Mit 145 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalenten gegenüber 148 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalenten im Vorjahr hat der Verkehrssektor die gesetzlich vorgeschriebene Höchstmenge im Jahr 2023 um 12 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente überschritten. Gegenüber 1990 gab es in diesem Bereich bislang nur eine Minderung um 18 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente. Laut Projektionsbericht der Bundesregierung werden die zum Zeitpunkt der Berichtserstellung beschlossenen verkehrspolitischen Maßnahmen bis 2030 zu einer Überschreitung des Gesamtbudgets des Sektors um 210 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalenten führen. Das geht aus einer Studie von Agora Energiewende mit dem Titel „Die Energiewende in Deutschland: Stand der Dinge 2023“ hervor, die am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde. Unter anderem stand im Jahr 2023 einem konjunkturbedingt leicht sinkenden Lkw-Verkehr ein Anstieg des Pkw-Verkehrs auf Bundesstraßen und Autobahnen entgegen – trotz Einführung des Deutschlandtickets.
Die anstehende Antriebswende bei schweren Nutzfahrzeugen wird in der Studie hervorgehoben. Einen wichtigen Treiber stellen demnach die vermutlich in Kürze verabschiedeten, erhöhten Anforderungen der EU im Rahmen der Flottengrenzwerte für schwere Nutzfahrzeuge dar. Hiernach müssen neu zugelassene Lkw 2040 zu 90 Prozent Nullemissions-Lkw sein. Das Bundesverkehrsministerium geht auf der Grundlage von Gesprächen mit den Herstellern davon aus, dass 2030 bereits 60 Prozent der Neuzulassungen batterieelektrisch und 17 Prozent brennstoffzellenelektrisch betrieben werden. Die Antriebswende bei Lkw müsste demnach deutlich schneller gelingen, als es bei Pkw in den vergangenen Jahren der Fall war.
Eine große Wirkung für die Antriebswende bei Lkw erhofft sich Agora Energiewende auch von der Lkw-Maut. Seit dem 1. Dezember 2023 beinhaltet diese auf deutschen Autobahnen und Bundesstraßen neben einem Preis für die Infrastrukturnutzung und externe Kosten wie Luftverschmutzung auch einen Preis für den Ausstoß von CO₂. Der CO₂-Satz innerhalb der Lkw-Maut wird je nach Fahrzeugkategorie so festgelegt, dass er 200 Euro pro Tonne CO₂ entspricht. Das ist der gemäß der Wegekostenrichtlinie der EU gültige Höchstsatz. Zusätzlich müssen die Lkw-Betreiber ab 2024 an der Tankstelle den CO₂-Preis auf Diesel von 45 Euro pro Tonne CO₂ zahlen. Damit werden Batterie-Lkw laut Agora Energiewende im Gesamtkostenvergleich in immer mehr Anwendungsfällen kostengünstiger als Dieselfahrzeuge.
In der Studie werden aber auch der Mangel an großen E-Lkw sowie die fehlende Ladeinfrastruktur für Lkw an Autobahnen sowie fehlende Übernachtlademöglichkeiten bemängelt. Für die Entscheidungen der Lkw-Betreiber, auf Elektro umzusteigen, sei das Vertrauen in den schnellen Aufbau insbesondere der öffentlichen Ladeinfrastruktur von elementarer Bedeutung. Der Bund solle deshalb die Mittel für die Förderung des sogenannten initialen Ladenetzes verlässlich vorhalten und den aufeinander abgestimmten, vorausschauenden Ausbau von Ladepunkten und Verteilnetzkapazitäten unterstützen.
Wenn die Novelle des Klimaschutzgesetzes in ihrer derzeitigen Entwurfsfassung verabschiedet wird, ist es künftig möglich, die Mehremissionen des Verkehrssektors durch Übererfüllungen in anderen Sektoren auszugleichen. Allerdings ist auf Basis der bislang verabschiedeten und geplanten Maßnahmen laut Agora Energiewende nicht davon auszugehen, dass die Sektoren Energie, Industrie, Wärme und Landwirtschaft ihre Emissionsminderungsziele derart übertreffen, dass die absehbar bestehende Erfüllungslücke im Verkehr geschlossen werden kann.
Insgesamt hat Deutschland im vergangenen Jahr nach den vorläufigen Berechnungen von Agora Energiewende so wenig Treibhausgase produziert wie seit sieben Jahrzehnten nicht mehr. Demnach ist der CO₂-Ausstoß gegenüber 2022 um 73 Millionen Tonnen auf insgesamt 673 Millionen Tonnen gesunken - was einem Rückgang von 46 Prozent im Vergleich zu 1990 entspreche. „Die Emissionen haben 2023 den tiefsten Stand seit den 1950er Jahren erreicht. Gleichzeitig handelt es sich um den größten Rückgang von Jahr zu Jahr in diesem Zeitraum“, sagte der Deutschland-Direktor von Agora, Simon Müller. Für die Zeit vor der Wiedervereinigung haben die Autoren Daten zum Ausstoß an Treibhausgasen aus der Bundesrepublik und der DDR zusammengerechnet. Allerdings: Einen dauerhaften Erfolg für den Klimaschutz stellt das Rekordjahr nach Analyse der Fachleute nicht dar.