswege für Frachtkähne, die mit Rohstoffen beladen die Fabriken belieferten, werden sie heute vor allem von Ausflüglern mit dem Kanu oder Ausflugsschiff erkundet. Doch lässt sich das System aus Wasserstraßen nicht auch für Transporte nutzen, um die Dekarbonisierung in der Logistik auf der letzten Meile voranzubringen? Genau das untersucht derzeit das Hamburger Reallabor als Teil des EU-Projektes Decarbomile. Die Stadt bietet mit seiner Vielzahl von Wasserwegen und Kanälen beträchtliches Potenzial, um Emissionen und die Verkehrsbelastung von Lieferwegen zu senken.

Kürzlich hat das Decarbomile-Projekt seinen ersten Hamburger Anwendungsfall definiert. Auf der vorletzten Meile werden dafür Paketsendungen auf dem Wasser transportiert. Dazu sollen diese im Hamburger Stadtteil Billbrook – Standort eines DHL Hubs – umgeschlagen und mithilfe einer elektrisch betriebenen Barge, also einem flachen Lastenschiff, bei knapp 5 Knoten (9 Stundenkilometer) und 20 Tonnen Kapazität auf dem Wasser emissionsfrei in die Innenstadt transportiert werden. Der Weitertransport auf der letzten Meile erfolgt dann per elektrischem Lastenfahrrad. Der belgische Projektpartner Opleidingscentrum voor Hout en Bouw (OHB) hat das Schiff konzipiert und will es 2025 für die Testphase nach Hamburg bringen.

Gezeiten der Elbe sind herausfordernd

Um einen besseren Eindruck von den Gegebenheiten auf den Hamburger Gewässern zu bekommen, ging dafür im Juli eine kleine Gruppe auf Erkundungstour – mit an Bord waren neben der Logistik-Initiative Hamburg (LIHH), die die Kommunikation zwischen den Partnern koordiniert, Vertreter der Projektpartner DHL Group, der Technischen Universität Hamburg (TUHH) und der Senatskanzlei. Es galt zu eruieren, welche Orte sich zum Ablegen von Paketen eignen, wie das Schleusen verläuft und ob es Brücken gibt, die die Fahrt der Barge behindern könnten. Die geplante Route ist zwischen fünf und sieben Kilometer lang und und führt von der Bille bis in den Alsterkanal. Die Fahrtdauer beträgt etwa zwei Stunden. Es wurde beschlossen, an der Stadthausbrücke in der Innenstadt temporär ein Mikrohub einzurichten.

Die Projektgruppe erlebte die Gegebenheiten auf dem Wasser. So wurden testweise drei Schleusen durchfahren, die für einen konstanten Wasserstand sorgen und damit die Schiffbarkeit gewährleisten. Dabei erfuhr man, dass sich Schiffe bislang noch per Telefon beim Schleusenwärter anmelden müssen. Ziel ist es, im weiteren Projektverlauf effiziente Kommunikationskanäle nicht nur vor Ort, sondern auch mit den zuständigen Behörden aufzubauen.

„Auf der Testfahrt wurde auch deutlich, dass die geplante Route teilweise tideabhängig ist und daher für den geplanten Testzeitraum bestimmt werden muss, ob Niedrig- und Hochwasserstände die Befahrung überhaupt zulassen“, erläutert Lisa Marie Vaca Guerra, Projektmanagerin Wirtschaftsverkehr und Logistik bei der LIHH. Auch müsse noch geprüft werden, ob die zu durchfahrenden Brücken und Schleusen Hindernisse für die Befahrung darstellen.

Gemeinsam mit den Vertretern unter anderem der Hamburg Port Authority, der Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft, des Landesbetriebs Straßen, Brücken und Gewässer und des Fraunhofer-Centers für Maritime Logistik und Dienstleistungen CML wurde anschließend außerdem über die Lizenz und Genehmigung des Schiffs diskutiert. Mit der Ruder-Vereinigung „Bille“ als einem neuen Stakeholder werde derzeit geprüft, ob deren Vereinsgelände eine geeignete Ablegestelle für das Binnenschiff darstellt.

Die gesammelten Daten helfen beispielsweise dem Projektpartner DHL, Anforderungen für die Nutzung der Wasserwege zu formulieren. „Gerade Geschäftskunden in der Innenstadt möchten ihre Ware möglichst am Vormittag erhalten“, sagt Stefan Laetsch, Sprecher der DHL Group in der Region Nord. „Wenn wir von der Tide abhängig sind, können wir das aber kaum gewährleisten“, fügt er hinzu. Der Paketdienstleister benötige daher Routen auf dem Wasserweg, über die er garantiert innerhalb eines fixen Zeitfensters am Vormittag ankommen und die Sendungen zustellen kann. „Wir müssen unser Qualitätsversprechen stets im Blick behalten, sind aber gerne bereit, uns an zukunftsweisenden, effizienten Pilotprojekten zu beteiligen“, betont Stefan Eckelmann, Niederlassungsleiter für Hamburg bei DHL.

In Berlin hat das Unternehmen bereits im Oktober vergangenen Jahres den Pakettransport mit einem elektrisch angetriebenen Solarschiff auf Spree und Havel gestartet. Ein Pilotprojekt, bei dem mittlerweile mehr als 50.000 Sendungen vom Südhafen Spandau zum Westhafen transportiert wurden. Erst kürzlich wurde das Projekt bis Sommer 2024 verlängert. „Die Wasserwege in Berlin sind tideunabhängig und in großen Teilen etwas besser schiffbar“, erläutert Laetsch. Es ist daher auch nicht geplant, das Solarboot auch in Hamburg einzusetzen. Derzeit transportiere das Solarschiff in der Hauptstadt täglich 350 von insgesamt 250.000 Paketen. Das entspreche rund 0,1 Prozent der täglichen Paketmenge in Berlin. Das Solarschiffsprojekt sei also vor allem ein Test, um herauszufinden, inwiefern derlei innovative Lösungen in der Großstadt einen kleinen Beitrag zum Transport auf der letzten Meile leisten können. „Als alleiniges Transportmittel im urbanen Raum sind sie jedoch angesichts der schieren Menge an Sendungen ungeeignet“, betont er.

Dennoch: Hamburg erhofft sich einiges vom Projekt Decarbomile und sieht dem geplanten Test mit der Barge zuversichtlich entgegen. Dazu sagt Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard: „Pakete über Hamburgs Fleete und Kanäle zum Bestimmungsort zu bringen, greift die jahrhundertelange Praxis auf und ist zugleich ein spannender und vielversprechender Ansatz.“ (alb)

Bildergalerie

  • In Berlin legt eine Barge an und übergibt die Ladung an ein Mikrodepot.

    In Berlin legt eine Barge an und übergibt die Ladung an ein Mikrodepot.

    Bild: Deutsche Post DHL Group / Jens Schlüter

  • In Berlin legt eine Barge an und übergibt die Ladung an ein Mikrodepot.

    In Berlin legt eine Barge an und übergibt die Ladung an ein Mikrodepot.

    Bild: Deutsche Post DHL Group / Jens Schlüter

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