Die Fahrer von Daimler Truck und Scania mussten bei ihren Testtouren meistens den Trailer abkoppeln, um Ladesäulen zu nutzen.

Bild: Daimler Truck

Ladenetz für E-Lkw in Europa noch unzureichend

07.12.2024

Tests von Daimler Truck und Scania haben gezeigt, dass beim Aufbau eines europaweiten Ladenetzes für E-Lkw noch viel zu tun ist. Die EU-Kommission sieht vor allem Mitgliedsstaaten und Privatwirtschaft in der Pflicht. Gesprächsbedarf in Brüssel gebe es zum Beispiel noch beim Ausbau der Stromnetze.

Daimler Truck und Scania haben es getestet: Technisch ist es heute bereits möglich, mit E-Lkw von 40 Tonnen Gesamtgewicht wochenlange Touren durch ganz Europa zu fahren. Ladestationen waren zu finden, Fahrzeuge und Batterien funktionierten bei Hitze, Wind oder Regen zuverlässig, der Komfort für die Fahrer war höher als im Diesel Lkw. Scania hat das auf einer Tour vom schwedischen Södertälje nach Istanbul ausprobiert, Daimler hat zwei E-Actros 600 von Wörth zum Nordkap, dann ins spanische Tarifa und wieder zurück nach Wörth fahren lassen.

Allerdings: Kommerzielle Fahrten seien mit E-Lkw auf solchen Routen derzeit nicht machbar, berichteten Kristine Stålhandske (Scania) und Jochen Gottstein (Daimler) im Rahmen einer Veranstaltungsreihe des europäischen Kfz-Herstellerverbandes ACEA in Brüssel.

Die Ladesäulen müssten oft mühsam gesucht werden. Die meisten seien für Pkw konstruiert. Lkw kämen oft schlecht an sie heran, blockierten dann andere Säulen für Pkw und in über 60 Prozent der Fälle musste zum Laden der Trailer abgekoppelt und ein Parkplatz dafür gesucht werden. „Für Berufskraftfahrer sind solche Manöver nicht machbar“, sagte Gottstein. Gleiches gilt laut Stålhandske für das Einrichten von Bezahl-Apps, von denen Scania 15 für seine Tour brauchte. Einige hätten das Smartphone lahmgelegt, in anderen Apps sei nicht ausgegebenes Geld blockiert. Zu weiteren Problemen gehörten an manchen Ladesäulen schwankende Ladeleistungen, etwa wenn weitere Fahrzeuge die Station nutzten.

Fazit der Hersteller: das für eine rasche Markteinführung von E-Lkw nötige spezielle öffentliche Ladenetz für Lkw existiert in Europa nicht und muss im Eiltempo aufgebaut werden. Bisher gibt es laut Karin Rådström, der Vorstandsvorsitzenden von Daimler Truck, rund 600 Lkw-Ladestationen in Europa. Um 400.000 E-Lkw bis 2030 auf die Straßen zu bringen, seien neben Depotlademöglichkeiten etwa 35.000 Megawatt- und 15.000 Ladesäulen mit weniger Leistung (CCS) nötig.

Erste Megawattcharger in Deutschland angekündigt

In Deutschland soll die erste Schnellladesäule (MCS) mit einer Leistung bis zu 1 Megawatt Ende des ersten Quartals 2025 im Rahmen des Forschungsprojekts „Hochleistungsladen im Lkw-Fernverkehr“ (HoLa) eröffnet werden. Das kündigte Patrick Plötz, Leiter des Geschäftsfeldes Energiewirtschaft bei Fraunhofer ISI, während der BMDV-Fachkonferenz Klimafreundliche Nutzfahrzeuge 2024 in Berlin an. Das Projekt läuft seit 2021 entlang der A2. Bis 2030 rechnet der Forscher deutschlandweit mit einem Bedarf von mindestens 1.000 öffentlichen Schnellladepunkten, wenn bis dahin etwa 15 Prozent der Lkw-Flotte elektrisch fahren. Das Laden an Megawattchargern ist Plötz zufolge vor allem für den Fernverkehr relevant. Für den Großteil der Lkw-Flotten sei indes langsameres Laden vor allem in Depots und zu einem kleinen Teil öffentlich ausreichend.

„Für Berufskraftfahrer sind solche Manöver nicht machbar.“

– Jochen Gottstein, Daimler Truck, zum Abkoppeln von Trailern vor dem Aufladen

Für die EU-Kommission sind jetzt die Mitgliedstaaten und private Akteure am Zug, die Ladeinfrastruktur zu bauen. „Bis Ende des Jahres müssen die Mitgliedstaaten zum ersten Mal Pläne vorlegen, wie sie die Vorgaben der AFIR-Verordnung erfüllen wollen“, sagte Axel Volkery von der Generaldirektion Verkehr der Kommision. AFIR enthält Mindestvorgaben für ein Ladesäulennetz. Gefragt sei gründliche Planung, mahnte Volkery.

Die Kommission werde den Aufbau aus dem EU-Haushalt weiterhin fördern. Volkery rief die Branche auf, mitzuteilen, wie die Kommission beim Bau von Depotladesäulen helfen könne. „Hier würden wir Unternehmen normalerweise nicht vorschreiben, wie sie das organisieren.“ Wenn es Probleme gebe, könne man aber über ein Eingreifen nachdenken, etwa über Fördermittel.

Allerdings sind die finanziellen Möglichkeiten der EU-Kommission begrenzt, machte Kristian Schmidt deutlich, der Direktor für Landverkehr. „Lassen Sie uns den EU-Haushalt verdreifachen“, sagte er mit einem Augenzwinkern. Dann lasse sich das Problem des Ladeinfrastrukturaufbaus lösen. Er wies darauf hin, dass die Mitgliedsstaaten neben dem EU-Haushalt auch noch Fördermittel aus dem Corona-Wiederaufbaufonds dafür verwenden könnten. Ob die AFIR-Mindeststandards angehoben werden müssten, werde 2026 geprüft.

Verkehrspolitisch hat die EU nach Ansicht von Schmidt die nötigen Anreize zur Förderung von E-Lkw gesetzt. Neben der AFIR-Verordnung nannte er die CO₂-Flottengrenzwerte und die Wegekostenrichtlinie, um den E-Lkw preislich wettbewerbsfähig zu machen. „Deutschland nutzt das und macht bei der Lkw-Maut das Richtige“, sagte Schmidt. Ein weiteres Element sei ab 2027 der CO₂-Emissionshandel für den Straßenverkehr, dessen Einnahmen zum Teil wieder zu Fördermitteln für saubere Lkw werden sollten. Mit der vorgeschlagenen Reform der Richtlinie über Maße und Gewichte im Straßenverkehr wolle die Kommission dafür sorgen, dass Batterien nicht zulasten der Ladekapazität von E-Lkw gingen.

E-Fahrzeugquoten für kommerzielle Flotten im Gespräch

Als neue Initiative zur Ankurbelung der Nachfrage nach E-Lkw hat die EU-Kommission die Festlegung eines Mindestanteils von Nullemissionsfahrzeugen in den Flotten von Unternehmen angekündigt. Noch nicht entschieden ist allerdings, ob die Kommission eine verpflichtende Mindestquote vorschlagen will, oder eine weichere Regulierung. Schmidt fragte bei der Brüsseler Veranstaltung, was den Unternehmen lieber wäre. Die Daimler Truck-Chefin Rådström sprach sich für eine „klarere CO2-Bepreisung“ aus, um den Straßengüterverkehr nachhaltiger zu machen. Eine gleichmäßigere Anwendung der EU-Wegekostenrichtlinie in allen Mitgliedstaaten wäre nach ihrer Ansicht hilfreich.

Schmidt ließ darüber hinaus keinen großen Appetit an neuer Regulierung erkennen, etwa um das Wirrwarr an Bezahl-Apps zu beseitigen. „Ich denke, das kann der Markt lösen“, sagte er. „Sicherlich ist jemand in der Lage, eine Bezahl-App für das Aufladen von E-Fahrzeugen in Europa zu entwickeln, die die über 20 anderen Applikationen überflüssig macht.“

Beim Ausbau der Stromnetze hakt es

Probleme sieht die EU-Kommission beim ausreichenden Ausbau des Stromnetzes und bei der Verkürzung der Planungs- und Genehmigungszeiten für den Ladesäulenbau. Die Reform der EU-Strommarktregeln habe immerhin die Fristen für Behördenauskünfte verkürzt, sagte Volkery. Mit der Generaldirektion Energie werde daran gearbeitet, die verfügbaren Stromnetzkapazitäten mit der Nachfrage nach Ladeleistung für E-Fahrzeuge abzugleichen. „Die Mitgliedstaaten müssen verstehen, dass sie in digitalisierte, moderne Stromnetze investieren müssen. Diese bilden das Rückgrat der Energiewende“, sagte Volkery. (fh/sl)

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